Sonntagsfragen

«Nachtschwestern»-Schöpferin Annette Herre: „Emotionale Geschichten in Serie sind unsere Kernkompetenz“

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Mit einem siebenköpfigen Hauptcast will RTL ab Dienstag seine Zuschauer in der Notaufnahme versorgen. Annette Herre sprach vor dem Start über das Tempo der Nacht, Vorbilder wie «The Night Shift» und wandelbare Schauspieler.

So beschreibt RTL seine neue Medical-Weekly «Nachtschwestern»

Im Mittelpunkt stehen mit Ella und Nora (Ines Quermann und Mimi Fiedler) zwei starke Frauen, die einen großen Konflikt miteinander haben. Jede Nacht müssen sie Seite an Seite arbeiten, um den Menschen zu helfen, die nachts im Klinikum Köln-West (KKW) landen. Nora, die Stationsleiterin, möchte ihre ehemals beste Freundin Ella unbedingt wieder loswerden, weil sie nicht darüber hinwegkommt, dass Ella ihr damals den Freund ausgespannt hat. Ella, frisch getrennt und Mutter dreier Kinder, sieht das völlig anders. Sie ist eine gute Krankenschwester, liebt ihren Job und findet, dass man nach 16 Jahren die Vergangenheit hinter sich lassen kann. Doch der hochemotionale Konflikt zwischen Ella und Nora ist nicht die einzige Problematik, die in der neuen Serie polarisiert.
(c) Pressetext RTL
Krankenhäuser scheinen zur Zeit für Fernsehserien ein gutes Pflaster zu sein. «In aller Freundschaft» hat zwei Ableger, Dailys wie «Alles was zählt» und «GZSZ» haben Krankenstationen als Set. Medical-Themen boomen also?
Sie haben recht, Medical-Themen sind interessant. Krankenhaus-Serien sind schon seit vielen Jahren erfolgreiche Formate. Das hängt meiner Ansicht nach damit zusammen, dass wir alle immer wieder mal mit Krankheiten, kleineren Unfällen und Situationen zu tun haben, in denen es uns einfach schlecht geht. Da haben wir den Wunsch, dass wir zu Menschen kommen, die kompetent und fürsorglich sind. In solchen Geschichten sehe ich also keinen neuen Trend, aber ein Feld mit viel Potential.

Vollkommen richtig – wir erinnern uns ja alle auch noch gerne an Serien wie «Für alle Fälle Stefanie» oder «Dr. Stefan Frank».
Oder «OP ruft Dr. Brückner», das ich immer sehr spannend fand. «Stefanie» ist natürlich ein gutes Beispiel, weil auch wir uns entschieden haben, in unserer neuen Serie «Nachtschwestern» Geschichten von Pflegern und Krankenschwestern in den Fokus zu stellen. Wir wollen also in erster Linie nicht die Halbgötter in Weiß abbilden, die Tag für Tag den OP rocken, sondern zeigen, wie sich die Schwestern um die Patienten kümmern, Zeit für sie haben und ihnen Trost zusprechen. Ich glaube jeder von uns kann eine Geschichte über Besuche in einer Notaufnahme erzählen. Bei allen Storys, die ich gehört habe, gab es meistens die eine Schwester, die sich besonders viel Zeit genommen hat. Die eine Schwester, die in der Not einfach da war.

Ich glaube jeder von uns kann eine Geschichte über Besuche in einer Notaufnahme erzählen. Bei allen Storys, die ich gehört habe, gab es meistens die eine Schwester, die sich besonders viel Zeit genommen hat. Die eine Schwester, die in der Not einfach da war.
Annette Herre, ausführende Produzentin von UFA Serial Drama
In Ihrer Serie stehen zwei Frauen im Fokus, die Sie aber recht gegensätzlich aufgestellt haben.
Wir haben zwei weibliche Hauptfiguren, deren private Line sich durch die kompletten ersten zehn Folgen der ersten Staffel und vielleicht ja auch darüber hinaus ziehen wird. Vor 16 Jahren waren die beiden die besten Freundinnen, haben zusammen ein Zimmer im gleichen Schwesternheim geteilt als sie ihre Ausbildung gemacht haben. Sie haben sich in den gleichen Mann verliebt und Ella, gespielt von Ines Quermann – unsere Hauptfigur mit der wir in die Serie kommen - hat Nora, gespielt von Mimi Fiedler, den Mann ausgespannt. Wir erzählen hier eine Geschichte, die in der Tat immer wieder passiert und ein Thema, das sehr polarisiert. Die eine Gruppe sieht es so, dass nach 16 Jahren sicherlich Gras über die Sache gewachsen ist und man sich verzeihen kann. Die andere Gruppe ist der Meinung, dass das ein derartiger Tabubruch ist, der niemals zu verzeihen ist. Das ist einfach eine sehr starke emotionale Aufladung für unser Format. Ich habe die Pilotfolge jetzt so häufig gesehen und bekomme in bestimmten Sequenzen immer noch Gänsehaut.

Neben den beiden Mädels gibt es noch Doktor Sander, gespielt von Oliver Franck, der eine Art „Good Doctor“ spielt?
Er spielt jemanden, der anpackt. Doktor Sander war auch schon für Ärzte ohne Grenzen unterwegs. Er fühlt sich als Arzt in der Notaufnahme wohl, weil er sich nicht um Hierarchien im Krankenhaus kümmern möchte. Er will helfen und Leben retten – und das kann er nachts in der Notaufnahme ohne Chef vor der Nase einfach am besten. Als Kontrast dazu gibt es aber auch einen Kollegen in der Serie, der ganz anders ist als er. Dr. Kühnert sieht sich als Halbgott in weiß – er schaut auf die Krankenschwestern herab, sein Status ist ihm wichtiger als die Menschen, die er behandelt.

Gutes Stichwort: Der Antagonist scheut sich auch nicht vor bissigen Kommentaren im Patientenzimmer. Wie real ist die Serie?
Meine Chefautorin Sarah Höflich und ich haben die Bücher mit einem unglaublich talentierten und engagierten Team entwickelt und geschrieben. Uns ist Realität genauso wichtig wie tolle dramatische Wendungen und große Emotionen. Genauso wie es warmherzige und empathische Schwestern im echten Leben gibt, gibt es im Krankenhaus eben auch Menschen, die aus anderen Motiven ihren Beruf ergriffen haben. Zum Beispiel Ärzte, die vor allem mit dem Ziel studieren, um sich später ein tolles Auto leisten zu können und einen bestimmten Status erreichen wollen. Das kennen sicher alle aus eigener Erfahrung. Und auch in der Realität sind oft die Krankenschwestern die „besseren Ärzte“!



Dass mit Sila Sahin als Empfangsdame und Dr.-Sander-Darsteller Oliver Frank zwei ehemalige «GZSZ»-Gesichter mitspielen, passt Ihnen gut, da Sie ja die zahlreichen jungen Zuschauer der Daily, die zugleich Lead-In ist, rüberziehen wollen?
Natürlich ist das ein Effekt, den wir gerne sehen. Wir laufen direkt nach «GZSZ» und wir wissen, dass die Fans der Serie sich auf ein Wiedersehen mit Sila Sahin und Oliver Franck freuen. Sowohl Sila Sahin-Radlinger als auch Oliver Franck spielen beide ihre Rollen toll und sind die ideale Besetzung.

Bei «GZSZ» war er der gewalttätige Ehemann/Anwalt, hier ist er der Sunnyboy.
Oliver hat eine tolle Bandbreite. Er kann sowohl antagonistische Charaktere als auch positive zupackende Typen spielen. Das gilt genauso für meine beiden Hauptdarstellerinnen. Ines Quermann, die viele Zuschauer aus «Unter uns» kennen, strahlt eine tolle Wärme aus. Man glaubt ihr einfach ihre Situation als Mutter von drei Kindern, die noch mal ganz von vorne anfangen muss. Und sich jetzt in ihrem Job behaupten muss, nachdem sie die letzten 16 Jahre in der Praxis ihres Exmannes gearbeitet hat.

Und Mimi Fiedler als ihre ehemals beste Freundin, Stationsleiterin der Notaufnahme, überzeugt uns durch ihre Darstellung der tiefen Verletzung. Eine Verletzung, die bis heute ihr Leben bestimmt, über die sie auch nach 16 Jahren nicht hinweg ist. Eine spannende Konstellation, die die beiden Schauspielerinnen einfach toll erzählen.

Mir hat «The Night Shift» sehr gut gefallen. Das ist auch eine Serie, die nachts in einer Notaufnahme spielt. Da herrscht eine tolle Energie, das Team war schlüssig. Aber sie ist komplett aus Ärzteperspektive erzählt.
Annette Herre, ausführende Produzentin von UFA Serial Drama
Wie intensiv haben Sie sich im Vorfeld mit den Formaten aus der «In aller Freundschaft»-Welt befasst?
Es ist meine Hausaufgabe, wenn ich es so nennen darf, dass ich mich als ausführende Produzentin mit allen Medical-Formaten aus Deutschland wie auch international befasse. Natürlich haben wir aus der Betrachtung anderer Formate Schlüsse gezogen. Unsere Entscheidung, wie viel private Line und wie viel „Fälle“ wir anteilig erzählen wollen, basiert aber weniger auf anderen Serien – sondern viel mehr auf unserer klaren Definition „Medical Serie“ für unser Format.

Und? Welche Serie hat Ihnen am Besten gefallen?
Das kann ich nicht sagen. Wenn ich eine Serie beruflich schaue, dann picke ich mir immer einzelne Elemente heraus. Schauen Sie – mir hat «The Night Shift» sehr gut gefallen. Das ist auch eine Serie, die nachts in einer Notaufnahme spielt. Da herrscht eine tolle Energie, das Team war schlüssig. Aber sie ist komplett aus Ärzteperspektive erzählt.

Wir legen den Fokus auf die Krankenschwestern. Insofern sind wir ein eigenständiges Format, das eine eigene Energie und eigenes Tempo hat. Ich bewundere die Macher von «In aller Freundschaft», weil sie Woche für Woche ein Millionenpublikum begeistern.

Wir grenzen uns aber ab, in dem wir zum Beispiel immer mit Schichtbeginn um 22 Uhr starten und dann die Geschichten der Nacht erzählen. Die Nacht bestimmt unser Tempo, unsere Fälle und die gesamte Atmosphäre. Am Ende jeder Folge geht die Sonne auf; die Fälle sind gelöst und unser Team atmet durch auf der Dachterrasse des Krankenhauses und versucht zurückzufinden in den Alltag.

Nochmal zu «In aller Freundschaft». Millionen Deutsche haben Woche für Woche um 21.05 Uhr eine Verabredung mit der Sachsenklinik. UFA Serial Drama ist eigentlich auch für industrielle Herstellung von Formaten bekannt. Sie machen jetzt aber zunächst aber nur zehn Episoden. Würden Sie gerne, wie «IaF», 45 bis 50 Folgen pro Jahr machen?
Perspektivisch ist das denkbar. Aber wir wissen ja, dass es nicht so einfach ist, ein neues Format zu etablieren. Daher haben wir mit RTL zunächst einmal zehn Folgen vereinbart. In diese Folgen haben wir sämtliche Energie gesteckt, uns aber parallel so aufgestellt, dass wir schnell und intensiv weitermachen könnten.

Wenn UFA Serial Drama etwas kann, dann Formate weiter zu entwickeln. Wir haben sowohl mit den beiden weiblichen Hauptfiguren als auch mit dem gesamten Ensemble noch sehr viel Potential für Geschichten. Emotionale Geschichten in Serie sind unsere Kernkompetenz. Für viele Folgen.

Danke für das Gespräch und alles Gute für den Start am Dienstag um 21.15 Uhr.

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