Die Kritiker

«Tatort – Glück allein»

von

Korruption in österreichischen Politikerkreisen? Der neue ORF-«Tatort» geht mit idealem Timing über den Äther …

Cast und Crew

  • Regie: Catalina Molina
  • Drehbuch: Uli Brée
  • Darsteller: Harald Krassnitzer, Adele Neuhauser, Cornelius Obonya, Gerti Drassl, Thomas Stipsits, Hubert Kramar, Dorka Gryllus, Magdalena Kronschläger, Dieter Egermann
  • Kamera: Klemens Hufnagl
  • Schnitt: Julia Drack
Blutbad im Anwesen des Politikers Raoul Ladurner (Cornelius Obonya). Die Ermittler Moritz Eisner (Harald Krassnitzer) und Bibi Fellner (Adele Neuhauser) wollen schnell eingreifen, doch ihr Vorgesetzter Ernst Rauter (Hubert Kramar) verbietet es. Das Duo beschließt, diese Anweisung zu ignorieren und düst zum Tatort, der oberflächlich den Verdacht nahelegt, dass es sich beim Geschehen um einen tragisch eskalierten Einbruch handelt: Ladurners Gattin kam ums Leben, seine zehnjährige Tochter liegt nun im künstlichen Koma. Der Innenminister betraut Julia Soraperra (Gerti Drassl) mit dem Fall, doch Eisner und Fellner haben im Gespür, dass Soraperra befangen ist. Ein Gespür, das sich als korrekt herausstellen sollte. Können die Ermittler trotz politischem Gegenwind der Sache auf den Grund gehen ..?

Manchmal muss man als Programmplaner auch Glück haben: Der Wiener-«Tatort» über einen österreichischen Politiker, der sich mit einer ukrainischen Geschäftsfrau einlässt und sogar im Verdacht steht, einen Doppelmord begangen zu haben, läuft kurze Zeit nach Veröffentlichung des sogenannten "Ibiza-Videos". Darin sieht man handfeste Indizien, weniger vorsichtige Zungen würden sogar sagen Beweise, dass FPÖ-Politiker Heinz-Christian Strache sich gegenüber einer russischen Oligarchennichte zur Korruption bereit erklärt. Perfektes Timing, um dem ORF-Krimi eine deftige Prise Zeitgeistigkeit anzurechnen – auch wenn der «Tatort» schlussendlich das heiße Eisen der Korruptionsthematik ordentlich abkühlen lässt, ehe er es bearbeitet.


Drehbuchautor Uli Brée legt mehr Augenmerk auf die Befindlichkeiten innerhalb des «Tatort»-Teams. Sidekick Schimpf (Thomas Stipsits) kehrt, nachdem er den Fall «Wahre Lügen» ausgesetzt hat, wie gewandelt zurück. Der früher so lässige Assistent klagt nun über seine zerstörte Ehe und ist nachdenklicher denn je. Auch seine halbherzigen Flirtversuche mit Soraperra sind sehr geerdet, während sich die Hauptfiguren Eisner und Fellner wie gewohnt kabbeln – wenngleich die Zankereien erzählerisch mehr im Fokus stehen als zumeist in dieser Reihe.

Das ist für sich genommen völlig in Ordnung – auch ein Krimi mit einem Korruptionsfall als thematisches Sprungbrett darf introspektiv auf seine Figuren eingehen. Jedoch wird weder aus Schimpfs gewandeltem Gemüt noch aus den Streitigkeiten zwischen Eisner und Fellner viel gemacht. Ein Subplot über Eisners (neu auftauchenden) Sorgen, er könnte die Tendenzen seines garstigen Vaters geerbt haben, bleibt ebenso an der emotionalen und thematischen Oberfläche, die solch ein Handlungsbogen ermöglicht.

Und dadurch, dass der Stoff rund um die Ermittlerfiguren relativ wenig hergibt, enttäuscht es dann doch, wenn der politische Aufhänger des Films so sehr in den Hintergrund tritt und schlussendlich auf eine sehr entschärfte, konstruierte Lösung hinarbeitet. Gleichwohl muss man diesem Neunzigminüter seinen ambitionierten Score aus der Feder Patrik Lerchmüllers anrechnen sowie Catalina Molinas routinierte, aber fähige Regieführung.

«Tatort – Glück allein» ist am 2. Juni 2019 ab 20.15 Uhr im Ersten zu sehen.

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