Filmfacts «Die Goldfische»
- Regie und Drehbuch: Alireza Golafshan
- Darsteller: Tom Schilling, Jella Haase, Birgit Minichmayr, Axel Stein, Jan Henrik Stahlberg, Luisa Wöllisch, Kida Khodr Ramadan, Klaas Heufer-Umlauf
- Produktion: Justyna Müsch, Quirin Berg, Max Wiedemann
- Kamera: Matthias Fleischer
- Schnitt: Denis Bachter
- Musik: Carlos Cipa, Sophia Jani
- Laufzeit: 111 Minuten
- FSK: ab 12 Jahren
Portfolio-Manager Oliver (Tom Schilling) ist ein schnöseliger Neureicher mit fettem Schwarzgeldkonto in der Schweiz – und immenser Ungeduld. Diese Ungeduld bugsiert ihn eines Tages in den Rollstuhl, als er glaubt, einfach mit 230km/h an einem langen Stau vorbeifahren zu können. Dieser Versuch endet mit mehreren Überschlägen. Einige Zeit später hat Oliver in der Reha noch immer keinerlei Fortschritte getan, denn statt sich um seine körperliche Situation zu kümmern, sorgt er sich allein darum, wie er wieder ins lukrative Geschäft des Portfolio-Managements einzusteigen. Und darum, die Betreuerin Laura (Jella Haase) anzuflirten, die ihn aber nicht ansprechend findet.

Zugegeben, empfindlichere Filmfans werden auch in «Die Goldfische» vereinzelte Gags finden, in denen Golafshan nicht allein mit, sondern zuweilen auch kurz über seine Figuren lacht: Wenn Autist Rainman (gespielt von einem munteren Axel Stein mit punktgenauem komödiantischem Timing) auf nahezu alles mit Phrasen aus seinem sehr beengten Sprachschatz antwortet, könnte dies manche Leute auf dem falschen Fuß erwischen. Es ist schon eine etwas platte Pointe über Autismus, doch im Gesamtkontext des Films dürfte deutlich werden, dass es Golafshan nicht darum geht, sich über die Figur Rainman und Menschen, denen es im realen Leben ähnlich geht, lustig zu machen:
Rainman ist mit seinen Standardphrasen für die anderen Figuren zuweilen ein Hindernis, da er die Kommunikation erschwert, und Hinderlichkeiten gehören unabdingbar zur Grundgrammatik der Art Komödie, zu der «Die Goldfische» zählt. In einem Film, in dem ein arroganter, wohlhabender Schnösel Schwarzgeld über die Grenze zu schmuggeln versucht, müssen ihm Steine in den Weg gelegt werden – die sorgen für Reibereien, die bedingen, dass komödiantische Funken sprühen. Und da muss es Pechsituationen geben, unkooperative Figuren sowie kooperative, aber mäßig hilfreiche Komplizen.
- © Sony Pictures
Und Golafshan setzt da auf inhaltliche Inklusion durch Gleichberechtigung, wenn er schon vor der Kamera nur ein Ensemblemitglied mit Behinderung zeigt: Die Goldfische-WG ist nicht etwa ein gelegentliches Hindernis, weil sie sich aus Menschen mit Behinderungen zusammensetzt. Sie ist ein gelegentliches Hindernis, weil sie Teil von Olivers Geschichte ist, die genregemäß sowie aufgrund narrativer Gesetzmäßigkeiten durch Stolperschwellen von dem Pfad abgebracht wird, den sich unser Protagonist eingangs vorgestellt hat.
Idealistin und Betreuerin Laura, die von «Fack Ju Göhte»-Mimin Jella Haase mit Charme und Witz gespielt wird, ist Oliver da genauso im Weg wie der dauergenervte und opportunistische Eddy (urkomisch und aufgedreht: «4 Blocks»-Star Kida Khodr Ramadan) oder sein gelackter (Ex-)Kollege (amüsiert-schmierig: Klaas Heufer-Umlauf). Die Goldfisch-WG-Mitglieder sind Oliver kein größerer Klotz am Bein als "die Gesunden", und Golafshan zeichnet sie allesamt mit Empathie. Und auch, wenn sie nicht gerade die komplexesten Figuren am Komödienhimmel sind, so sind sie wenigstens mit denselben groben Pinselstrichen gezeichnet wie der Rest der Figurenbande.

Vor dem Hintergrund dieser Charakterisierungen sowie des freundlichen Tonfalls, den Golafshan in seinem Film anschlägt, liest es sich nicht abfällig, wenn Rainman froh grinsend eine Bremse als "Mittwoch" bezeichnet. Der Gag ist im filmischen Gesamtkontext nicht "Haha, der dumme Behinderte weiß nicht, wie man eine Bremse nennt" sondern: "Und wieder verzögert sich die Umsetzung von Olivers Plan" - zumal der Film regelmäßig unterstreicht, dass die Goldfische konsequent unterschätzt werden. Da seien ihnen einzelne Schwächen rein menschlich gestattet, das haben sie schließlich mit Oliver, Laura und Eddy gemein.

Fazit: «Die Goldfische» ist eine weitestgehend kitschbefreite, trotzdem gutherzige Komödie mit (nicht über) Figuren mit Behinderungen.
«Die Goldfische» ist ab dem 21. März 2019 in vielen deutschen Kinos zu sehen.
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