Filmfacts: «Blinded by the Light»
- Start: 22. August 2019
- Genre: Komödie/Musikfilm
- FSK: 12
- Laufzeit: 118 Min.
- Kamera: Ben Smithard
- Musik: A.R. Rahman
- Buch: Paul Mayeda Berges, Gurinder Chadha, Sarfraz Manzoor
- Regie: Gurinder Chadha
- Darsteller: Viveik Kalra, Kulvinder Ghir, Meera Ganatra, Aaron Phagura, Nell Williams
- OT: Blinded by the Light (UK/USA 2019)
Tatsächlich gelingt es dem dreiköpfigen Autorenteam aus Gurinder Chadha, ihrem Stamm-Co-Autor Paul Mayeda Berges («Der Stern von Indien») sowie Sarfraz Manzoor («The Dark Side of Porn») selbst, das eigentlich so gewöhnliche Leben des pakistanstämmigen Teenagers durch die kraftvollen Songs Bruce Springsteens mit Leben zu füllen. Doch in letzter Konsequenz bleibt «Blinded by the Light» inhaltlich dann doch ein Coming-of-Age-Film wie jeder andere auch, der der guten alten „Glaub an dich, dann kannst du alles schaffen!“-Botschaft kaum Neues hinzuzufügen hat.
Luton im Jahr 1987
Teenager Javed (Viveik Kalra) kommt ursprünglich aus Pakistan, bevor er mit seiner Familie nach Großbritannien einwanderte. 1987 lebt er in der englischen Stadt Luton und träumt von einer Karriere als Poet und Schriftsteller. Inmitten der ethnischen und wirtschaftlichen Unruhen der damaligen Zeit schreibt er Gedichte, um der Intoleranz seiner Heimatstadt und der Unbeugsamkeit seines konservativen Vaters (Kulvinder Ghir) zu entkommen. Als ihm ein Klassenkamerad (Aaron Phagura) die Musik von Bruce Springsteen vorspielt, erkennt Javed in Springsteens eindringlichen Liedtexten Parallelen zu seinem eigenen Leben in der Arbeiterschicht. Jared entdeckt ein befreiendes Ventil für seine unterdrückten Träume und findet den Mut, sich in seiner ganz eigenen Stimme auszudrücken.
«Blinded by the Light» hat einige herausragend-mitreißende (Musik-)Sequenzen zu bieten und lässt sich auch sonst stark von dem eingängigen Ohrwurm-Soundtrack mitreißen, der mit den Pet Shop Boys beginnt und von da an einen Bruce-Springsteen-Song nach dem anderen abfeuert. Die Szenen, in denen sich die Gedanken des von Viveik Kalra («Next of Kin») zwischen verträumt und aufbegehrend verkörperten Protagonisten Javed mit dem Inhalt der Lieder synchronisieren, muss man sich etwa so vorstellen: In einem emotional angespannten Moment – ganz gleich ob positiver oder negativer Natur – lauscht der junge Mann den Klängen des „Boss“ und plötzlich erwacht seine Umgebung wie von magischer Hand zum Leben. Da tanzen dann plötzlich die eben noch durchs offene Fenster geflogenen Seiten mit Javeds Gedichten im Licht der Straßenlaternen durch die Dunkelheit ("Dancing in the Dark“) oder eine Bildmontage von Javeds Reise in Bruce Springsteens Geburtsstadt Long Branch, New Yersey wird vom titelgebenden «Blinded by the Light» unterlegt, während das gleißende Sonnenlicht Javed und seinem besten Kumpel Roops ins Gesicht strahlt.
Es ist schon spannend, zu sehen, wie die Macher für jeden großen Bruce-Springsteen-Hit eine szenische Entsprechung finden und dafür bisweilen gar ins Musicaleske abdriften. Das gilt allerdings nur für die Inszenierung, etwa wenn Javed seiner Angebeteten Eliza (Neil Williams) auf einem Flohmarkt eine musikalische Liebeserklärung macht und im nächsten Moment alle Umstehenden anfangen, sich von der Musik mitreißen zu lassen. Die Figuren wissen stets darum, ob gerade gesungen oder gesprochen wird und halten das in unpassenden Momenten entsprechend auch für angemessen skurril.
Mit dem Boss durch die Wirren der Pubertät
Die Szene auf dem Markt wird zugleich zum Höhepunkt von «Blinded by the Light» und erinnert, wie auch der Film im Gesamten, stark an einen musikalisch etwas beschränkteren «Sing Street», da hier ja eben vor allem auf die Stücke von Bruce Springsteen zurückgegriffen wird. In solchen Kniffen wie der Idee, besonders wichtige Lyrics schriftlich auf der Leinwand abzubilden, wie diese wortwörtlich um die Gedanken des Protagonisten kreisen, wären auch in John Carneys Ode an die Achtzigerjahre gut aufgehoben gewesen. Doch während der «Once»-Regisseur sich bei der Inszenierung von «Sing Street» zeitweise einfach treiben ließ und seine Hauptfiguren hin und wieder auch mal über die Strenge schlagen durften, wählt Gurinder Chadha für «Blinded by the Light» den Weg des geringsten Widerstandes. Ihrer Hauptfigur setzt sie das Klischeebild des um die (pakistanische) Tradition besorgten, äußerst strengen Vaters vor, gegen die sich Javed in den knapp zwei Stunden immer wieder zur Wehr setzen muss. Dass ihm das letztlich natürlich gelingt, steht außer Frage. Und das wäre im Kontext eines klassischen Feelgood-Films auch überhaupt nicht schlimm, würde Chadha das Finale nicht auch noch mit einem bemüht-rührseligen Monolog ihres Protagonisten füllen und den Vater zu allem Überfluss noch selbst zu einem angehenden Springsteen-Fan machen.
- © Warner Bros.
Das ist letztlich dann doch zu viel des Guten und lässt «Blinded by the Light» rückwirkend viel kitschiger und forcierter wirken, als es der Film in seinen besten Momenten ist, in denen die Macher einfach nur die zeitlose Musik Springsteens zelebrieren wollen. Auch die erzählerischen Einschübe rund um die rassistisch bedingte Ablehnung von Javed und seiner pakistanischen Familie bleiben auf plumpe Allgemeinplätze reduziert.
Die Musik dagegen erfüllt ihren Zweck dann auch in Perfektion. Egal ob «Dancing in the Dark», «Badlands», «Cover Me» oder «Thunder Road», Gurinder Chadha gelingt es mit Leichtigkeit, all diese Evergreens in ihrem Film unterzubringen, sodass sich die Begeisterung für den „Boss“ von Javed direkt aufs Publikum überträgt. Damit hat «Blinded by the Light» vor allem der nur mäßig begeisternden Beatles-Fantasie «Yesterday» viel voraus, der sich vermutlich auch mit jeder anderen Band ebenso gut hätte umsetzen lassen. Javed und seine Freunde saugen die Springsteen-Songs dagegen mit jeder Körperfaser auf und lassen zu keinem Moment Zweifel daran aufkommen, dass es einzig und allein der zwölffache Emmy-Gewinner ist, der die Sorgen und Nöte seiner jungen Fans versteht. Doch genauso wie ein Film über Bruce Springsteen ist «Blinded by the Light» auch ein Film über das England in den späten Achtzigerjahren. Warme verwaschene Herbstfarben dominieren die Bilder von Kameramann Ben Smithard («Charles Dickens: Der Mann, der Weihnachten erfand»), die den Eindruck erwecken, hier sei tatsächlich auf Film gedreht worden.
Die Ausstattung der Settings, die Kleidung der Figuren und vermeintlich unbedeutende Kleinigkeiten wie die Technik im Studio des schuleigenen Radiosenders zeugen von Detailtreue und Einfallsreichtum; «Blinded by the Light» hätte so auch in seiner Dekade erscheinen können und wirkt in Look and Feel wie aus der Zeit gefallen. Schade, dass sich dieser Eindruck des Zeitlosen nicht vollständig auf die Geschichte überträgt. Das kann man entweder traditionell finden, oder ganz und einfach mutlos.
Fazit
«Blinded by the Light» ist für Bruce-Springsteen-Fans ein Muss und für Liebhaber harmloser Feelgood-Unterhaltung eine Empfehlung. Ein wenig mehr Substanz hätte der sich ausschließlich auf Genre-Versatzstücke verlassenen Geschichte gut getan, auch wenn man bei den vielen Evergreens des „Boss“ gar nicht anders kann, als mit dem Fuß mitzuwippen.
«Blinded by the Light» ist ab dem 22. August in den deutschen Kinos zu sehen.
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