Serientäter

Staffelfazit: «Riverdale» bleibt ein süchtig-machendes, heilloses Durcheinander

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In Staffel drei wurde das Teen-Drama noch mysteriöser und unübersichtlicher. Doch die Serie bleibt ein Zuschauerliebling, der in Staffel vier dem verstorbenen Luke Perry die letzte Ehre erweisen will.

«Riverdale» steht für eine neue Generation von Fernsehen. Nicht unbedingt inhaltlich, denn die Serie besteht schon von Anfang an aus Teen-Drama, Soap, Crime und Mystery-Versatzstücken, die – darüber sind dich zumindest viele Kritiker einig – zu einem poppig-bunten, aber irgendwie verboten unterhaltsamen Over-the-Top-Serienbrei zusammengerührt werden. Besonders für The CW war «Riverdale» der Beginn der Zukunft, denn das Format, das beim kleinen US-Network für junge, weibliche Zuschauer begann, entwickelte sich schnell zum Zuschauerhit in aller Welt, besonders bei Streaming-Plattformen. Seither hat The CW eine Tugend daraus gemacht, besonders mit Netflix gerne zu kooperieren und seine Serien dort schnell bereitstellen zu lassen. Mittlerweile scheint es, als würden lineare Zuschauer dank dieses Modells für The CW kaum eine Rolle mehr spielen.

Teen-Soap trifft Murder Mystery


Mit den bereits angesprochenen inhaltlichen Merkmalen und gemessen an der Popularität steht «Riverdale» aber noch einmal deutlich über den meisten anderen Formaten des Senders. Wenn in Deutschland hierzulande wöchentlich neue Folgen bei Netflix erscheinen, zählt «Riverdale» stets zu den meistabgerufenen Streaming-Formaten. Manchmal landet die Serie im Wochen-Ranking sogar auf Platz eins.

Archie Comics vs. «Riverdale»

Die Archie Comics sind eigentlich augenzwinkernde Geschichten um einen Highschool-Schwerenöter, seine Liebeleien und Freunde – durch und durch eskapistische Unterhaltung. Purer Eskapismus ist «Riverdale» zwar auch, irgendwie transformierte Serienschöpfer Roberto Aguirre-Sacasa die Geschichten aber zu einem sehr selbstreferenziellen, Popkultur-besessenen und ernsthaft-düsteren Crime-Drama, das häufig wenig Sinn ergibt, aber dafür ein ungemein hohes Suchtpotenzial und umso mehr Style besitzt.
Hinter «Riverdale» liegt seit Mitte Mai Staffel drei. Nach der nur 13 Folgen umfassenden ersten Staffel, drehten sich auch die je 22 Episoden enthaltenden Staffeln zwei und drei um eine Art „Murder Mystery“. Befasste sich die Premierenstaffel noch mit dem sehenswert inszenierten Fall um einen ermordeten Teenager in der titelgebenden Kleinstadt, ging in Staffel zwei bereits der mit einer Sturmhaube maskierte Serienkiller „Black Hood“ umher. Vermengt mit dem obligatorischen und hormongefüllten Teen-Drama musste sich «Riverdale» schon dort viel Kritik gefallen lassen, weil sich die Autoren rasch in Ungereimtheiten verstrickten, ehe die Staffel in hanebüchenen Wendungen und Aufklärungen kulminierte, aber letztlich doch viele Zuschauer zum Dranbleiben bewegte. Kritiker lästern, das habe mit der niedrigen Aufmerksamkeitsspanne der Millennial-Generation zu tun, die sich gar nicht mehr darum schert, wenn Entwicklungen, die sich zwei Episoden vorher ereigneten, durch neue Wendungen gar keinen Sinn mehr ergeben.

Das war Staffel 3 von «Riverdale»


Was in Staffel zwei noch wie ein unfreiwilliger Makel von «Riverdale» wirkte, wurde in Season drei regelrecht zelebriert, denn es wurde inhaltlich noch wilder, übernatürlicher und mysteriöser, als in den neuen 22 Folgen der rätselhafte „Gargoyle-König“ mit Umhang und Hirschgeweih als neuer Hauptwidersacher auf der Bildfläche erschien. Dieser bringt in «Riverdale» das gefährliche Rollenspiel „Gryphons & Gargoyles“ unter Teenager, das diese schnell in eine Abhängigkeit lockt und in lebensgefährliche Aktionen im echten Leben treibt. Archie und seine Freunde Betty und Jughead machen sich deshalb schnell zum Ziel, dem Drahtzieher hinter dem tödlichen Gesellschaftsspiel das Handwerk zu legen.

Weil besagter „Gargoyle-König“ schon einmal in der Generation der Elternfiguren in «Riverdale» auf der Bildfläche erschienen war, brachte Staffel drei eine herrlich verrückte, an «The Breakfast Club» angelehnte Episode, in der die Hauptdarsteller der im Zentrum der Handlung stehenden Jugendlichen ihre Eltern spielen. Derartige Ideen sind die wirklichen Highlights des Formats und ein Grund, warum «Riverdale» in Sachen Einfallsreichtum wirklich aus der Masse heraussticht. In Staffel zwei hatte das Format beispielsweise bereits eine komplette Musical-Episode bestritten.

Ansonsten war die dritte Staffel an vielen Stellen wieder ein inhaltlich heilloses Durcheinander. Außer dem „Gargoyle“-König und seinem gefährlichen Spiel handelten die 22 Episoden von einer christlichen Einrichtung für Problem-Jugendliche, die ihre Insassen unter Drogen setzt, von einem damit in Verbindung stehenden Drogenring, von Organhandel, einem spirituellen Kult, dem Bettys Familie anheimfällt, von illegalen Kämpfen zwischen Häftlingen eines Gefängnisses, zu denen ein unglaubwürdig verurteilter Archie gezwungen wird oder von einem lebensgefährlichen Katz-und-Maus-Spiel zwischen Archie und dem kriminellen Vater seiner Freundin, Hiram Lodge. Alles soll natürlich irgendwie mit der übergreifenden Geschichte um den „Gargoyle-König“ zusammenhängen, tut es aber häufig nicht.

Mit diesen Stichworten hat man allerdings noch nicht einmal an der Oberfläche dessen gekratzt, was «Riverdale» eigentlich erreichen wollte und sich durch viele erzählerische Abkürzungen letztlich irgendwie zusammenschusterte. Die eigentliche Kunst: Letztlich endete Staffel drei doch noch mit dem wohl besten Staffelfinale des Formats bislang und einem heftigen Cliffhanger, sodass selbst anspruchsvolle und entnervte Fans wohl auch zu Staffel vier wieder einschalten (müssen). Denn Fans bekamen ihre Auflösung, als der „Gargoyle-König“ endlich enthüllt wurde und die plötzlich inkonsistenten Entwicklungen von ein paar Folgen davor mal wieder keine Rolle spielten.

Bei all der berechtigten Kritik, die Beobachter auch nach Staffel drei wieder vorbrachten, disqualifiziert diese Vorgehensweise die Serie nicht automatisch, denn es gibt längst einen Markt für Serien, die Style und Spektakel über Substanz stellen. Viele Fans schalten wöchentlich weiterhin gerne ein, obwohl sie um diese Schwächen des Formats wissen. Es gehört zu dieser serienaffinen, jungen Generation dazu, in der es plötzlich Platz für allerlei unwahrscheinliche Produktionen gibt und in der qualitative Merkmale wie eine stringente Erzählung plötzlich nur noch subjektiv bewertet werden.

Luke Perrys Tod überschattete Season 3


Obwohl die Serie auch in Staffel drei durch ungemein viele Erzählstränge bald selbst den Wald vor lauter Bäumen nicht mehr sah, rückte während der Staffel unerwartet eine Geschichte hinter den Kulissen in den Fokus der Zuschauer. Luke Perry, der in «Riverdale» Archie Andrews‘ Vater Fred spielte, verstarb überraschend an einem Schlaganfall im Alter von 52 Jahren. Seine Beteiligung am Format war eine der vielen Verneigungen vor US-amerikanischer Popkultur seitens «Riverdale», denn Perry stand in den 90er Jahren als Dylan McKay selbst im Zentrum der Handlung eines beliebten Teen-Dramas – «Beverly Hills, 90210». Nach seinem Tod, der sich nach Ausstrahlung von 13 der 22 Episoden aus Staffel drei ereignete, trieb Serienfans also auch die Frage um, wie das Format mit dem Tod des Darstellers umgehen würde.

Stattdessen warteten Fans aber vorerst vergeblich auf eine besonders akzentuierte Würdigung des Schauspielers. Die letzte Szene in Staffel drei zwischen Archie und seinem Vater Fred war ein vergleichsweise unbedeutender Moment in der Handlung. Showrunner Aguirre-Sacasa begründete diese Entscheidung damit, in der kommenden Saison den Tod von Luke Perry direkter abhandeln zu wollen. Zum Zeitpunkt seines Todes stand die Handlung des Rests der dritten Staffel ohnehin schon fest, wie der Produzent verriet. Obwohl «Riverdale» also sonst gefühlt eine Million verschiedene Details in eine Folge presst, will sich das Format hierbei die nötige Zeit lassen und nichts überstürzen. Für Fans, die die neuen Folgen nun kaum erwarten können, stellt dies also den ersten Hinweis dar, um was es in dieser sonst so unberechenbaren Serie zu Beginn der vierten Staffel gehen wird.

Auch das ist ein Merkmal dieses in der TV-Landschaft so besonderen Formats. Zwar hat die Serie viele einstige Fans schon aufgrund eines inhaltlichen ADH-Syndroms verloren, das Format geht aber immer ungemein liebevoll mit seinen Figuren um, die in der US-amerikanischen Popkultur als Comic-Protagonisten ohnehin schon eine feste Identität haben. Auch obwohl der Mystery-Faktor sich in Staffel drei enorm erhöhte, bleibt sich «Riverdale» damit weiter treu. Roberto Aguirre-Sacasa ist sich entgegen der Einschätzung vieler Beobachter nämlich sehr sicher, was genau seine reizüberflutende Serie eigentlich ist. Er grenzt sie klar gegenüber «The Chilling Adventures of Sabrina» ab. In «Riverdale» hat Magie somit keinen Platz, mysteriöse Crime-Dramen, die einen übernatürlichen Anschein erwecken allerdings schon. Stattdessen dürfen sich Zuschauer in Staffel vier wohl auf einen neuen aufwühlenden Kriminalfall mit zwischenmenschlichen Einwürfen freuen und auf eine Huldigung eines Darstellers, der das Format viel zu früh verließ.

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