Die Kritiker

«Hartwig Seeler - Gefährliche Erinnerung»

von

Eine junge Juristin verschwindet spurlos. Bald stellt sich heraus: Eine Sekte hat ihr eingeredet, dass ihr Vater sie sexuell missbraucht habe.

Cast & Crew

Vor der Kamera:
Matthias Koeberlin als Hartwig Seeler
Friederike Becht als Amanda
Caroline Hellwig als Evelyn Kepler
Michael Wittenborn als Felix Kepler
Michaela Caspar als Monika Kepler
Lasse Myhr als Lasse
Dagny Dewath als Maria Seeler

Hinter der Kamera:
Produktion: Hager Moss Film
Drehbuch und Regie: Johannes Fabrick
Kamera: Helmut Pirnat
Produzentin: Kirsten Hager
Den rätselhaften Tod seiner Lebensgefährtin hat Hartwig Seeler (Matthias Koeberlin) bis heute nicht verkraftet. Mitunter deshalb hat er vor kurzem den Polizeidienst quittiert und verdingt sich seitdem als Privatdetektiv. Als der aufgebrachte Vater (Michael Wittenborn) der verschwundenen jungen Juristin Evelyn Kepler (Caroline Hellwig) bei ihm auftaucht und ihn engagiert, um seine Tochter ausfindig zu machen, wird schon früh klar, dass sich in diesem Fall auch Hartwigs eigenes Schicksal spiegeln wird.

Die Spur führt zu einer ominösen New-Age-Ashram-Sekte, die einen selig dreinblickenden bärtigen Guru namens Aljoscha verehrt und sich gerade in Kroatien zu einem alternativen Gebetswochenende trifft. Das Religionsimitat ist voll von „alten Geheimlehren“, „heiligem Sehen“ und „bedingungsloser Liebe“, und Evelyn, die dort zwischen Nervenzusammenbrüchen und neuer Hoffnung alterniert, ist hin und weg vom unscheinbaren und unnahbaren Sektenführer: „Er kann uns retten, alles wird gut.“

Auch auf Hartwig Seeler wirken diese Glaubensinhalte trotz aller Ballaballa-Elemente irgendwie anziehend. Schnell findet er Zugang zu einer Frau aus der oberen Riege der Sektenhierarchie, von der er sich hypnotisieren lässt – mit dem Ergebnis, dass er einige Episoden aus dem Zusammenleben mit seiner unter rätselhaften Umständen verunglückten Partnerin neu bewertet. Auch auf Evelyn hatten die Hypnose-Sessions eine schockierende Wirkung: Sie ist seitdem davon überzeugt, dass ihr Vater sie als Kind sexuell missbraucht habe.

Das kann zwei Ursachen haben: Entweder hat die Hypnose eine verdrängte Erinnerung freigelegt, oder sie, möglicherweise aufgrund der suggestiven Führung durch die Hypnotiseurin, in ihrem Gedächtnis implantiert. Psychiatrisch ist die zweite Variante deutlich naheliegender, aber «Hartwig Seeler» will diese Frage weitgehend offenlassen. Hauptfigur Hartwig beginnt jetzt erst richtig, zu ermitteln, glaubt niemandem so ganz und beschränkt sich auf das, was er am besten kann: mit allen mitfühlen.

Bei dieser Erzählung bleibt das Sektenmilieu weitgehend austauschbarer Hintergrund und wird nur in wenigen Momenten – beim Vordringen in Restricted Areas und der Unansprechbarkeit des Gurus – tiefgründiger und mit angemessener Skepsis untersucht. So bleibt auch eine zentrale Frage unbeantwortet, die ein ambitionierterer Film mit diesen Themen und Sujets hätte stellen können: Was macht ominöses Geschwafel von mystischen alten Lehren, „Seelenkunde“ und eine äußerlich gutmütige, aber unnahbare und seltsam beliebige Führerfigur auch für intelligente Menschen aus scheinbar gesicherten Lebensverhältnissen so attraktiv?

«Hartwig Seeler» setzt voraus, dass man in diesem Aspekt nicht sonderlich viel hinterfragt, sondern die Situation schlicht als gegeben anerkennt. Doch das ist gerade angesichts der allzu oberflächlichen Figurenzeichnung etwas viel verlangt. Zu sehr bemüht sich dieser Film stattdessen, ominöse Rätsel zu entwerfen und relevante Hintergründe absichtlich im Dunkeln zu lassen, vielleicht, um sie in einer Fortsetzung mal umso effektreicher auflösen zu können. Dafür hätte diese Produktion jedoch zumindest bei ihren zwei zentralen Themen – die späte Enthüllung von eingebildetem (?) Kindesmissbrauch und das wenig heitere Sektenleben – liefern müssen: Sei es in einer konsequenten Kontrastierung von New-Age-Lehren und der gelebten degenerierten parareligiösen Realität, oder einer aufrichtigen Begegnung mit den Gründen für ihre Attraktivität, die über Phrasen wie die „schreckliche Präpotenz der westlichen Welt“ weit hätte hinausgehen müssen.

Das Erste zeigt «Hartwig Seeler – Gefährliche Erinnerung» am Samstag, den 11. Mai um 20.15 Uhr.

Kurz-URL: qmde.de/109262
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