
Wie später auch «Homeland» machte «Hatufim» nahezu alles richtig: Beide Serien waren hervorragend geplottet, die Heldenreisen der Figuren perfekt austariert und glaubwürdig, der Spagat aus Einflechtung realer Ereignisse und Umstände und behutsamer Verfremdung und Allegorisierung gelang schier mühelos.

Das Pulverfass Levante zu verfilmen, ist angesichts seiner langen, komplexen Geschichte, seinen zahlreichen Akteuren mit ihren mitunter verworrenen Motiven und Anreizen, den schockierenden Ereignissen und den diffusen Entwicklungen immer eine enorme Herausforderung. Will man als Erzähler aufrichtig sein, muss man auch das Grausamste zeigen, ohne daraus voyeuristisches Kapital zu schlagen, muss die Komplexitäten und Widersprüchlichkeiten entwirren und in verstehbare Abfolgen von Ereignissen aufdröseln, muss die handelnden Charaktere im Sinne eines eingehenden Verständnisses allegorisch für größere Ideen und Konzepte stehen lassen, ohne sie dabei zu Stereotypen – als „der Araber“, „der Siedler“, „der Ultra-Orthodoxe“ – degenerieren zu lassen.
«Our Boys» scheut diese Mammutaufgabe nicht – und obwohl sie ihre erzählerische Raffinesse konsequent mit psychologischer Feinfühligkeit kombiniert, trugen israelische Opferverbände die (nicht unberechtigte) Kritik vor, die Serie klamüsere den bedeutsamen Unterschied in der Akzeptanz von Mord und Terror als Mittel zur Erreichung politischer Ziele auf israelischer und palästinensischer Seite nicht ausreichend auseinander. Dabei bleibt das Format jedoch weit entfernt von einer unbotmäßigen Gleichmacherei in diesem asymmetrischen Konflikt – und trägt vielmehr auf der Makroebene sinnig zum Diskus bei, indem sie veranschaulicht, wie leicht sich in belagerten Gesellschaften Eigendynamiken anstoßen lassen: nicht auf beiden Seiten gleichermaßen und auch nicht mit gleichen Motiven, aber doch mit ähnlichen Mustern.
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