Was fürs Herz
Laut Moderatorin Kunze handelt es sich um "ein Wohlfühlformat mit einem helfenden Aspekt". Zudem ist ihr wichtig zu erwähnen, dass es "einfach Herzensfernsehen" sei.
Der Ansatz ist dabei übrigens anders als bei vergleichbaren Formaten nicht so eng gefasst. So geht es keinesfalls ausschließlich um Komplett-Umstylings. Auch Schönheitsoperationen, Veränderungen von missratenen oder ungeliebten Tattoos oder ein Einsatz in den vier Wänden der Kandidaten können Themen der Sendung sein.
Janine Kunze, die Trägerin der Goldenen Rose von Montreux (2001) und des Deutschen Comedypreises (2002) ist, hatte zuvor wenig erfolgreich «Big Blöff» bei Sat.1 moderiert und versucht sich nun wieder am Nachmittag.
Alles wird gut - immer!
In einer sparsamen Kulisse, die wie ein wilder Mix aus dem RTL-Fundus wirkt, leitet die Moderatorin die verschiedenen Fälle mit Pathos und Empathie ein. Dank Einspielern lernen wir die Protagonisten kennen. Das übliche Vorführen darf dabei natürlich nicht fehlen. Denn die Fälle sind selbstverständlich tragisch und lassen uns mitfühlen. Gut, dass RTL ein Team von Experten auffährt, die für alle Lebenslagen gute Tipps am Start haben. Auch wenn es durchaus ein wenig zum Kopfschütteln veranlasst, wenn ein Mann eine vom Leben und ihrem Partner enttäuschte junge Frau – wie von ihm mehrfach erwähnt –darauf umstylt, dass andere Männer sich über ihr neues Ich freuen können. Die Definition über andere als Lebensmodell? Einmal mit Profis arbeiten. Dabei ist abseits der ungeschickten Wortwahl der Ansatz natürlich richtig und wichtig. Es geht um Selbstwertgefühl und das neue Erleben der eigenen Stärken.
So geht es weiter. Neue Klamotten samt Make-up für die graue Maus, ein Cover-up fürs alte Tattoo und Einrichtungshilfe für das neue Zimmer des demenzkranken Vaters: Am Ende dreht sich das Drama verlässlich in pures Glück.
Ironie beiseite gelassen, bewegt sich die Machart des Formats im Rahmen des Erlaubten. RTL bespielt die bekannte Schiene aus Tränen der Trauer und des Glücks, aus Sorgen und Hoffnung, aus den Aufs und Abs des Lebens. Dazu gibt es sentimentale Unterhaltungen und viel Mitgefühl. Die Stimme aus dem Off lässt darüberhinaus keine Fragen offen. Wer es mag, wird kompetent bedient.
Zweischneidiges Schwert
Größter Trumpf des neuen Formats ist auch gleichzeitig der deutlichste Makel. So sehr man die Vielfalt der Probleme in den Mittelpunkt rückt, so beliebig macht sie das Format auch. «Vorher Nachher - Dein großer Moment» ist weder das eine, noch das andere und bedient munter jede Spielart des Help-TV.
Dabei erwartet selbstverständlich niemand, dass RTL das Rad neu erfindet. Alles Bekannte nur in einen großen Topf zu rühren und damit die große Programmoffensive am Nachmittag zu starten, ist vielleicht aber auch zu wenig. Wobei man eines aber auch im Hinterkopf behalten sollte: Besser als Scripted Reality ist das allemal. Vielleicht sollten die Macher die Kandidaten der jeweiligen Ausgabe aber am Ende noch gemeinsam oder gegeneinander um den Hauptgewinn kochen lassen. Dann wäre wenigstens wirklich alles abgedeckt.
Fazit
«Vorher Nachher - Dein großer Moment» macht wenig falsch und hilft Menschen, windet sich aber ebenso darum, etwas konkret richtig zu machen oder auch nur Spuren von Identität zu entwickeln.
Als selbstbewusst-quirlige Mischung aus «Verzeih mir», «Vermisst», «Ab ins Beet» und vielen anderen Varianten des Help-TVs dürfte das Format bestimmt ein Publikum finden, dass nicht zu sehr an einer strikten Thementrennung interessiert ist. Ein Preis für Kreativität oder gar einen neuen Hit am Nachmttag findet RTL damit aber ganz sicher nicht.
So wird der Zuschauer die zentrale Frage beantworten müssen: Ist das wahllose Abfrühstücken von Alltagsdramen eine eigene Show wert, oder nicht?
«Vorher Nachher – Dein großer Moment» wird ab sofort von Montag bis Freitag um 16:00 Uhr bei RTL ausgestrahlt. Parallel dazu ist die Sendung auch im RTL-Live-Stream bei TVNOW zu sehen. Ganze Folgen stehen nach Ausstrahlung zudem in voller Länge auf TVNOW zum Abruf bereit.
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