Interview

Matthias Murmann & Philipp Käßbohrer: 'Es ist gefährlich, Drogendealer zu werden, aber es ist vielleicht noch gefährlicher, YouTube-Star zu werden'

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Sie leiten die bildundtonfabrik und sind Showrunner sowie Produzenten der Netflix-Serie «How to Sell Drugs Online (Fast)». Uns verraten sie, weshalb so viele ihrer Projekte Selbstironie aufweisen und weshalb Netflix die richtige Plattform für ihre flotte Comedyserie ist.

Es ist die Lust am Spiel. Wir machen das nicht, weil wir denken ein btf-Rezept gefunden zu haben, das wir jetzt wieder und wieder abspulen müssen. Im Gegenteil denken wir sogar sehr viel darüber nach wie es uns gelingen kann, trotz der Meta-Spielereien keine Leute auszuschließen.
Philipp Käßbohrer über die Selbstironie in vielen btf-Produktionen
Wenige Sekunden nach Serienbeginn wird klar: Jau, «How to Sell Drugs Online (Fast)» ist eine btf-Produktion ...
Matthias Murmann: Meta-Ebenen!

Genau, es war die Netflix-Anspielung, bei der mir klar wurde, dass sich die btf auch bei ihrer ersten Netflix-Serie treu bleibt. Selbstironie und Meta-Spielereien sind zu einem Erkennungsmerkmal für die btf geworden – finde ich. Stimmt ihr da zu, oder habt ihr das über? Matthias Murmann: Wir verwenden einfach gerne viele verschiedene erzählerische Tools.

Philipp Käßbohrer: Genau. Es ist die Lust am Spiel. Wir machen das nicht, weil wir denken ein btf-Rezept gefunden zu haben, das wir jetzt wieder und wieder abspulen müssen. Im Gegenteil denken wir sogar sehr viel darüber nach, wie es uns gelingen kann, trotz der Meta-Spielereien keine Leute auszuschließen.

Matthias Murmann: «How to Sell Drugs Online (Fast)» hat ja nicht nur die Ebene des Erzählers, sondern auch andere formale Spielereien, wie beispielsweise die Darknet-Erklär-Sequenz mit Jonathan Frakes. Eine bunte Tüte, in die man im weiteren Serienverlauf reingreifen kann.

Bei der Szene musste ich unweigerlich an «The Big Short» denken.
Matthias Murmann: Das war definitiv eine Inspiration, genau!

Philipp Käßbohrer: Diese spielerische Art entwickelte sich bei der Arbeit an dem Stoff. Am Anfang hatten wir 'nur' die Crime-Geschichte, die Geschichte eines 'Accidental Gangsters'. Ganz klassisch eigentlich. Jedoch hat unsere Hauptfigur einen klaren Referenzrahmen, der all ihre Entscheidungen beeinflusst: Das Internet. Also war klar, dass wir das in seiner visuellen und erzählerischen Bandbreite abbilden müssen.

Uns war von Anfang an wichtig, eine zeitgeistige Serie zu machen. Da gehören solche Stilmittel dazu. Sie sind Teil des Fundaments, auf dem man so eine Geschichte erbauen kann.
Matthias Murmann
Matthias Murmann: Und das erleichtert es natürlich auch ungemein, alles zu erklären. (lacht) Aber uns war von Anfang an wichtig, eine zeitgeistige Serie zu machen. Da gehören solche Stilmittel dazu. Sie sind Teil des Fundaments, auf dem man so eine Geschichte erbauen kann.

Und eine Beinote des erzählerischen Überbaus in Form von Interviews ist: Es ist von Anfang an klar, dass der Protagonist zumindest die erste Staffel überleben muss. (lacht)
Philipp Käßbohrer: (lacht ertappt)

Matthias Murmann: (ironisch) Spannende Frage! Wo geht die Geschichte noch hin!?

Wir sind mit der Hoffnung an Netflix herangetreten, dass sie mutig genug sind, den Blick auf die spannenden, zeitgeistigen Figuren hinter der Drogengeschichte zu werfen. Und zum Glück waren sie nicht nur mutig genug für diese Inhalte, sondern auch mutig genug, das dann auch noch mit uns zu machen.
Philipp Käßbohrer
Wurde «How to Sell Drugs Online (Fast)» eigentlich direkt für Netflix entwickelt, oder war die Idee schon da, ehe sie an Netflix herangetragen wurde?
Matthias Murmann: Wir haben die Grundidee zunächst ein Stück weit ausgearbeitet und sind dann an Netflix herangetreten.

Philipp Käßbohrer: Ich befürchte, Netflix wäre niemals von alleine auf uns aufmerksam geworden. (lacht) Wir haben jedoch schon während der ersten gedanklichen Auseinandersetzung mit dem Stoff gemerkt, dass wir dafür einen mutigen Partner brauchen, der keine Angst vor Grenzüberschreitungen hat. Das Framework sind 'Jugendliche und Drogen' und unsere Protagonisten legen einen unmoralischen Umgang damit an den Tag. Wir sind mit der Hoffnung an Netflix herangetreten, dass sie mutig genug sind, den Blick auf die spannenden, zeitgeistigen Figuren hinter der Drogengeschichte zu werfen. Und zum Glück waren sie nicht nur mutig genug für diese Inhalte, sondern auch mutig genug, das dann auch noch mit uns zu machen. (lacht)

Stichwort 'Umgang mit Drogen': Es gibt einzelne Szenen, die einen wirklich laxen Tonfall aufweisen. Gab es da je die Diskussion 'Wie weit können wir gehen?'
Philipp Käßbohrer: Wir haben uns von vornherein vorgenommen, Drogen als Bedrohung für Jugendliche nicht auf eine andere Ebene zu stellen als beispielsweise das Internet als Bedrohung für Jugendliche. Wir wollten eine moderne Coming-of-Age-Geschichte mit heutigen Problemen machen: Und das Internet hält viele gefährliche Herausforderungen für junge Menschen bereit. Es ​ist​ gefährlich, Drogendealer zu werden, aber es ist vielleicht noch gefährlicher, YouTube-Star zu werden. Vielleicht zerstört man sein Leben damit erst recht...?

Wir wollen jedoch nicht selbst moralisieren, sondern die Arbeit dem Zuschauer überlassen. Das ist natürlich ein bisschen spitz und polarisierend.
Matthias Murmann
Matthias Murmann: In den Momenten, in denen Drogen genommen werden, sieht man auch, dass das nicht unbedingt gut ausgeht. Wir wollen jedoch nicht selbst moralisieren, sondern die Arbeit dem Zuschauer überlassen. Das ist natürlich ein bisschen spitz und polarisierend.

Hatte der internationale Erfolg von «Dark» Einfluss auf euch? Und sei es nur, dass er das Selbstbewusstsein vergrößert hat, nach dem Motto: "Serien aus Deutschland können bei Netflix durchschlagen!"
Matthias Murmann: Gut, dass wir uns um solche Sachen wahnsinnig wenig Gedanken gemacht haben. Es war zum Glück schon genug Arbeit, zu versuchen, eine gute Serie zu machen. (lacht) Und wir legen uns die Messlatte gerne selbst recht hoch.

Philipp Käßbohrer: Wobei die Tatsache, dass theoretisch Menschen in 190 Ländern deine Serie scheiße finden können, den Druck schon ein bisschen erhöht hat. Da war es toll, wirklich mit​ Netflix zusammenzuarbeiten. Das Projekt wurde von einer amerikanischen Producerin betreut, die naturgemäß eher aus internationalem Blickwinkel draufgeschaut hat. Netflix musste unsere deutsche Sichtweise verstehen und wir deren internationale. Somit kann die Serie, so hoffen wir, auch international funktionieren.

Wie äußerte sich die kulturelle Barriere zwischen der btf und der amerikanischen Netflix-Producerin?
Philipp Käßbohrer: Vor allem in der Sprachbarriere. Beim Fernsehen eignet man sich ja schnell ein kunstvolles Vokabular an, mit dem sich zweifelnde Redakteure von deiner Idee überzeugen lassen. Die Begriffe mussten wir alle erstmal neu lernen. (lacht) Aber es hat sich gelohnt. Es war eine intensive, aber extrem konstruktive Zusammenarbeit.

Matthias Murmann: Und es war interessant zu sehen, welche Mechanismen und Strukturen hinter Netflix stecken. Auch das war sehr lehrreich.

Vielen Dank für das Gespräch.
«How to Sell Drugs Online (Fast)» ist via Netflix abrufbar.

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