Filmfacts: «Golden Twenties»
- Start: 29. August 2019
- Genre: Drama
- FSK: o.Al.
- Laufzeit: 92 Min.
- Kamera: Reinhold Vorschneider
- Buch & Regie: Sophie Kluge
- Darsteller: Henriette Confurius, Inga Busch, Max Krause, Julika Jenkins, Seyneb Saleh, Cecilia Pillado, Anton von Lucke
- OT: Golden Twenties (DE 2019)
«Golden Twenties» ist ein wirklich vergnüglicher Blick in das Leben eines Menschen, dessen Werdegang stellvertretend dafür steht, wie viele Altersgenossinnen und -Genossen sich heutzutage verloren fühlen, obwohl ihnen eigentlich sämtliche Türen offenstehen. Und dafür muss man noch nicht mal im so hippen Berlin wohnen.
Mitten im Leben und irgendwie doch nicht
Mit Mitte Zwanzig zieht Ava (Henriette Confurius) wieder bei ihrer Mutter Mavie (Inga Busch) ein. Diese hat mittlerweile einen neuen Freund und scheint mit jedem Lebensjahr neue Spleens zu entwickeln. Seit einer Weile verbarrikadiert sich die Frau etwa in ihren eigenen vier Wänden, weil die Einbruchsrate in ihrem Einzugsgebiet angestiegen ist. Doch damit kann sich Ava erst einmal nicht beschäftigen. Viel wichtiger ist der jungen Frau nämlich ein neuer Job. Den findet sie nach einigen Anlaufschwierigkeiten an einem Theater, wo sie bei den Vorbereitungen eines neuen Stückes hospitieren darf. Von ihren Kollegen wird sie nicht ernst genommen, dafür findet sie in dem attraktiven Schauspieler Jonas (Max Krause) einen Verehrer, mit dem sie immerhin kurzzeitig auf Wolke Sieben schweben darf. Doch so richtig ins Leben findet Ava trotzdem nicht. Vielleicht wird man ja auch erst mit Dreißig so richtig erwachsen…
- © FOX
Henriette Confurius (Ava)
Das Besondere an «Golden Twenties» könnte sich für viele Zuschauer auch direkt als ein Hindernis erweisen, das es einem schwer macht, mit der Hauptfigur zu connecten: Sophie Kluge wirft das Publikum direkt hinein in Avas Lebensumstände und verzichtet auch im weiteren Verlauf darauf, ihren kantigen Charakter mit Hintergrundinfos zu unterfüttern. Sie wirkt ein bisschen nölig, suhlt sich hier und da in Selbstmitleid und sucht die Schuld an ihrer Misere scheinbar erst bei allen Andere, eh sie darauf kommt, auch mal sich selbst und ihre eigenen Entscheidungen infrage zu stellen. Doch im Laufe der knackigen neunzig Minuten legt Sophie Kluge dann eben doch Details offen, die einen an all seinen eigenen Vorurteilen zweifeln lassen. Das ist wie die plumpe Annahme, das diejenigen, die seit Jahren Single sind, einfach von Niemandem gewollt werden, wobei Charakterzüge wie Introvertiertheit oder solche Banalitäten wie schlechte Erfahrungen gern unberücksichtigt bleiben. Es ist ja auch viel einfacher, einfach nur von sich auf andere zu schließen, oder Menschen anhand ihrer Oberfläche zu beurteilen.
Doch auch wenn man durch den einem Sprung ins kalte Wasser gleichkommenden erzählerischen Aufbau vielleicht etwas länger braucht, um mit der Hauptfigur warm zu werden, so sprechen die Situationen doch für sich. Und so erinnert «Golden Twenties» durch seinen Slice-of-Life-Charakter dann auch vorwiegend an die Filme eines Richard Linklater; oder wer vor zwei Jahren Helena Hufnagels großartigen «Einmal bitte alles» gesehen hat, der dürfte hier ebenfalls voll und ganz auf seine Kosten kommen. Denn «Golden Twenties» ist auch ohne allzu tief zu bohren ein vielschichtiges Charakterporträt, in dem das, was Ava tut, für sich spricht – und ihre Umwelt für die Welt, in der sie, in der wir gerade leben.
Ein schauspielerisches Highlight
Henriette Confurius («Nebel im August») verkörpert die gleichermaßen verlorene wie hilflos um Eigenständigkeit, Zufriedenheit und Anerkennung kämpfende Ava mit viel Aufopferungsbereitschaft und dennoch angemessen zurückhaltend. Man weiß nie: Möchte man die junge Frau nun einfach nur in den Arm nehmen, oder ihr in den Hintern treten. Dafür sind die verschiedenen Ereignisse, mit denen die Geschichte sie konfrontiert, einfach zu unterschiedlich. Mal fühlt sie sich inmitten eines Pärchenabends mit ihrer Freundin Lulu (Hanna Hilsdorf) verloren; nicht nur als Single, sondern ganz einfach als Mensch. An einem anderen Tag reist sie ihrer Affäre Jonas ungefragt bis nach Prag hinterher – und wundert sich anschließend, dass dieser darüber so gar nicht erfreut ist.
Es ist ein stetes Auf und Ab, als das Sophie Kluge den Alltag ihrer Hauptfigur hier einfängt. Immer wieder angereichert mit kleinen, kreativen Beobachtungen vom neugierigen Nachbar bis hin zum vollgestellten Zimmer, wo früher noch Avas Kinderbett stand und heute ein ungenutzter Hometrainer. «Golden Twenties» nimmt einen mit durch diese zerrissene Welt der Menschen in den Zwanzigern. Das ist nicht immer von erzählerischer Stringenz, manchmal ein wenig konstruiert, aber es fühlt sich zu jedem Zeitpunkt wahrhaftig an. Auch weil Kameramann Reinhold Vorschneider («Helle Nächte») für verträumt-herbstliche Bilder sorgt, mit denen der Film auf jedem Indie-Festival hervorragend aufgehoben wäre.
Fazit
In «Golden Twenties» sind die Zwanziger nicht golden, aber dafür zaubert uns Regisseurin Sophie Kluge hier 90 Minuten lang ein goldenes Lächeln ins Gesicht – und einen bittersüßen Kloß in den Hals.
«Golden Twenties» ist ab dem 28. August in ausgewählten deutschen Kinos zu sehen.
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