Wo passiert's?
Die Netflix-Animationsserie «Love, Death & Robots» ist eine immens kreative Anthologieserie, die in jeder einzelnen Folge neue, teils sehr grafisch-brutale oder sexuell offenherzige, Sci-Fi-Konzepte auslotet. Neben der inhaltlichen Originalität fällt bei dem unter anderem von Tim Miller und David Fincher produzierten Format die Art und Weise auf, wie der Video-on-Demand-Dienst sie auf sein Publikum losließ: Der Streamingservice, der das Binge Watching populär gemacht hat, dreht erneut an den Schrauben der Sehgewohnheit und stellte die Serie in variabler Episodenreihenfolge online.
Vier verschiedene Reihenfolgen der «Love, Death & Robots» wurden erstellt, und jedem Userprofil wird eine zugeordnet. Auf das Storytelling der Serie hat dies keinen Einfluss, da die Episoden ja für sich stehen, allerdings beeinflusst es natürlich, wie Serienfans das Format für sich entdecken.
Wie werden die Episodenreihenfolgen bestimmt?
Sowohl laut Angaben seitens Netflix selbst als auch laut Lukas Thoms, Mitgründer von 'Out in Tech', würfelt der Netflix-Algorithmus zufällig aus, wer die «Love, Death & Robots»-Episoden in welcher Reihenfolge angezeigt bekommt. Thoms mutmaßte zuvor, dass Netflix basierend auf seiner Mutmaßung über die sexuelle Orientierung einer Nutzerin oder eines Nutzers entscheidet, welche Episodenorder attraktiver für sie oder ihn sein könnte.
Was bringt es?
Darauf gibt es zwei Antworten. Zunächst einmal mit dem Blick allein auf «Love, Death & Robots» gerichtet: Executive Producer David Fincher möchte mit dem Format unkonventionelle Erzählwege gehen, weshalb die Serie auch keine genormte Episodenlaufzeit aufweist. Er wolle, dass eine jede einzelne Geschichte genau so lang ist, wie sie es bedarf, um ihr volles Potential an emotionaler Wirkung oder Unterhaltsamkeit entfaltet. Da fügt es sich als weiterer Schritt sehr gut, auch noch die Erwartungshaltung zu unterwandern, indem nur ein Viertel des Publikums dieselbe Serienerfahrung hat – Online-Diskussionen über "Folge eins" etc. sind bei «Love, Death & Robots» nicht einschätzbar, im Gegensatz zu anderen Serien.
Für Netflix ist dies obendrein ein Experiment, das auslotet, wie das Ausnutzen von technischen Möglichkeiten beim Streamingservice ankommt. «Black Mirror: Bandersnatch» diente als XXL-Testballon für komplexe, interaktive Inhalte. Ein Test, bei dem, wie der VOD-Anbieter einräumte, auch die Entscheidungen der User ausgewertet wurden. «Love, Death & Robots» testet nun das Wasser für uneinheitliche Episodenreihenfolgen. Das kann Netflix auf verschiedene Weisen ausnutzen.
So lässt sich theoretisch verfolgen, welche der «Love, Death & Robots»-Reihenfolgen mehr Menschen dazu verführt, die gesamte Serie anzuschauen. Das ließe sich nutzen, um diese Reihenfolge mehr Usern hochzuspülen und so mehr «Love, Death & Robots»-Begeisterung zu erzeugen. Und das lässt sich gegebenenfalls auf andere Anthologieserien übertragen.
Theoretisch hat Netflix auch die Möglichkeit, die Episodenreihenfolgen und deren Anfixierungserfolg mit weiteren Nutzerdaten zu verbinden. Was bislang also eine zufällige Verteilung darstellt, könnte in künftigen, ähnlichen Situationen auf jedes einzelne Profil zugeschnitten werden, so dass Fans von «Chilling Adventures of Sabrina» eine Netflix-Anthologie in einer anderen Reihenfolge erleben als «Fuller House»-Fans.
«Love, Death & Robots» ist via Netflix abrufbar.
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