Filmfacts «Der Fall Collini»
Regie: Marco KreuzpaintnerDrehbuch: Christian Zübert, Robert Gold, Jens-Frederik Otto
Darsteller: Elyas M’Barek, Heiner Lauterbach, Stefano Cassetti, Alexandra Maria Lara, Franco Nero, Sandro Di Stefano, Tara Fischer
Produktion: Marcel Hartges, Martin Moszkowicz, Christoph Müller, Kerstin Schmidbauer
Kamera: Jakub Bejnarowicz
Schnitt: Johannes Hubrich
Laufzeit: 123 Minuten
FSK: ab zwölf Jahren
Die Geschichte beginnt damit, dass der 70-jährige Italiener Fabrizio Collini (Franco Nero) 2001 in ein Berliner Hotel schreitet und den angesehenen Großindustriellen Hans Meyer (Manfred Zapatka) attackiert. Kurz danach schreitet er seelenruhig, aber auch erschöpft, durch das Foyer des Hotels, wo eine Angestellte bemerkt, dass sich fremdes Blut an Collini befindet. Meyer ist tot. An Collinis Schuld bestehen keinerlei Zweifel. Als Pflichtverteidiger bekommt er den noch recht jungen und unerfahrenen, aber ehrgeizigen Anwalt Caspar Leinen (Elyas M'Barek) zugeteilt, der sich an dem seit der Tat schweigenden Italiener jedoch die Zähne ausbeißt. Leinen will seinem Mandanten unbedingt den bestmöglichen Beistand ermöglichen – jedenfalls bis er überhaupt erfährt, wen Collini ermordet hat.
Der als Wohltäter gefeierte Meyer war nämlich der Großvater von Leinens Jugendliebe Johanna (Alexandra Maria Lara) und zudem sowas wie ein Ersatzvater für ihn. Kurz zieht Leinen in Erwägung, den Fall wegen Befangenheit abzugeben, letztlich wagt er aber das Messen mit der bissigen Anwaltslegende Richard Mattinger (Heiner Lauterbach). Leinen hat im Gespür, dass Collini nicht motivlos gehandelt hat, nur ist er seinem Anwalt partout keine Hilfe. Also sucht Leinen mit auf eigene Faust nach Hinweisen – und deckt so skandalöse Gegebenheiten aus längst vergangenen Tagen auf …
- © Constantin Film
Selbst wenn nicht jedes Werk Ferdinand von Schirachs erzählerisch ins Schwarze trifft, so hat der Dramatiker ein sehr gutes Gespür dafür, mit seinen Geschichten Salz in sozialpolitische und gesellschaftsmoralische Wunden zu streuen. Die ZDF-Serienadaptionen von «Verbrechen» und «Schuld» führten das mit ihren diversen Dilemmata bestens vor, und auch «Der Fall Collini» trifft einen offenliegenden Nerv. Da der reale Kern dieser fiktionalen Geschichte als überraschende Wende erst im finalen Drittel des Films enthüllt wird, wollen wir an dieser Stelle nicht zu konkret darauf eingehen. So viel sei schon gesagt: «Der Fall Collini» spinnt aus einer beschämenden justizhistorischen Anekdote eine fesselnde Geschichte über moralische Verlogenheit und bundesdeutsche Nachlässigkeit im Umgang mit ethischen Fehlschritten.
Das letzte Drittel von «Der Fall Collini» ist daher auch das stärkste dieses Justizthrillers: Wenn die (realen) Verwerfungen über den (fiktiven) Fall Collinis nach und nach aufgelöst, kommentiert und fassungslos eingeordnet werden, sorgen die geschliffenen Dialoge und die dramatische Fallhöhe sowie die moralische Komplexität der von Regisseur Marco Kreuzpaintner souverän inszenierten Gerichtsverhandlung für große Spannung. Da lässt es sich auch leicht verkraften, dass Heiner Lauterbach die Rolle des verbissenen Anwalts arg routiniert-gehässig runterleiert. Das wiegen der wortkarge, doch mit ausagekräftigen Blicken auftrumpfende Franco Nero und M'Bareks Spiel als ebenso empathischer wie zielstrebiger Verteidiger problemlos wieder auf.
Die ersten zwei Drittel von «Der Fall Collini» reichen nicht ganz an den Abschluss heran. So sind die Dialoge außerhalb des Gerichtssaals stellenweise verkrampft und die Entwicklungen der Nebenfiguren sprunghaft. Hier merkt man, wie sehr die Buchvorlage verkürzt werden musste. Besonders hart trifft es Alexandra Maria Laras Figur der Johanna: Lara macht zwar mit ihrer großen, eindringlichen Mimik noch das Beste aus dem, was das Skript ihr ermöglicht, dennoch verkommt ihre Rolle zur wechsellaunigen Stichwortgeberin.
Auch die Rückblenden, die sowohl Caspar Leinens gefundene Indizien sowie seine Kindheitsgeschichte im Abriss zeigen, neigen zu einer Künstlichkeit. Sowohl Regieführung als auch Spiel und Skript vermitteln die Grundidee dieser Szenen in sehr verdichteter, etwas klischeebeladener Form, ähnlich wie eine kleine Handvoll an verzichtbaren Anspielungen auf Leinens (von der Buchvorlage abweichender) Herkunft. Andererseits beherrscht Kreuzpaintner die kleinen tonalen Schlenker: Wie Leinen etwa Bekanntschaft mit einer Pizzabotin macht und mit ihr über Familiendinge und seinen Fall spricht, zeigt der Regisseur als angenehm menschelnd und leicht humorig, ohne die Dramatik dieses Stoffes auszubremsen.
Fazit: Trotz manch konstruierter Momente und Dialoge sorgen das spannende letzte Drittel und M'Bareks Leinwandpräsenz für solide Justiz-Kinounterhaltung.
«Der Fall Collini» ist ab sofort in vielen deutschen Kinos zu sehen.
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