Filmfacts «Lloronas Fluch»
- Regie: Michael Chaves
- Produktion: James Wan, Gary Dauberman, Emile Gladstone
- Drehbuch: Mikki Daughtry, Tobias Iaconis
- Darsteller: Linda Cardellini, Raymond Cruz, Patricia Velásquez
- Musik: Joseph Bishara
- Kamera: Michael Burgess
- Schnitt: Peter Gvozdas
- Laufzeit: 94 Minuten
- FSK: ab 16 Jahren
Los Angeles, 1973.
Anna Tate Garcia (Linda Cardellini), eine Sozialarbeiterin und alleinerziehende Witwe, ist verzweifelt bemüht, ihrem Job und ihren Kindern gerecht zu werden, während sie gleichzeitig noch um ihren Ehemann trauert. Im Zuge ihrer Arbeit mit den von ihr betreuten Familien bewegt sich Anna dabei oft durch eine Vielzahl von Wahngebilden und Geisterglauben und findet meist deren persönliche Dämonen hinter den Ereignissen heraus. Als sie zum Haus der verzweifelten Patricia Alvarez (Patricia Velasquez) gerufen wird, findet sie deren zwei Söhne in einer Kammer eingesperrt vor und deutet das als gefährliches Anzeichen von Missbrauch. Obwohl Anna entschlossen ist, Patricia zu helfen, gilt ihre erste Sorge der Sicherheit der Kinder. Angesichts ihrer Unkenntnis der sehr realen Gefahr weist sie die Mutter in eine Nervenheilanstalt ein und nimmt die Kinder in Gewahrsam – völlig ahnungslos, was sie im Begriff ist zu entfesseln oder welche Zerstörung dies anrichten wird. Denn tief in der Nacht hallt ein gespenstisches Wimmern durch die Gänge des Kinderschutzhauses, in dem die zwei Jungen schlafen. Als wenig später ihre Körper aus dem Fluss gezogen werden, gibt die verzweifelte Mutter Anna die Schuld und stößt eine schaurige Warnung aus: La Llorona hat jetzt ihre Kinder, aber Annas Kinder könnten die nächsten sein…
«Conjuring – Die Heimsuchung», «Annabelle», «Conjuring 2», «Annabelle 2» und «The Nun» – das sind die Filme, die das einst vom mittlerweile auf Blockbuster spezialisierten Regisseur James Wan auf den Weg gebrachte Horroruniversum mittlerweile vorweisen kann. Sie alle sind, sicherlich auch aufgrund der Beteiligung ganz unterschiedlich veranlagter Regisseure, von schwankender Qualität. Die beiden «Conjuring»-Filme, in denen vor allem das Schicksal des Ehepaares Waaren im Zentrum der Ereignisse steht, stechen als packende, den Zuschauer emotional involvierende und trotzdem höllisch grudelige Haunted-House-Filme besonders hervor. Bei den beiden «Annabelle»-Solofilmen scheiden sich die Geister. Wir finden vor allem den ersten, von «Conjuring»-Kameramann John R. Leonetti inszenierten Puppengrusler besonders gelungen, während das Gros der Horrorliebhaber vor allem Gefallen am zweiten Teil fand (den wir wiederum als äußerst durchschnittlich erachten). Im Falle von «The Nun» waren sich dagegen wieder alle einig: Der Solofilm rund um die unheimliche Dämonennonne stellt in seiner wenig kreativen, sich voll und ganz auf Jumpscares und Effekthascherei verlassenen Machart bislang den Bodensatz innerhalb der «Conjuring»-Filme dar. Und das muss man aufgrund des extrem stimmungsvollen Klostersettings und der absolut fies aussehenden Horrornonne erstmal hinbekommen. «Lloronas Fluch» ordnet sich qualitativ irgendwo im Mittelfeld der hier aufgeführten Filme ein, macht aber vor allem viele Fehler des letztgenannten. Aber kommen wir erst einmal zu den Aspekten, die an Michael Chaves‘ Langfilmdebüt gut funktionieren.
Dass es James Wan höchstpersönlich war, der seinem bislang ausschließlich an Kurzfilmen beteiligten Kollegen Michael Chaves den Regieposten für «Conjuring 3» anbot (den er dann selbstverständlich annahm – die Dreharbeiten sollen im Sommer dieses Jahres stattfinden), überrascht zumindest aus einer Perspektive kaum: «Lloronas Fluch» sieht einfach verdammt gut aus und profitiert trotz seiner Verortung in der US-Metropole Los Angeles davon, dass sich die Geschichte auf eine mexikanische Sage beruft. Mithilfe gezielter Rückblenden verweist das Skript von Mikki Daughtry und Tobias Iaconis (schrieben auch zusammen das Drehbuch zu Justin Baldonis Romantikdrama «Five Feet Apart») auf den Ursprung der Legende und kombiniert gekonnt mexikanische Folklore mit authentischem Seventiesfeeling. Vor allem das Design der titelgebenden La Llorona, gespielt von Marisol Ramirez («Der Kreis») wirkt hier wie ein Bindeglied zwischen den Kulturen. Das sorgt dafür, dass sich «Lloronas Fluch» optisch angenehm von den bisherigen Filmen der «Conjuring»-Saga abhebt. Corin Hardy hatte das mit seinem «The Nun» zwar ebenfalls schon versucht, indem er die Handlung in ein rumänisches Kloster verlagerte. Doch die stets viel zu dunklen Bilder und die billig wirkenden Setpieces ließen allenfalls Geisterbahnstimmung aufkommen. Kamermann Michael Burgess («Public Disturbance») sorgt gerade in Tageslichtaufnahmen für eine vom Farbschema an blasse Wasserfarben erinnernde, entrückte und dadurch fast surreale Stimmung, die auch das Plakat sehr schön widergibt.
- © Warner Bros.
Dass sich Michael Chaves jedoch nicht lange auf die Vorzüge seiner Inszenierung verlässt, zeigt sich schon daran, wie selten er Szenen tatsächlich im Hellen stattfinden lässt. Wie schon in «The Nun» stehen auch die allesamt von soliden Schauspielerinnen und Schauspielern verkörperten Hauptfiguren in «Lloronas Fluch» sehr bald – im wahrsten Sinne des Wortes – im Dunkeln und die Macher konzentrieren sich mit Vorliebe auf den schnellen Schock. Anstatt noch mehr in die Hintergrundgeschichte des Llorona-Geists einzutauchen (und damit auch die Liebhaber der Saga zufriedenzustellen, die Chaves‘ eigenen Aussagen zufolge so wichtig sind), setzt der Regisseur auf den klassischen Jumpscare-Aufbau, lässt plötzlich unheimliche Fratzen auftauchen und dreht im entscheidenden Moment plötzlich die Musik laut auf. Das wäre an sich nicht weiter schlimm, würde sich der Newcomer auf erzählerische Ebene auch weiterhin Mühe geben. Doch spätestens in der zweiten Hälfte wird aus La Llorona ein austauschbarer Geist, dessen Motivation für die Story kaum noch relevant ist. Ob sie die Kinder nun töten oder aber „nur“ zu sich holen will, bleibt ebenso vage dargestellt wie die Kräfte der Wesens. Es kann zwar durchaus reizvoll sein, einfach so gar nicht abschätzen zu können, wie mächtig ein Antagonist ist. In «Lloronas Fluch» wirken die unterschiedlich angewandten Methoden der Llorona-Frau allerdings nicht zu Ende gedacht und der Schrecken geht verloren, anstatt noch weiter anzusteigen. Für den kleinen Schock zwischendurch sollte es für einen Großteil des Publikums trotzdem ausreichen.
Fazit
«Lloronas Fluch» ist gerade für ein Debütwerk mit solider Hand inszeniert und sieht phasenweise richtig gut aus. Leider verlässt sich Regisseur Michael Chaves in der zweiten Hälfte zu sehr auf gängige Horrorfilmmechanismen und zieht den vorhersehbaren Jumpscare der Erzählung einer emotionalen Story vor. Der Ursprung der Geschichte hätte das locker hergegeben.
«Lloronas Fluch» ist ab dem 18. April bundesweit in den deutschen Kinos zu sehen.
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