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Schon einige Monate zuvor, im Februar 2018, während der Berlinale, äußerte sich Digitalkommissarin Mariya Gabriel weitaus ambitionierter. Man plane eine Online-Plattform für europäische Filmproduktionen zu kreieren. Genauere Details sollten mit Filmschaffenden in ganz Europa in den kommenden Monaten erörtert werden. Zielsetzung würde es sein für Europäer mehr europäische Filme verfügbar zu machen. Denn während US-Produktionen groß beworben werden und in vielen Ländern Europas synchronisiert verfügbar gemacht werden, verbleibt ein Großteil der Filme und Serien europäischer Länder im Produktionsland. Einen Monat zuvor sprach auch der ARD-Vorsitzende, BR-Intendant Ulrich Wilhelm, über eine „gemeinsame Plattform aller Qualitätsanbieter“. Bei einer Diskussionsveranstaltung des Bayerischen Journalisten-Verbandes im Presse-Club München am 10. April 2019 erneuerte er diese Forderung: „Man braucht flankierend eine Alternative im Sinne eines digitalen Ökosystems in Europa." Dazu ergänzte er: „Europa kann das, wenn der Wille nur entfacht wird." Eine Finanzierung durch Gelder des öffentlichen Rundfunks, die Bayerns Ministerpräsident Söder kürzlich in Spiel brachte, lehnt Wilhelm allerdings ab.
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Große international-europäische Co-Produktionen wie das deutsch-italienische Projekt «Der Name der Rose» oder «Borgia» machen deutlich, das aufwändige, hoch-budgetierte Produktionen auf dem europäischen Markt realisierbar sind. Diese könnten auf einer europäischen Gemeinschaftsplattform ein zentralisiertes Zuhause finden. Die Chancen für interkulturellen Austausch dürften zudem auf keinem anderen Kontinent der Welt so hoch sein, wie im ethnisch-kulturell vielfältigen Europa.
Zurück auf dem Boden der Tatsachen müssen auch einige der großen Probleme eines solchen Projekts wohl überlegt werden. Das Wichtigste dürfte wie so oft die Finanzierung sein. Nehmen wir jene über die Rundfunkanstalten Europas aus der Gleichung heraus, so wäre ein privates Unternehmen für die Diversifizierung des europäischen Contents verantwortlich. Die Ambitionen müssten groß sein und je größer die Ambitionen, so zeigt es uns das Beispiel Netflix, desto höher die Ausgaben. Der Streaming-Anbieter weist de facto zwar jedes Jahr Gewinne aus, muss aber seit Jahren Milliardenkredite aufnehmen, die den Schuldenberg stetig ansteigen lassen. Mittlerweile soll sich dieser insgesamt auf $ 12,5 Milliarden belaufen.
Selbst wenn die Finanzierung kein Problem wäre oder man sich darauf einige würde erst einmal kleinere Brötchen zu backen und einfach die nationalen Mediatheken für den europäischen Markt öffnen und unter einer Plattform vereinigen würde, dann wäre da immer noch die Sprachbarriere.
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Allein Sprach- und Finanzierungsbarrieren sorgen dafür, dass der Traum vom europäisch-vereinigten Streaming zwar von Vertretern der deutschen Medienanstalten oder der EU in den vergangenen Jahren immer wieder in den Raum gestellt, aber letztendlich bisher nicht im Ansatz in Angriff genommen wird. Wer würde sich schon eine deutsche Serie ohne jegliche Deutschkenntnisse oder einen spanischen Film ohne Spanisch-Kenntnisse anschauen? Und wer wäre tatsächlich bereit für ein europäisches Großprojekt Milliardeninvestitionen wie Netflix zu tätigen, die über Jahre erst einmal immense Kosten verursachen? Bevor solch elementare Fragen von Politikern und Intendanten nicht klar beantwortet werden können, bleibt ein vereinter europäischer Streaming-Anbieter bisher lediglich ein interessanter Wunschtraum. Eine Einigung über ein Best-of bestehender und zukünftiger europäischer Produktionen, die sowohl synchronisiert als auch untertitelt werden, wäre sicherlich ein sinnvoller Anfang, wobei selbst hier erst einmal schwierige Fragen die Rechte und Einnahmeverteilung betreffend geklärt werden müssten.
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