Die Kino-Kritiker

«Stan & Ollie» - Das erste Biopic über Laurel und Hardy

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Sie sind wohl bis heuteste das berühmteste Komiker-Duo der Welt, nun setzt ihnen Regisseur Jon S. Baird mit «Stan & Ollie» ein berührendes Denkmal, das weniger noch als ihr Comedy-Talent vor allem die innige Freundschaft der beiden Hollywoodstars in den Mittelpunkt rückt.

Filmfacts: «Stan & Ollie»

  • Start: 09. Mai 2019
  • Genre: Biopic/Drama
  • Laufzeit: 98 Min.
  • FSK: o.Al.
  • Kamera: Laurie Rose
  • Musik: Rolfe Kent
  • Buch: Jeff Pope
  • Regie: Jon S. Baird
  • Darsteller: Steve Coogan, John C. Reilly, Shirley Henderson, Nina Arianda, Rufus Jones
  • OT: Stan & Ollie (UK/CAN/USA 2018)
Das britisch-amerikanische Komikerduo Laurel und Hardy – hierzulande auch als "Dick und Doof“ bekannt – kann auf eine bemerkenswerte Vita zurückblicken. Zwischen 1921 und 1951 war es in 27 Spiel- und 80 Kurzfilmen zu sehen. Viele der darin vorkommenden Gags entwickelten die Komiker Stan Laurel und Oliver Hardy selbst. Nicht zuletzt da die beiden ihre Höhepunkte während der Stummfilmzeit hatten, gilt ihr Humor gilt als wegweisend für das, was man heutzutage Slapstick nennt. 1961 erhielten die beiden Schauspieler einen Ehrenoscar für ihr Lebenswerk; fünf Jahre, nachdem Oliver Hardy im Alter von 55 Jahren in Hollywood verstorben war. Noch einmal 56 Jahre später erschien mit Jon S. Bairds biographischem Drama «Stan & Ollie» der erste Film über (und nicht mit) die beiden Stars, für den sich der «Drecksau»-Regisseur vor allem mit der engen freundschaftlichen Beziehung der beiden Männer befasst und wie diese sich durch den Erfolg, vor allem aber durch die Durststrecke danach veränderte.

Für einen Film über die beiden Brachial-Comedians ist «Stan & Ollie» daher bemerkenswert ruhig und unaufgeregt, sodass der Film auch für Leute erträglich ist, die mit dem Humor des Duos so gar nichts anfangen können – die Verfasserin dieser Zeilen spricht da aus Erfahrung.

Die Zeit nach dem großen Erfolg


Stan Laurel (Steve Coogan) und Oliver Hardy (John C. Reilly), das beliebteste Komiker-Duo der Welt, befindet sich 1953 auf einer Tour durch Großbritannien. Ihre besten Jahre als die „Könige der Hollywoodkomödie“ hinter sich, sehen sie sich mit einer ungewissen Zukunft konfrontiert. Zu Beginn ihrer Tour kreuz und quer durchs Land, sind die Zuschauerräume enttäuschend leer. Doch durch ihr Talent, sich immer wieder gegenseitig zum Lachen zu bringen, beginnt der Funke auf ihr Publikum überzuspringen. Es gelingt ihnen durch den Charme und die Brillanz ihrer Aufführungen, alte Fans zurückzugewinnen und neue zu begeistern: Die Tour wird zum einem Riesenerfolg! Doch die Gespenster ihrer Vergangenheit holen sie ein und stellen Stan und Ollies Freundschaft auf eine Bewährungsprobe…

In der aller ersten Szene von «Stan & Ollie» bewegen sich Stan Laurel und Oliver Hardy, über den Status Quo ihrer Karriere und das Hollywoodbusiness schwadronierend, durch ein Filmset. Es ist zwar fast ein wenig bedauerlich, dass ein solch starker Moment den Film eröffnet, denn so eröffnet Jon S. Baird Tür und Tor für Erwartungen, die der Film aller Qualitäten zum Trotz nie mehr ganz erreicht (kurzum: Beginnt ein Film mit der stärksten Sequenz überhaupt und bleibt anschließend nicht kontinuierlich auf ein und demselben Level, entlässt er einen zwangsläufig mit dem Gefühl, zum Ende hin abgebaut zu haben). Das bedeutet jedoch nicht, dass der inszenatorische Aufwand hinter dieser mehrere Minuten andauernden Szene mitsamt ihres Einfallsreichtums und ihrer Detailverliebtheit nicht trotzdem begeistert. Vielmehr wirft Jon S. Baird das Publikum direkt hinein in die Dekade der frühen Fünfzigerjahre und verhilft ihm zu dem Gefühl, mittendrin, statt nur dabei zu sein. Immer einen notwendigen Abstand zu den beiden Protagonisten haltend, sodass man von der liebevoll authentisch ausgestatteten Kulisse möglichst viel mitbekommt, kreiert Kameramann Laurie Rose («Friedhof der Kuscheltiere») ohne viel Aufwand Bilder, die ihn direkt in seine Dekade verfrachten.

«Stan & Ollie» könnte auch selbst ein Film der Fünfzigerjahre sein, was sich in der gleichermaßen simplen wie immer nah an ihren Figuren stattfindenden Geschichte ebenso widerspiegelt, wie in der betonten Reduktion auf ein Minimum an Reizen. Im Mittelpunkt stehen klar die beiden Hauptfiguren, in zweiter Instanz geht es um ihre Frauen und ganz am Rande spielen vielleicht auch noch die sich sukzessive verändernden Regeln des Hollywoodbusiness eine Rolle. Doch so klar strukturiert und unaufgeregt wie sich «Stan & Ollie» hier präsentiert, bekommt man selbst bodenständig angelegte Biopics heutzutage kaum noch zu sehen.

Ein trauriger Film über lustige Männer


Fast wie ein Fremdkörper wirken neben den Szenen möglichst kleiner Gesten und Bemerkungen die kurzen Einblicke in Laurels und Hardys Bühnenprogramm und Filmdreharbeiten. Für wenige Szenen sehen wir Dick und Doof, Stan und Ollie oder wie auch immer sie genannt wurden in Aktion; und da sich die beiden Hauptdarsteller Steve Coogan («The Dinner») und John C. Reilly («The Sisters Brothers») die Manierismen und Artikulation der großen Vorbilder perfekt angeeignet haben, muss man schon zweimal hinschauen, ob die Macher hier nicht einfach auf Archivmaterial des echten Komiker-Duos zurückgegriffen haben. Die beiden Hollywood-Großkaliber erweisen sich in ihren Hauptrollen als optimale Wahl – John C. Reilly wurde für seine Performance sogar für den Golden Globe als Bester Hauptdarsteller in einer Komödie nominiert. Wenngleich diese Wahl definitiv verdient ist, wundert sie doch zugleich aus zwei Gründen: Zum einen erschließt sich einem nicht ganz, weshalb Steve Coogan wiederum nicht berücksichtigt wurde (während sie beide in ihren Einzelszenen gleichermaßen stark sind, blühen sie doch gerade im Zusammenspiel erst so richtig auf).

Zum anderen ist «Stan & Ollie» zwar ein Film über zwei Komiker, ihn aber direkt mit einer Komödie gleichzusetzen, ist regelrecht hanebüchen. Vor allem in der zweiten Hälfte eröffnen sich innerhalb der Erzählung dramatische Tiefen, die nicht etwa zu Lachtränen rühren, sondern zu solchen der Trauer.

Indem Drehbuchautor Jeff Pope («Philomena») die Geschichte basierend auf A.J. Marriots Buch «Laurel & Hardy – The British Tours» nach der glanzvollen Zeit der beiden Protagonisten als „Könige der Hollywoodkomödie“ ansetzt, ist «Stan & Ollie» zwar nicht direkt ein Film übers Scheitern. Dafür waren Stan Laurel und Oliver Hardy in ihrer Zeit als tourende Bühnenkomiker einfach noch viel zu erfolgreich. Gleichzeitig konzentriert sich das Biopic ganz klar darauf, was die Berühmtheit und der Erfolg mit den Charakteren gemacht hat und nicht, wie das Duo ebenjenen Erfolg überhaupt erreicht hat. Dies hat viele tragische Momente zur Folge. Vor allem der Einbezug der beiden Ehefrauen Lucille Hardy (Shirley Henderson) und Ida Laurel (Nina Arianda), die ihren Gatten die Zeit auf der Bühne nicht nehmen wollen, diese jedoch um nichts in der Welt an die Unterhaltungsmaschinerie verlieren wollen, verhilft der Geschichte noch einmal zu ganz neuer Tiefe – selbst wenn Henderson («Okja») und Arianda («Florence Foster Jenkins») ihre Rollen bisweilen ein wenig bevormundend anlegen.

Das ist allerdings spätestens dann vergessen, wenn «Stan & Ollie» in der letzten halben Stunde zeigt, welchen Preis Stan und Ollie schon ihr ganzes Leben für den Applaus und das Geld gezahlt haben. Ohne erhobenen Zeigefinger, dafür mithilfe eines tieftraurigen Dialogs, für den Jon S. Baird seine beiden Hauptfiguren für ein paar Minuten in ein und demselben Bett platziert, macht er deutlich, dass in der Hollywoodbranche absolut nichts dem Zufall überlassen bleibt. Und dass selbst die, die andere immer zum Lachen bringen, selbst oft gar nicht so viel zu Lachen haben.

Fazit


Regisseur Jon S. Baird befasst sich in seinem überragend besetzten Biopic und fantastisch ausgestatteten «Stan & Ollie» mit der Zeit nach der großen Karriere des gleichnamigen Komikerduos und kommt den widersprüchlichen Figuren dabei ganz nah.

«Stan & Ollie» ist ab dem 9. Mai in ausgewählten deutschen Kinos zu sehen.

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