Serientäter

Amazons «Fleabag» ist ein zotig-zynisches Meisterwerk romantischer Comedy

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Das gerade beendete «Fleabag» geht als Meilenstein in die Seriengeschichte ein. In nur zwölf Folgen erzählt die schwarzhumorige Amazon-Serie ungemein kreativ von Liebe wie kein anderes Format.

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«Fleabag» erzählt ungemein kreativ


Facts zu «Fleabag»

  • Genre: Tragikomödie / Romantic Comedy
  • Idee: Phoebe Waller-Bridge
  • Regie: Harry Bradbeer
  • Darsteller: Phoebe Waller-Bridge, Sian Clifford, Olivia Colman, Bill Paterson u.v.w.
  • Episodenzahl: 12 (2 Staffeln)
  • Episodenlaufzeit: 23-28 Minuten
  • Run: 21. Juli 2016 - 8. April 2019
Die besondere Verbindung der beiden schlägt sich auch im Stilmittel der direkten Zuschaueransprache nieder. Wenn «Fleabag» wie Frank Underwood in die Kamera spricht, handelte es sich in Staffel eins häufig um Erklärungen, Erläuterungen zum Kontext, Schuldeingeständnisse und Aufforderungen an den Zuschauer, über sie zu urteilen. Manchmal waren die Ansprachen regelrecht feindselig oder dienten als Entschuldigungen, aber sie waren immer durch und durch ehrlich, denn dem Zuschauer konnte sich die junge Frau gefahrenlos öffnen. Als «Fleabag» das erste Mal das Gespräch mit dem Priester verlässt und sich dem Zuschauer zuwendet, fällt es diesem allerdings unmittelbar auf. Es ist der erste Moment, in dem eine Figur die namenlose Protagonistin wirklich sieht und den Zuschauer gleich mit – eine ungemein originelle Entscheidung zum Beleg der spirituellen Verbindung beider Charaktere.

Was für manche Zuschauer vielleicht banal wirkt, ist im Universum der Serie eine große Sache. Denn «Fleabag», diese gebrochene und extrem verunsicherte Person, die ihre starken Gefühle der Trauer nur mit sich selbst und dem Zuschauer ausmacht, hat von dem Brechen der vierten Wand selbst nichts. Diese Einbahnstraße ist komfortabel, gefahrenlos, aber auch wirkungslos für «Fleabag». Deshalb kennzeichnet der Moment, in dem sich «Fleabag» später in einem Beichtstuhl auf ihre Gefühle einlässt eine Offenbarung für diese Figur. Sie befindet sich nun auf dem Weg der Rettung, was nicht als Statement für Religion zu verstehen ist, sondern für menschlichen Austausch und die Bedeutung von Geborgenheit. Wenn der Priester und «Fleabag» auch ihr Verlangen füreinander nicht mehr wegschieben können, schiebt die Hauptfigur die Kamera, die ihr die ganze Zeit noch als Substitut für echte Intimität diente, beiseite. Sie braucht den Zuschauer nun nicht mehr, um ihre Gefühle zu teilen.

«Fleabag» ist ein Meilenstein


Die einst sehr schwarzhumorige, sehr britische und ungemein komische Serie, die als Studie über passive Aggression, toxische Familienkonstellationen und weibliche Selbstzerstörung begann, endet hoffnungsvoll mit einem neuen Gefühl der Selbstakzeptanz. Wohl keine Serie schaffte es bislang, ein derart komplexes Gefühlsleben in so kurzer Zeit zu transportieren. Die wirkliche Originalität von «Fleabag», das wie viele andere Formate aus dem Zynismus gegenüber der Moderne entstand, besteht im emotionalen und ungemein kreativen Bruch mit den eigenen erzählerischen Grenzen.

„Das ist eine Liebesgeschichte“, sagt «Fleabag» gleich zu Beginn der Staffel mit einer blutenden Nase in Richtung Kamera. Und tatsächlich sollte es die Serie trotz allem emotionalen Chaos auch bleiben. Nachdem die erste Staffel bloß eine Meditation über den Umgang mit Trauer war, wurde Staffel zwei erzählerisch viel offener, begleitet ihre Figur bei einem Heilungsprozess, der erst gegen Ende so richtig deutlich wird und destilliert die rohsten menschlichen Gefühle in sehr präzisen und zeitlich effizienten Dialog, der von großartig aufgelegten Schauspielern dargeboten wird. Diese Serie ist trotz kurzer Laufzeit ein tiefschürfender Meilenstein hinsichtlich ungemein vieler verschiedener Themen und dazu ein sehr feministisches Werk mit perfektem Ende.

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