Facts zu «Inside Borussia Dortmund»
- Genre: Sport-Doku
- Episoden: 4
- Schöpfer: Aljoscha Pause («Being Mario Götze»
- Interviewpartner: u.a. Marco Reus, Axel Witsel, Jadon Sancho, Jürgen Klopp, Lucien Favre
- Ähnliche Formate: «All or Nothing: Manchester City», «Six Dreams»
- Start: 16. August 2019
Mit dem Ansatz der vierteiligen Doku-Serie von «Being Mario Götze»-Macher Aljoscha Pause dürften einige langjährige und sportinteressierte Prime-Mitglieder bereits vertraut sein, denn im Rahmen der «All or Nothing»-Reihe gingen die Amazon Studios ähnlich vor. Im Sommer 2016 bekamen Abonnenten damals erstmals zu sehen wie Kameras eine NFL-Mannschaft für eine Saison begleiteten. Seither gab es jedes Jahr eine weitere Staffel der Reihe mit einem anderen Team im Blickpunkt, ehe 2018 auch die erste «All or Nothing»-Staffel über eine Fußballmannschaft erschien, nämlich Manchester City aus der Premier League.
Schlägt die Doku in die Kerbe von «All or Nothing»?
Dass die BVB-Doku nun «Inside Borussia Dortmund» heißt und nicht «All or Nothing: Borussia Dortmund» lässt sich durchaus auf die besondere Herangehensweise und die Unabhängigkeit von Aljoscha Pause zurückführen, der außer der Götze-Doku auch Sport-Filme wie «Tom Meets Zizou», «Kein Sommermärchen» und «Trainer!» drehte. Dass es persönlich und auch emotional wird, hängt natürlich mit dem besonderen Saisonverlauf des Teams von Borussia Dortmund zusammen, in dem jährlich die Hoffnungen einer besonders fußballverrückten Region und Fanschar liegen: Unter dem neuen Trainer Lucien Favre setzten sich die Schwarz-Gelben früh in der Saison vom obligatorischen Meisterschafts-Favorit Bayern München ab – nur um den Riesenvorsprung letzten Endes doch zu verspielen.
Demnach schwingen bei der Doku-Serie in den Kabinen, im Privatleben der Fußballer, Trainer, Betreuer und Fans viel Emotionen und Frust mit. Sicherlich hatten sich Aljoscha Pause und sein Team nach der Hinrunde schon darauf gefreut, ausgerechnet an der Meistersaison des BVB teilnehmen zu dürfen. Dass aus einer vermeintlichen Erfolgsgeschichte letztlich eine Art Tragödie wurde, hätte der Unterhaltung, der Wahrhaftigkeit der Produktion und dem authentischen Blick in das Seelenleben eines Vereins aber keinen Abbruch tun müssen. Doch man merkt der Serie spätestens in Folge zwei an, dass die emotionalen Szenen dem Verein im Nachhinein doch nicht so angenehm waren, wie es eine Erfolgsgeschichte gewesen wäre.
Ja, die Kamera durfte mit in die Kabine, nicht alle intimen Einblicke haben es aber in die Doku geschafft. Uneingeschränkt sind die Einblicke, anders als kolportiert, also nicht. So wird bei einer von den teilnehmenden als leidenschaftlich beschriebenen Kabinenansprache Lucien Favres weggeschnitten. Zuschauern bleiben nur die Erzählungen und die Erkenntnis, dass dem BVB wohl doch nicht jede Szene gepasst hat. Da hatten die Vereine in «All or Nothing», worin beispielsweise die Los Angeles Rams in Staffel zwei eine Katastrophensaison erlebten, deutlich weniger Berührungsängste.
«Inside Borussia Dortmund» bildet Klub von Spielern bis Zeugwart ab
Die dramatische Aufmachung der Doku, besonders der Musikeinsatz, wird dem Inhalt damit nicht immer gerecht. Schon das Intro versucht mit epischen Bildern eines nebelverhangenen Stadions den Mythos Borussia Dortmund aufrechtzuerhalten, den der Verein bei seinen Anhängern längst innehat. Den Signal-Iduna-Park nennen die Fans ihren Tempel, das Spiel ist ihr Gottesdienst und die Fangesänge ihr Glaubensbekenntnis. Das verdeutlicht die ungemeine Erwartungshaltung, die die Fußball-Profis wie ein Kreuz tragen. Nicht wenige machen diesen äußeren Druck für das letztendliche Scheitern des BVB in der Mission Meisterschaft 2018/2019 verantwortlich.
Dass der Zuschauer mitfühlt und womöglich auch mitfiebert, wenn die Doku Highlights aus den Pflichtspielen des BVB zeigt, stellt die erste Episode sicher, die sich viel Mühe gibt, die Protagonisten zu etablieren, die im weiteren Verlauf der Serie eine größere Rolle spielen und den Blick ins Vereinsleben durch die Augen der Beteiligten ermöglichen soll. Das sind Roman Bürki und Marcel Schmelzer, die schon in Folge eins von den dramatischen Ereignissen des 11. April 2017 erzählen, als die BVB-Profis und der Trainerstab im Mannschaftsbus Opfer eines Anschlags wurden. Das sind Sportdirektor Michael Zorc und der ewig reflektierende Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke, stets einordnend. Selbst Zeugwart Frank Gräfen widmet «Inside Borussia Dortmund» einige Sendezeit, um seine wichtige Rolle im Funktionieren des Klubs aufzuzeigen.
Gräfen selbst arbeitete einst unter Tage, lernte Bergbau. Insofern passt seine Vita bestens zum Erbe dieser Region, aus der Borussia Dortmund stammt. Die Historie des Vereins im Kontext dieses besonderen gesellschaftlichen Umfelds im Ruhrgebiet macht «Inside Borussia Dortmund» in den beiden ersten Folgen mithilfe alter Schwarz-Weiß-Aufnahmen oder nachkolorierten Bildern bis hin zum Champions-League-Sieg 1996/1997 deshalb bald zum Hintergrund, der die Geschehnisse der vergangenen Saison in größere Zusammenhänge stellt und auf die Geschichte des Klubs zurückblickt.
Schränkt Zeitdruck die Doku-Serie ein?
An den vielen verschiedenen Perspektiven auf Borussia Dortmund spürt man schnell, dass die Doku versucht, eine große Dichte zu erzeugen, die in kurzer Zeit unheimlich viel Inhalt abspult. Nicht immer bringen die Einblicke einen Mehrwert, manchen werden sie auch zu unspektakulär und sachlich sein. Gerade weil die Doku an vielen Stellen eine Nachbeschreibung der Saison 2018/2019 durch die Protagonisten darstellt, sollten Zuschauer daher Fußball-Fans sein, die sich für die Abläufe eines Bundesligaklubs interessieren, auch für die unspektakuläreren. Für Anekdoten sorgen dagegen beispielsweise der Deutschunterricht von Axel Witsel und Paco Alcacer oder Marco Reus, wie er in dürftigem Englisch erklärt, dass er eigentlich Dennis heißen sollte, ein Tor des Niederländers Marco van Basten die Entscheidung seiner Eltern noch änderte.
70 Drehtage soll Aljoscha Pause für den Dreh der Doku aufgewendet haben. Die vier Ausgaben der Doku, jeweils mit einer Laufzeit über einer Stunde, wird Prime Video einzeln jeden Freitag veröffentlichen – auch weil Pause dem Vernehmen nach immer noch mit dem Schneiden der Episoden drei und vier beschäftigt ist, die auch der Presse vorab nicht vorlagen. Womöglich ist es auch die Zeitnot, die «Inside Borussia Dortmund» nicht zu der inhaltlich tiefen Serie gemacht haben, die sich Zuschauer gewünscht hätten. Zu häufig bleibt das Format auf der sachlichen Ebene stecken und schwenkt weg, wenn es hart auf hart kommt. Doch auch so entwickeln Zuschauer bald ein Gefühl und eine Sympathie für den BVB, fiebern unwillkürlich mit.
«Inside Borussia Dortmund» bleibt erkenntnisreich und eine absolute Sehempfehlung für Fußball-Fans, die aber gerade an die toll produzierten «All or Nothing»-Dokus nicht heranreicht und Potenziale nicht ausschöpft. Ihnen gelang es bisher deutlich besser, aus den Ereignissen auf und neben dem Platz mehrere kleine Geschichten in der Geschichte zu spinnen, die sich über den Lauf der Serie entwickeln. Nichtsdestotrotz wird «Inside Borussia Dortmund» eine Serie sein, die Fußball-Deutschland beschäftigt und gerade Fußball-Nerds viel bietet. Vor allem könnte die Serie auch eine Tür öffnen für ähnliche Produktionen der Zukunft und andere Vereine ihre Scheu ablegen lassen.
Schreibe den ersten Kommentar zum Artikel