Die Kritiker

«In bester Verfassung»

von   |  1 Kommentar

Das ZDF-Format will vom Behördenalltag in einer Verfassungsschutzaußenstelle erzählen, und gerät dabei zum verstaubten Behördenschwank anstatt zur beißenden Satire.

Cast & Crew

Vor der Kamera:
Gudrun Landgrebe als Mechthild Dombrowski
Uke Bosse als Paul Horner
Fabian Siegismund als Frings
Oliver Kleinfeld als Bürgermeister Rösgen-Schmidt
Frank Schneider als Dietmar Senkfuß
Alina Mehrens als Lisa
Jakob Schmidt als Jakob Vierhaus

Hinter der Kamera:
Produktion: Warner Bros. ITVP Deutschland und ZDF - Das kleine Fernsehspiel
Drehbuch: Joseph Bolz, Fabian Siegismund und Martin Brindöpke
Regie: Joseph Bolz
Kamera: Joscha Seehausen
Produzenten: René Jamm und Bernd von Fehrn
Im beschaulichen nordrhein-westfälischen Niederlützel gibt es seit vierzig Jahren eine Zweigstelle des Verfassungsschutzes, weil damals die RAF auch in der Peripherie hin und wieder ein paar Bomben legte. Nachdem die örtliche Terror-Zelle vor 35 Jahren endgültig hochgenommen wurde, hat man auch in Düsseldorf erkannt, dass sich die Niederlützeler Verfassungsschutzniederlassung problemlos dicht machen ließe.

Das trifft die einzigen beiden Mitarbeiter des Feld-Wald-und-Wiesen-Büros, die in die Jahre gekommene Mechthild (Gudrun Landgrebe) und den fast schon middle-aged Familienvater Paul (Uke Bosse), wie ein Schock: Eigentlich wollten sie bis zum Ende ihrer Dienstzeit in behördlicher Nichtstu-Behäbigkeit versauern. Jetzt aber droht die Versetzung nach Rostock, wo es im Neo-Nazi-Milieu jede Menge zu tun gäbe.

Schnell schließen die mit allen Wassern gewaschene Mechthild und ihr zaghaft-haßenfüßiger Kollege einen Plan: In einem Terrorvideo wollen sie sich als Islamisten ausgeben und mit einer alten RAF-Bombe das Kruzifix auf dem Hof eines Schweinebauern hochjagen. Alles scheint perfekt zu laufen, bis sich ein Schwein die Bombe schnappt und damit in die Biogasanlage hechtet. Die Situation ist völlig außer Kontrolle geraten: Angeheizt vom bisher marginalisierten Nazi-Bauern und einem Bürgermeister im Wahlkampfmodus hat sich die unscheinbare Dorfgemeinschaft von einem Tag auf den anderen zu einer beinharten Pegida-Sippe verschworen, die den türkischstämmigen Döner-Verkäufer in die Klinik prügelt.

Nun sind die Verfassungsschutzbehörden – nicht nur wegen ihrer konsequenten Versaubeutelung der NSU-Affäre, der oft bedrückenden Nähe einiger ihrer Mitarbeiter zum Rechtsextremismus und des schauderhaften Umstandes, dass sie Leute wie Hans-Georg Maaßen als Führungspersonal anziehen – die wahrscheinlich skandalösesten im ganzen Land. Doch das Bild des Verfassungsschutzes in der Öffentlichkeit wird nicht so sehr aus seiner Inkompetenz gespeist, als vielmehr aus seiner ideologischen Stoßrichtung: Zu oft wurde offenbar, dass man es dort mit rechtsstaatlichen Prinzipien und stringenter, ergebnisoffener Ermittlungsarbeit im Berufsalltag nicht so genau nimmt.

Die Satire setzt bei «In bester Verfassung» also am völlig falschen Ende an, und zeichnet seine Verfassungsschutz-Tölpel als irgendwie wohlmeinende, wenn auch arbeitsscheue, karrieregeile oder tatterige Tölpel. Die Zuspitzung der gesellschaftlichen Eskalation – ein Dorf, das sich wegen eines Verfassungsschutz-Anschlages zum Nazi-Epizentrum radikalisiert – wird derweil zwar inhaltlich treffsicherer erzählt, passt aber schlecht ins Korsett einer Satire. Kaum verwunderlich also, dass dieser Teil der Geschichte weniger scharfsinnig-bitterböse gerät als erschreckend und beklemmend.

Trotz einiger cleverer Ideen und einer konsequenten (wenn auch zu genrekonventionellen) Figurenführung will «In bester Verfassung» derweil auch satirisch lange nicht so gut zünden wie die alte RAF-Bombe in des Nazibauern Biogasanlage. Dafür bleibt man zu sehr in den Allgemeinplätzen der Behördenalltag-Klischees stecken, anstatt sich wirklich auf die Unbill der Verfassungsschutzrealität einzulassen. Dass das Format ferner in Form von achtminütigen Kurzvideos und als zusammengeschnittener Film funktionieren muss, führt ferner dazu, dass keine der beiden Erzählvarianten vollends überzeugend bespielt wird. Unterdessen muss man ständig an eine andere typisch deutsche Behördensatire denken, die so ziemlich all das auf die überzeugende Spitze treibt, was bei «In bester Verfassung» bestenfalls ins Mittelmaß vordringt: «Das Institut – Oase des Scheiterns» nimmt mit immensem Ideenreichtum, herrlich überdreht und trotzdem satirisch absolut treffsicher die Goethe-Institute aufs Korn und erzählt dabei auf subtiler zweiter Ebene noch etwas Wertvolles von teutonischem Kulturchauvinismus und deutscher Großtuerei.

Das ZDF zeigt «In bester Verfassung» am Montag, den 17. Juni um 23.55 Uhr.

Kurz-URL: qmde.de/110084
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Es gibt 1 Kommentar zum Artikel
Nr27
16.06.2019 15:03 Uhr 1
Witzig: Diese Kritik paßt für mich haargenau zu "Das Institut", bei dem ich nie verstehen werde, was die Kritiker an dieser lahmen Möchtegern-Satire voller extrem vorhersehbarer Klischeestorys finden werden. So gesehen sollte ich wohl "In bester Verfassung" eine Chance geben ...
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