«Lucifer» und Netflix...
Im Mai sah es noch ganz danach aus, als werde «Lucifer» schon bald Geschichte sein - in den USA erklärte FOX damals, die Serie nicht fortsetzen zu wollen. Fünf Wochen später meldete sich dann aber Netflix zu Wort. Der Streaming-Dienstanbieter kündigte an, «Lucifer» doch die von Fans ersehnte vierte Staffel zu spendieren (mehr dazu hier).Die Chancen und Risiken neuer Möglichkeiten
Doch je näher die neue Staffel kam, desto größer wurden die Sorgen einiger eingefleischter Fans. Die zentrale Frage lautete: Wird sich die Serie treu bleiben? Immerhin hatten die Macher nun mehr Möglichkeiten und unterlagen nicht mehr den Einschränkungen des frei empfangbaren Fernsehens. Genau das hatten sich die Showrunner Joe Henderson und Ildy Modrovich gewünscht. Ein ums andere Mal soll FOX zu explizite Szenen verboten haben, beispielsweise in Staffel eins, als in einer Einstellung der blanke Hintern von Hauptdarsteller Tom Ellis zu sehen sein sollte. Dementsprechend äußerten sich Henderson und Modrovich nach der Netflix-Rettung, dass sie sich darauf freuen würden, nun auch mehr Horror, mehr Blut, mehr Kraftausdrücke oder mehr nackte Haut einfließen zu lassen, wenn es passt.
Und das sollte es auch, denn wenn sich «Lucifer» zu stark ändert, verprellt das auch die Fans. Viele davon lernten «Lucifer» besonders deshalb so lieben, weil die Serie eigentlich schon von Anfang an wie das perfekte Streaming-Format daherkam, Kurzweil bot und sich schnell durchschauen lassen ließ, anstatt mit zu viel Tiefgang zum Nachdenken anzuregen. Netflix gab sich auch deshalb vor der Staffel alle Mühe zu beteuern, dass man das Format unter keinen Umständen ändern wolle. Rein formal war dies aber schon der Fall, denn die vierte Staffel wurde auf zehn Episoden zurechtgestutzt. Eine regelrecht mickrige Episodenzahl, vergleicht man sie mit der 26 Folgen umfassenden dritten Staffel des Formats.
«Lucifer» ist emotionaler denn je
Seit Donnerstag durften sich Fans in aller Welt – und davon hat «Lucifer» viele – also einen Eindruck vom neuen Netflix-Format verschaffen. Kenner der Serie waren auch deshalb so gespannt auf die neuen Episoden und so schockiert von der FOX-Absetzung, weil Staffel drei auf einem Höhepunkt endete, als «Lucifer» seiner potenziellen romantischen Partnerin Chloe (Lauren German) sein wahres Ich offenbarte. Deshalb geriet Staffel vier von Anfang an emotionaler. Vorher war der Genre-Mix aus Fantasyserie und Police Procedural häufig auf die Kriminalfälle bedacht, die Chloe und «Lucifer» zusammen lösten, wobei der sehr spezielle Humor der Hauptfigur zu einem frivolen Sehvergnügen beitrug.
In Staffel vier geht es von Anfang an mehr auf die zwischenmenschliche Ebene und anstatt sich wie im Fernsehen üblich ganz einem „Fall der Woche“ zu widmen, schwingen die Gefühle, die die Selbstoffenbarung «Lucifers» bei Chloe in Gang setzte, die ganze Staffel über mit. Es ist wohl einer der offensichtlichsten Faktoren, der zeigt, wie «Lucifer» seine neue Rolle als reine Streaming-Serie annimmt und im Hinterkopf behält, dass die meisten Zuschauer viele Folgen am Stück und die Staffel in kurzer Zeit durchschauen werden. Die Nachwirkungen von «Lucifers» Enthüllung prägen daher alle neuen Folgen der Staffel, weshalb die neue Staffel tatsächlich düsterer wurde, aber anders als Fans vielleicht gedacht hätten.
Chloe fühlt sich von «Lucifer» verraten und dieses Gefühl überlagert auch deren Arbeitsbeziehung, denn weiterhin versuchen die beiden, Fälle aufzuklären. Generell müsste der Titel der Sendung in Staffel vier eher «Lucifer & Chloe» lauten, denn die Frauenfigur, die zu Beginn der Show eher ein Sidekick für den charismatischen Teufel war, gerät durch die Entwicklungen in der Geschichte immer mehr in den Fokus der Erzählung. Aus Fan-Sicht ist diese Entscheidung der Autoren durchaus gewagt, haben sich die Sympathien der Fans doch bislang vorwiegend um «Lucifer» selbst gedreht, der der klare Star des Formats war.
Wie «Lucifer» seine Rolle als Streaming-Format interpetiert
Der «Lucifer»-Cast
Die Hauptrollen in Lucifer spielen Tom Ellis («Miranda») als Lucifer Morningstar und Lauren German («Chicago Fire») als Chloe Decker. D.B. Woodside («24») ist als Lucifers Bruder Amenadiel, Lesley-Ann Brandt («A Beautiful Son») als seine Verbündete Mazikeen, Kevin Alejandro («True Blood», «Arrow») als Dan Espinoza und Scarlett Estevez («Daddy's Home») als Trixie zu sehen. Neu zum Cast stößt in der vierten Staffel Inbar Lavi («Imposters») als ziemlich gelangweilte und böse Eva.Auch andere Freiheiten hat «Lucifer» nun. Besonders auffällig sind variierende Episodenlängen und etwas mehr Nacktheit. Dabei gelingt «Lucifer» jedoch stets die Gratwanderung, die Grenzen nicht so stark auszutesten, dass Fans von zu stärken Änderungen irritiert wären. Den nackten Hintern von Tom Ellis ließen die Macher sich diesmal aber nicht nehmen, genauso wie die Verwendung etwas derberer Sprache. Letztlich bewahrheiteten sich aber nicht die großen Sorgen, dass man die Serie nicht wiedererkennen würde bei Netflix. Seine DNA hat «Lucifer» nicht verloren.
«Lucifer» bleibt sich treu
«Lucifer»-Fakten:
- Genre(s): Fantasy, Police Procedural, Dramedy, Horror
- Vorlage: "Lucifer"-Comics (DC Vertigo)
- Serienschöpfer: Tom Kapinos, Joe Henderson & Ildy Modrovich
- Episodenzahl: 67 (4 Staffeln)
- Drehort: Los Angeles
- Produktionsfirmen: Jerry Bruckheimer Television, DC Entertainment & Warner Bros. Television
- Weltpremiere: 25. Januar 2016 (FOX)
- Deutschlandpremiere: 15. Juli 2016 (Amazon Video)
- Vertreiber (seit 2018): Netflix
Fans des „alten“ «Lucifer» werden auch bei Netflix auf ihre Kosten kommen, während diejenigen, die sich vielleicht sogar auf eine deutlich düsterere, sexiere und verstörendere Fortsetzung gefreut haben, leicht enttäuscht sein werden. Das Format hält an seinem Humor fest und hangelt sich durch verschiedene kuriose „Fälle der Woche“, während die Musiknummern des Formats opulenter denn je daherkommen. Des Weiteren lässt der charmante Cast seine Albernheiten allerdings auch immer öfter hinter sich, um emotionaleren Szenen Raum zu geben, die dem Format bisher kaum bediente Facetten verleihen, auch wenn die Versuchung, zusätzlich Scherze einzubauen, diese teilweise mit dem Hintern wieder einreißt. Ein dichterer Erzählbogen lässt die neue Staffel schließlich in einem bittersüßen Ende kulminieren, nach dem auch alles hätte vorbei sein können. Wie wir Netflix kennen, wird der Streaming-Dienst aber nicht ausgerechnet jetzt Halt machen.
Es gibt 5 Kommentare zum Artikel
12.05.2019 14:06 Uhr 1
Besonders das radiohead „creep“ Cover zu Beginn fand ich sehr gut!
Eine kleine Richtigstellung:
Staffel 3 hat offiziell 24 Folgen. Die zwei anhängenden Episoden wurden für Staffel 4 produziert und sind ein „Bonus“. Da es um die Kürzung der Episodenzahl durch Netflix im Vergleich zu FOX geht würde ich da eher auf die offizielle und geplante Zahl zurückgreifen, und nicht die durch die allein durch die Absetzung erhöhte Zahl.
12.05.2019 19:11 Uhr 2
12.05.2019 20:55 Uhr 3
12.05.2019 20:55 Uhr 4
13.05.2019 11:36 Uhr 5