Filmfacts: «The Dead Don't Die»
- Start: 13. Juni 2019
- Genre: Komödie/Horror
- Laufzeit: 105 Min.
- FSK: 16
- Kamera: Frederick Elmes
- Buch & Regie: Jim Jarmusch
- Darsteller: Bill Murray, Adam Driver, Tilda Swinton, Chloë Sevigny, Danny Glover, Caleb Landry Jones, Selena Gomez, Iggy Pop, RZA, Tom Waits.
- OT: The Dead Don't Die (USA 2019)
Angefangen bei einem regelrechten Jarmusch-Allstar-Ensemble über ein Skript aus seiner Hand bis hin zu größtmöglicher Reduktion in Sachen Tempo und Pointendichte, ist «The Dead Don’t Die» durch und durch ein Jarmusch-Film, der wieder einmal mit den gängigen Sehgewohnheiten spielt und sich damit nicht nur Freunde machen wird.
Wo kommen nur all die Zombies her?
Eine Verschiebung der Erdachse löst eine Abfolge seltsamer Geschehnisse in der beschaulichen Kleinstadt Centerville aus. Während Sherriff Cliff Robertson (Bill Murray) noch rätselt, ist sich sein Kollege Ronald Peterson (Adam Driver) sicher: Es muss sich um eine Epidemie von Zombies handeln. Diese haben es allerdings nicht nur auf die Bürger von Centerville abgesehen, sondern auch auf Dinge, mit denen sie sich bevorzugt zu Lebzeiten beschäftigt haben. So wandeln sie auf den Straßen – hungrig nach Menschenfleisch, Kaffee und gerne auch einem Gläschen Chardonnay. Als sich herausstellt, wie man der untoten Ghule habhaft werden kann, macht das Polizistenduo bewaffnet mit Machete und Schrotflinte und unterstützt von ihrer jungen Kollegin (Chloë Sevigny) nun Jagd auf Zombieköpfe, um die Stadt doch noch vor der Invasion zu retten. Unerwartete Unterstützung bekommen sie von der schrägen schottischen Bestatterin Zelda Winston (Tilda Swinton), die mit überirdischer Präzision ihr Samurai-Schwert schwingen lassen kann.
Es gibt einige Momente in «The Dead Don’t Die», in denen Jim Jarmusch dem Zuschauer die Gags nur so um die Ohren haut: Etwa wenn sich die beiden Hauptfiguren Cliff und Ronald über ihr Verhältnis zum Regisseur himself auslassen, den gerade im Radio laufenden Titelsong bewerten oder sich «Star Wars»-Schauspieler Adam Driver über die Qualitäten der Sternenkriegssaga auslässt. Derartiges Meta-Gequirle wirkt auf dem Papier wie ein Fremdkörper in der ansonsten vor allem über Zwischentöne funktionierenden Comedy, doch dank der darin involvierten Darsteller bleibt die Tonalität des Films von Anfang bis Ende konstant. «The Dead Don’t Die» ist selbst in den Momenten, in denen Jarmuschs Skript offensichtlich auf eine Pointe zusteuert, immer noch so indirekt in seiner daraus entstehenden Komik, dass der Film von klassischen Schenkelklopfer-Komödien weit entfernt ist. Stattdessen ist es die Absurdität der Prämisse an sich, die den Witz erzeugt. Die Figuren reagieren im Anbetracht der Zombie-Invasion so besonnen, ruhig und gelangweilt, als hätten sie es hier mit dem x-ten Ladendiebstahl zu tun.
Selbst als Ronald das erste Mal das berühmt berüchtigte Z-Wort in den Mund nimmt, erntet er von seinen umstehenden Kollegen allenfalls ein gleichgültiges Schulterzucken. Dieses Gefühl der Gleichgültigkeit gegenüber der in anderen Filmen alles andere als das hervorrufenden Prämisse verschiebt den Gag-Rhythmus des Films durchgehend. Ganz so, als würde man bei einem Song immer eine halbe Note zu spät auf dem korrekten Beat klatschen, stellt sich auch das Schmunzeln ob der hanebüchenen Dialoge und Entwicklungen immer ein paar Sekunden später ein, als es die Situation provoziert. Und manchmal tut sie es auch gar nicht, weil viele Situation, mitunter gar ganze Subplots völlig ins Leere laufen.
Fehlender Rhythmus als Kunstform
Was man anderen Autoren als mangelhaftes Können vorwerfen könnte (und wenn man einmal ehrlich ist: Per se sinnlose Nebenhandlungsstränge, die noch dazu keinerlei Auswirkungen auf ein Filmgeschehen haben, werden auch in den Händen eines Jim Jarmusch nicht plötzlich zur Königsklasse des Drehbuchschreibens), erhält im Kontext zur restlichen Handlung zwar nicht plötzlich einen Sinn, aber es unterstreicht den Laissez-Faire-Gedanken, mit dem der Autor und Regisseur seine Handlung vorantreibt, ohne sich dabei um jedwede ungeschriebenen Filmregeln zu scheren. Da kann dann auch schon mal ein Subplot in einem Erziehungsheim nur dazu da sein, dass man sich fragt, wie eigentlich die darin vorkommenden Figuren zueinander stehen, oder ein Farmer auf seinem abgelegenen Hof dazu dienen, dass es einen vor allem interessiert, was mit seinen Tieren passiert ist, während man sich kaum darum schert, was im Anbetracht der Untoteninvasion wohl mit ihm selbst passiert.
Ohnehin sind es in «The Dead Don’t Die» kaum die Figuren, die beim Zuschauer Interesse schüren, sondern die Umstände, in die sie die Zombie-Attacken bringen. Und als würde es noch groß wundern, ergibt sich auch hier der Witz selten daraus, dass die toten Körper selbst komisch sind (mit Ausnahme, dass sie es nicht nur auf Menschenfleisch, sondern auch auf WLAN und Kaffee abgesehen haben, bleiben die Zombies hier deutlich eher Beiwerk als in anderen Zombiefilmen), sondern aus der Art und Weise, wie die Menschen gegen sie kämpfen.
An vorderster Front agiert die mit einem Samuraischwert bewaffnete Tilda Swinton («Doctor Strange»), die mit ihren abgehackten Bewegungen und ihrer überdeutlichen Aussprache von Anfang an die Aufmerksamkeit auf sich zieht. Was es genau mit ihrer befremdlichen Figur der Zelda Winston auf sich hat, wollen wir an dieser Stelle nicht verraten. Nur so viel: Ohne sie wäre «The Dead Don’t Die» in der Schlussphase nicht halb so absurd wie er nun geworden ist. Neben ihr bekommen vor allem Bill Murray («St. Vincent») und Adam Driver («The Man Who Killed Don Quixote») die Gelegenheit, groß aufzuspielen. Sie passen sich perfekt dem Nicht-Rhythmus des Films an und bewahren in diesem tonalen Wirrwarr stets ihr Gespür für Timing; eine nahezu unmögliche Aufgabe, Konstanz in betonter Inkonstanz zu wahren. Die endlich mal wieder auf der großen Leinwand zu sehende Chloë Sevigny («Schneemann») erhält leider schon von der Screentime her nicht die Gelegenheit, sich aus dem Schatten ihrer Kollegen herauszuspielen.
Sie bleibt bis zum Schluss eher Stichwortnehmerin, während Nebendarsteller wie Steve Buscemi («Lean on Pete»), Iggy Pop, RZA («Brick Mansions») und Danny Glover («Ein Gauner & Gentleman») immerhin in ihren jeweiligen Szenen Akzente setzen können. Als eine der wenigen Newcomerinnen im bestens aufeinander eingespielten Jarmusch-Ensemble überzeugt Selena Gomez («Spring Breakers») als gleichermaßen undurchschaubares wie sympathisches Hipster-Girl, dessen Ende wir so nicht hätten kommen sehen – wie übrigens auch die Verwicklungen im Finale, mit denen Jim Jarmusch nochmal alle Register des überraschenden Erzählens zieht. Dafür werden ihn die Zuschauer entweder lieben oder hassen.
Fazit
Jim Jarmusch macht auch in «The Dead Don’t Die» das was er am besten kann und setzt auf größtmögliche Reduktion – nicht nur im Hinblick auf das Tempo, sondern auch in der Kreation seiner Gags. Die starbesetzte Zombiecomedy ist vor allem deshalb so lustig, weil alles an ihr darauf angelegt ist, dass sie es nicht ist. Muss man mögen, kann man lieben.
«The Dead Don’t Die» ist ab dem 13. Juni in ausgewählten deutschen Kinos zu sehen.
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