Lieber Michael,
du kanntest mich nicht, ich kannte dich nicht, und doch war deine Stimme mir mindestens so vertraut, wie die meines Großvaters.
Einen Mittwochabend im Monat, wenn ich eine Sendung (sehen durfte!), die zehnjährige normalerweise nicht sehen sollten, war es deine tiefe, bärige, warme und gleichzeitig bestimmende Stimme, die noch beim Einschlafen nachwirkte. Und wie sie nachwirkte.
Nicht nur, weil das, was du sagtest wahr war, sondern weil es wahrhaftig wurde, weil DU es sagtest. Einfach wahrhaftig, nicht verstellt, nicht reißerisch, nicht-pseudo-mysteriös, zurücknehmend, aber trotzdem mit so viel Gewicht. Deine Stimme, deine Intonation, dein Feingefühl zum präzisen und wohl dosierten Einsatz deines wundervollen Werkzeuges, war genau das, was Aktenzeichen brauchte. Nicht zu viel, nicht zu wenig. Du hast einfach genau die richtige Welle getroffen.
«Aktenzeichen XY» ist eines der letzten TV-Lagerfeuer, weil wichtige Faktoren, die symbiotisch zusammen wirken müssen, es in dieser Sendung tun.
Deine Stimme war einer dieser Faktoren, die das Feuer nicht ersticken ließ, auch als starker Sturm aufzog, nachdem Eduard Zimmermann sich zur Ruhe setzte.
Für mich bist du mitverantwortlich, dass sein Lebenswerk diese unruhigen Zeiten hinter sich lassen konnte und vor einigen Jahren mit ungeahntem Rückenwind zurück in die erste Riege preschte, dort wo es hingehört.
Als ich gestern völlig überraschend von deinem plötzlichen Tod las, brach in mir ein Stück Heimat weg.
Nach vierzehn meiner dreiundzwanzig Lebensjahre, nicht mehr deinen Worten am Mittwochabend gebannt zu folgen, sondern die eines anderen, ist für mich so unvorstellbar, wie für Millionen andere, die es dreißig ihrer vierzig Lebensjahre taten.
Jedes Lagerfeuer braucht seinen Erzähler, du hast Generationen von Lagerfeuerkindern mit deiner wärmenden Stimme geprägt, dort wo es um dunkle menschliche Abgründe geht.
Diese gehören zum Leben, genau wie dein Wort zu Aktenzeichen, für immer.