Als der amerikanische Drehbuchautor Marc Cherry vor vielen Jahren mit seiner Mutter ferngesehen hat, lief ein Bericht über eine alleinerziehende Mutter, die aus Überforderung und Verzweiflung ihre Kinder umgebracht hatte. Als Cherry darüber seine Fassungslosigkeit bekundete, antwortete seine Mutter: „Ich war auch manchmal kurz davor.“
In diesem Moment hat Cherry etwas verstanden: Welch enorme Herausforderung schon der Dauerstress einer familiären Normalsituation bedeuten kann. Aus dieser Erkenntnis entstand seine bisher erfolgreichste Fernsehserie, «Desperate Housewives», die genau dies abzubilden versuchte: herrlich schwarzhumorig, bisweilen skurril und erzählerisch (zumindest zu ihren besten Zeiten) immer auf den Punkt, eine Hochglanz-Soap wie sie im Buche stand.
Zumindest stilistisch ist sich Cherry auch mit seinem neuen Projekt «Why Women Kill» des amerikanischen Premium-Streaming-Anbieters CBS All Access treu geblieben. Dort erzählt er die Geschichte dreier Frauen, die in unterschiedlichen Jahrzehnten im selben Anwesen im kalifornischen Nobelort Pasadena leben und von ihren Lebensenttäuschungen, angestauten Aggressionen und sie betrügenden Partnern in den Mord getrieben werden.
Beth Ann Stanton (Ginnifer Goodwin) tritt zunächst als unterwürfige, devote 60er-Jahre-Vorzeigeehefrau auf, die nach den ersten metaphorischen Schlägen ins Gesicht schließlich mit ihrem selbstgefälligen Ehemann am meterlangen Esstisch unter dem schier obligatorischen Kronleuchter sitzt und plötzlich anfängt, zu sinnieren, wie er wohl einmal sterben werde. Zwei Jahrzehnte später hadert die kauf- und champagnersüchtige Simone Grove (Lucy Liu) mit der permanenten Kränkung, dass ihr aktueller Gatte den einzigen Sinn in ihrer Ehe sieht, mit ihr seine Homosexualität zu kaschieren. Und im Jahr 2019 läutet die feministische bisexuelle Rechtsanwältin Taylor Harding (Kirby Howell-Baptiste) das Ende ihrer offenen Ehe mit Eli ein, als sie eine weitere Frau in die Beziehung einführt.
Nicht unvorstellbar, dass man ähnliche Konstellationen auch in «Desperate Housewives» hätte finden können. Dennoch: «Why Women Kill» ist von Anfang an überdrehter, überreizter, mehr auf den schmissigen Gag als die ernsthafte Charakterentwicklung bedacht. Das widerspricht ihrer eigentlich deutlicheren inhaltlichen Ambition: Denn anhand der Kontrastierung dreier Frauenbiographien im Verlauf der Jahrzehnte hätte Cherry deutlich Scharfsinnigeres diagnostizieren können als die Wiederholung des immer Gleichen unter anderen Umständen im selben Haus – und trotz der Besetzung mit prominenten Fernsehnamen wie Ginnifer Goodwin und Lucy Liu will sich nicht das alte Soap-Gefühl einstellen, mit dem die verzweifelten Hausfrauen vor eineinhalb Jahrzehnten fast im Alleingang einen ganzen Sender auf Vordermann brachten.
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