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Netflix zu verdammen bringt nichts. Entscheidender ist es, sich Gedanken zu machen, wie man als Kino wieder attraktiver wird, um gegen das stetig größer werdende Aufgebot an Alternativen anzukommen
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Cineplex-Geschäftsführer Kim Ludolf Koch
Man sollte die "Gefahr" durch das Streaming nicht überschätzen: Wer einen Netflix-Account hat, ist Studien zufolge in der Tendenz filmaffiner und somit auch kinoaffiner als Menschen ohne Netflix-Account. Bloß reduziert sich augrund der Freizeitgestaltung oft die Häufigkeit der Kinobesuche. Kurzum: Netflix zu verdammen bringt nichts. Entscheidender ist es, sich Gedanken zu machen, wie man als Kino wieder attraktiver wird, um gegen das stetig größer werdende Aufgebot an Alternativen anzukommen. Da gibt es schon wichtige Anzeichen, was die richtige Strategie ist: 2018 war es sehr deutlich, dass Kinos, die ein komfortableres Erlebnis anbieten, mit bequemeren Sitzen und einem schöneren Ambiente, einen niedrigeren Besucherrückgang verzeichnet haben als die ganz klassischen Multiplexe.
Und das ist nichts Neues, dass das Kino an sich an Beliebtheit verliert, während sich die Erwartungen an Spielstätten verschieben. So ergeht es dem Kino in gewissen Abständen immer wieder. 26 Jahre meines Kinolebens habe ich auf schäbigen, harten Klappsitzen in engen Sälen verbracht, und als in den 90er-Jahren die größeren, saubereren Multiplexe aufkamen, war das für Leute meines Alters eine Offenbarung. Das spiegelte sich dann auch in den Besucherzahlen wider – bis das Freizeitaufgebot gewachsen ist und das Standard-Mulitplex als unbequem wahrgenommen wurde. Es wuchs zudem eine Generation auf, für die Amphietheater-Sitzränge, satter Sound und große Leinwände normal sind. Die lässt sich davon nicht beeindrucken, und daher hat sie neue Anforderungen an ein Kino, damit es als Grund wahrgenommen wird, aus dem Haus zu gehen.
Leute um die 30 und jünger fordern unseren Nachforschungen zufolge größere, bequemere Sitze, sie wollen außerdem gern eine Gastronomie im Kino haben, damit es zu einem Freizeitgestaltungsort für den ganzen Abend wird – solche und ähnliche Wünsche gilt es zu beachten. Das bedeutet für Kinos einen neuen Investitionszyklus abseits vom Erneuern der abgenutzten Einrichtung: Sie müssen sich einem neuen Konzept anpassen. Unsere Neueröffnungen sind auf diese Forderungen angepasst, und wir bauen auch in vergleichsweise kleineren Orten nun Kinos mit zehn Leinwänden, um ein größeres Filmaufgebot und einen diverseren Publikumsgeschmack bedienen zu können.
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Das ist die Zukunft: Die Anzahl der Säle nimmt zu, die Anzahl der Sitze pro Saal lässt nach, die Sitze werden breiter und komfortabler, und durch ein größeres Aufgebot an Freizeitgestaltung im Kino, abseits des Films, erhöhen sich die Erwartungen an die Aufenthaltsqualität und das Gemeinschaftserlebnis.
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Cineplex-Geschäftsführer Kim Ludolf Koch
Wenn Kinos das beachten, können sie Erlebnisse bieten, die das Streaming nicht bieten kann – und so dürfte die Kinoerfahrung nicht nur überleben, sondern auch wieder an Popularität gewinnen. Eine Sache, die Streaming uns dagegen voraus hat: Ob Amazon oder Netflix, diese Anbieter durchleuten ihre Kunden und wissen genau, was sie mögen. Das können Kinos in dieser Form nicht, und daher ist es schwerer, Kunden zu reaktivieren, im Stile von: "Weil Sie «Ant-Man and the Wasp» gesehen haben, empfehlen wir Ihnen aktuell «Captain Marvel»", und dann würde vielleicht auch noch ein Rabatt bei rausspringen oder ähnliches. So etwas, das optional ist und sich als Service positioniert, könnte dem Kino helfen und auch der Kundschaft gefallen, wenn man Wege finden würde, wie man das aufbaut.
Denn in Deutschland werden Eintrittskarten noch deutlich häufiger an der Kasse gekauft und viele Leute sind misstrauisch darin, ihre Daten zu überlassen – was ja auch gut ist. Es ist für uns nur eine Herausforderung, wie man diesen Hürdenlauf bewältigt. Wir bei Cineplex bauen derzeit ein neues Loyalty-Programm auf, auf das wir sehr gespannt sind. Es geht sensibel mit den Daten um, anders als bei Streamingdiensten setzt es auch auf die aktive, offensichtliche Einwilligung des Kunden und es bietet ihnen trotzdem ein personalisiertes Erlebnis mit Filmempfehlungen und auf sie zugeschnittenen Treuebelohnungen. Damit wollen wir in Sachen Service und Individualisierung an die Streamingkonkurrenz anschließen.
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Wo ich stutzig werde, ist der Umstand, dass die Leute lieber über die Preise meckern und weiter samstags kommen, statt mal am Dienstag zu gehen.
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Cineplex-Geschäftsführer Kim Ludolf Koch
Was wir feststellen, ist eine zunehmende Konzentration des Geschäfts aufs Wochenende. Das nimmt rapide an Bedeutung zu, in der Woche nimmt der Publikumszulauf drastisch ab. Man versucht natürlich, diese Nachfrage zu steuern, indem man die Preise flexibel gestaltet, wir wollen gerne den Andrang entzerren, weil das für die Kundschaft letztlich ein schöneres Erlebnis ermöglicht. Diese Preisgestaltung führt jedoch selbstredend auch dazu, dass der Samstag als teuer empfunden wird, weil der Dienstag günstiger ist. Das kann ich insofern verstehen – aber wo ich stutzig werde, ist der Umstand, dass die Leute lieber über die Preise meckern und weiter samstags kommen, statt mal am Dienstag zu gehen.
Wir könnten der Preiswahrnehmung entgegenwirken, indem wir die Preise mitteln, die Preise unter der Woche also etwas anheben und den Samstag dafür günstiger machen. Aber das würde nur dazu führen, dass dienstags noch weniger Leute kommen und wir am Wochenende weniger einnehmen. Das ist nicht die Lösung. Die Lösung wäre, Verständnis für flexible Preise zu erzeugen. Das ist bei anderen Angeboten doch auch so: Flüge am ersten Ferientag sind teurer als zwei, drei Wochen später, der ICE kostet an Oster-Feiertagen mehr als mitten in einer Arbeitswoche, und so weiter.
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Wir verdienen lieber heute einen Euro weniger, halten aber dafür die Kundschaft länger
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Cineplex-Geschäftsführer Kim Ludolf Koch
Hinzu kommt: Bei Preisen gilt in der Massenwahrnehmung leider ein Mitgehangen-Mitgefangen. Es gibt Mitbewerber, wo die Concession deutlich teurer ausfällt – und da leiden wir natürlich darunter, wenn in der Erinnerung der Leute sowas hängen bleibt und sowas die Lust auf Kino generell verdirbt. Aber ich kann den Kollegen schlecht vorschreiben, was die für 'ne Cola und eine mittlere Tüte Popcorn verlangen sollen.
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Die Schulreform G8 hat dazu geführt, dass junge Leute unter der Woche einfach nicht mehr die Zeit haben, nachmittags ins Kino zu gehen.
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Cineplex-Geschäftsführer Kim Ludolf Koch
Die Schulreform G8 hat dazu geführt, dass junge Leute unter der Woche einfach nicht mehr die Zeit haben, nachmittags ins Kino zu gehen. Arbeit und Schule sind offenbar für viele so zeitraubend geworden, dass man innerhalb der Woche das Couchkino bevorzugt. Das Kino hat so die Alltäglichkeit verloren, was uns auf Dauer sehr schmerzen könnte, wenn wir nicht dagegensteuern.
Gerade beim jungen Publikum müssen wir uns daher anstrengen, indem wir ihm das Vergnügen am Kino nahebringen. Früher erreichten wir 80 Prozent der Kinder und Jugendlichen, heute sind es 60 Prozent. Und das wird noch große Konsequenzen haben: Es ist leichter, häufige Kinogänger im erwachsenen Alter zu einem zusätzlichen Besuch zu motivieren, als einen Abstinenzler zum Kinobesucher zu machen. Das heißt: Alle Kinder und Jugendliche, die noch keine Kinobindung haben, werden als Erwachsene noch schwerer zu knacken sein und selber ihren Kindern das Kino nicht nahebringen …
Daher bauen wir bei Cineplex solche Aktionen wie "Mein erster Kinobesuch" aus. Das sind Vorführungen kurzer Filme mit Begleitangebot, wie etwa Kinderschminken, zudem arbeiten wir mit Pädagogen zusammen. Das ist sehr viel Arbeit, aber die Eltern sind begeistert und wir haben junge Leute "motiviert".
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In Frankreich wurde vor wenigen Jahren ein dauerhafter Rabatt für Kinder und Jugendliche bis einschließlich 14 Jahren eingeführt. Egal welcher Film, welcher Tag, welches Kino: Ein Ticket kostet höchstens 5,30 Euro. [...] In Deutschland will ich seit einiger Zeit ebenfalls solch eine Aktion anstoßen.
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Cineplex-Geschäftsführer Kim Ludolf Koch
Definitiv: In Frankreich wurde vor wenigen Jahren ein dauerhafter Rabatt für Kinder und Jugendliche bis einschließlich 14 Jahren eingeführt. Egal welcher Film, welcher Tag, welches Kino: Ein Ticket kostet höchstens 5,30 Euro. Das ist eine starke Aktion, bei der Verleiher, Kinos und die Politik zusammengearbeitet haben und dadurch eine neue Generation an Fans gewinnen. In Deutschland will ich seit einiger Zeit ebenfalls solch eine Aktion anstoßen, aber leider muss man dafür alle unter einen Hut bringen – und da gibt es bestimmte Mitglieder in der Kinobranche, die querschießen … Das finde ich sehr bedauerlich.
Dann wünsche ich damit noch viel Erfolg und bedanke mich für das anregende Gespräch.
Es gibt 3 Kommentare zum Artikel
24.03.2019 20:25 Uhr 1
Kino ist einfach zu teuer und die Cineplex Kinos versuchen den letzten Euro vom Kunden abzuziehen.
Beispiel 1:
Wenn man sich Plätze vorab im Internet reservieren möchte, kostet das eine Zusatzgebühr. Früher war das bei Cineplex noch ohne Extrakosten möglich.
Beispiel 2:
Ich war Montag in einer 15h Vorstellung. Den Film gab es nur in 3D, was einen Preisaufschlag bedeutete. Eine Kinokarte kostete satte 10€. Geht man in Begleitung und möchte man noch Popcorn und was zu trinken, ist man knapp 30€ los. Und das am Montag Nachmittag wohlgemerkt.
Beispiel 3:
Weil ich Urlaub habe, sind wir Dienstag nochmal in einen anderen Film gegangen. Den gab es wieder nur in 3D. Im Heimkinobereich ist 3D schon nicht mehr existent, die Kinobetreiber sollten Ihre Kunden mal befragen was sie wollen! 3D jedenfalls nicht.
Achtung Sarkasmus:
Immerhin war am Dienstag Kinotag und ich habe pro Karte nur 9,50€ gezahlt.
Ich denke mein Kinojahr ist hiermit beendet.
25.03.2019 09:43 Uhr 2
Ach?
Wo ist dann der Unterschied zum amerikanischen Kino, wo es auch nur um Umsatz geht?
Wie soll man eigentlich manch einen Mammutfilm gesund überstehen, ohne entweder dehydriert oder pleite zu sein?
So, weg vom Popkorn, hin zum Inhalt der Filme.
Wenn die Comics bald alle durch sind, kann die deutsche Kinolandschaft mal weiter zeigen, was sie kann.
Scheinbar gehen hier in Deutschland die Sidneys und Antjes dieser Welt nicht in genügender Anzahl in die Filme, die sie textlich in den Himmel loben.
25.03.2019 10:32 Uhr 3
Ließ den Text noch einmal. Koch behauptet nicht, dass es hierzulande in den Kinos anders abläuft, er begründet nur, weshalb er den hier üblichen Weg der Erfolgsermittlung aus dem genannten Grund vernünftiger findet.
:roll: :roll: Wusste nicht, dass du Antjes und meine Kinobesuchstatistik akribisch untersuchst. Ach, halt, tust du gar nicht.