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Unsere Kritik zur ersten Staffel von «Fleabag»In beiden Staffeln geht es um eine namenlose Protagonistin. Sie ist wütend, verunsichert, sexuell freizügig, lebt in London und bricht regelmäßig die vierte Wand, um ihre Gedanken mit dem Zuschauer zu teilen, was ihre Gesprächspartner in der Serie aber nicht mitbekommen. Es gibt wohl keine Serie, die sich Serienschaffende dringender ansehen sollten als «Fleabag». Das von der britischen Schauspielerin und Autorin Phoebe Waller-Bridge erdachte Format stellt eine greifbar realistische, multidimensionale und namenlose Frauenfigur in den Fokus, die der Unterhaltungsindustrie mit ihren häufig flachen weiblichen Charakteren als Lehrstück dient.
Vom Theater zur Serie
Eigentlich war «Fleabag» ein Ein-Personen-Theaterstück, das Waller-Bridge im Jahr 2013 aufführte. In der Serie steht die Autorin selbst im Mittelpunkt. Das übergreifende Thema des Formats ist Trauerbewältigung, denn der gesamte Seins-Zustand von «Fleabag» lässt sich auf den Tod der besten Freundin der Hauptfigur zurückführen. All die One-Night-Stands, Diebstähle, Kraftausdrücke, Boshaftigkeiten und Alkoholexzesse der Figur sind nicht einfach nur provozierend und schamlos, sondern Teil eines sensiblen Portraits. einer modernen jungen Frau mit all ihrem Schmerz und ihren Unsicherheiten. «Fleabag» ist trotz vieler schwerer Themen auch Comedy mit teilweise langgezogenen Szenen, die nur auf eine herrlich absurde Pointe hinauslaufen. Zartbesaitete Gemüter sollten hiervon jedoch Abstand nehmen, denn vor expliziten Themen wird nicht zurückgeschreckt. Doch die Serie hat auch etwas Romantisches, denn die Lösung für alle Probleme der Hauptfigur ist – genau – Liebe.
Seit dem 17. Mai befinden sich die vollen sechs Folgen der zweiten Staffel in der Mediathek von Prime Video. Seitdem übertrifft sich die Journaille mit Jubelarien selbst, was für ein Format, das insgesamt nur 12 Folgen zählt und schon endete außergewöhnlich ist, aber völlig zurecht der Fall. Stets provozierend handelt die zweite Staffel von der Liebe «Fleabags» zu einem Priester. Der soll eigentlich ihren Vater vermählen, welcher nach dem Tod der Mutter «Fleabags» ihre Patentante heiraten will (herrlich manipulativ und unerträglich gespielt von Oscar-Gewinnerin Olivia Colman). Doch beim von Andrew Scott («Sherlock») verkörperten Geistlichen handelt es sich um einen ausfälligen Alkoholkranken, der als Kind von seinem Vater missbraucht wurde. Damit passt er bestens zur ebenfalls emotional stark geschädigten Hauptfigur.
Um Scotts Figur, die sich als „Hot Priest“ einen Namen machte, drehten sich viele Diskussionen im Internet. Tatsächlich wäre Staffel zwei gar nicht zu Stande gekommen, hätte Scott nicht zugesagt, wie Waller-Bridge in in einem Interview verriet. Den Reiz der unheiligen Verbindung zwischen «Fleabag» und dem Priester macht natürlich dessen Zölibat aus. Aus dem Umstand, dass beide ihre Zuneigung gegenüber einander im Zaum halten müssen, erwächst eine ungemeine Chemie. Religion ist gleichzeitig eines der übergreifenden Motive der zweiten Staffel, denn noch immer sucht «Fleabag» nach einer Möglichkeit, die Trauer über den Tod ihrer besten Freundin in den Griff zu bekommen. Hart eingeschnittene Rückblenden verdeutlichen ihren inneren Kampf gegen ihre eigenen Emotionen.
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