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Als wäre Waller-Bridge in den vergangenen Tagen nicht ohnehin schon in aller Munde gewesen, schloss sich der nächste große Coup für die Kreative an. Amazon, das Waller-Bridges «Fleabag» zusammen mit der BBC produzierte, sicherte sich die Dienste der Autorin für geschätzte 20 Millionen Dollar. Bei den Emmys begann die Siegesserie der gebürtigen Londonerin übrigens nicht. Bei allen Diskussionen um eine mögliche weibliche Version von James Bond in der Zukunft, steht bereits fest, dass der nächste «Bond»-Film mit dem Titel «James Bond 007 – No Time To Die» von einer Frau mitgeschrieben wurde, nämlich von Waller-Bridge.
„Darf es etwas mehr Witz sein, Mr. Bond?“
Steckbrief Phoebe Waller-Bridge
- Geburtstag: 14. Juli 1985 (34 Jahre alt)
- Geburtsort: London, England
- Wohnort: Kensal Rise, London
- Beschäftigung: Schauspielerin, Autorin, Produzentin in Film, Fernsehen und Theater
- Erste eigene Serie: «Crashing» (Channel 4, 2016)
- Größter Hit: «Fleabag» (BBC/Amazon, 2016)
- Auszeichnungen: u.a. 3 Primetimy-Emmys und 1 BAFTA-Award
Was hat diese Frau also an sich, dass ihr die Unterhaltungsindustrie derzeit zu Füßen liegt? Ihre wohl wichtigste Eigenschaft ist, dass sie bei all der Formelhaftigkeit, der Hollywood anheimgefallen ist, um Flops ja zu vermeiden, jedes Klischee in ihrer Arbeit vermeidet. Das war nicht zuletzt das Erfolgsrezept ihrer messerscharfen, aber auch emotional völlig offenbarenden Dramedy «Fleabag», die mit gerade einmal zwölf nicht einmal halbstündigen Episoden zum Kult wurde. Die Tochter einer Familie in der gehobenen Mittelschicht Londons gilt als ungemein cool, weil sie Tabus auf charmante und zugleich freche Art und Weise bricht. In «Fleabag» tritt sie kettenrauchend, promiskuitiv und obszön auf und spielt gleichzeitig mit Tiefe, weil das Trauma eines Todes ihre Figur unterbewusst zur Selbstzerstörung treibt.
Sicheres Gespür gepaart mit unkonventionellen Erzählungen
Gleichzeitig hat sie ein sicheres Gespür für Geschichten und wie lange sie zu dauern haben, um zu funktionieren. Trotz aller Tabubrüche und Unkonventionalitäten scheint jede ihrer Produktionen ein Hit zu werden. Nach gerade einmal ein Dutzend Ausgaben von «Fleabag» gab sie daher konsequent das Ende der Serie bekannt. Die Impulse der Anzugträger in der Chefetage von Sendern und Studios, eine Kuh solange zu melken, bis sie keine Milch mehr gibt und dabei die Qualität außen vor zu lassen, sind ihr fremd. Vor ihrem Deal mit Amazon Studios sagte die Chefin Jennifer Salke: „Nichts würde uns glücklicher machen als wenn sie uns eine weitere Staffel dieser Show («Fleabag»), Anm. d. Red.) bringt. Oder irgendetwas anderes, was sie machen möchte.“ Ein Blanko-Scheck. Im Gegenzug möchte Waller-Bridge nicht nur Geld. Als sich noch halb Hollywood um sie riss, ehe Amazon zuschlug, sagte sie in diversen Interviews, dass Freiheit ihr besonders wichtig sei und sie danach ihre Entscheidungen treffe. Es ist davon auszugehen, dass die Autorin sich diese Freiheit vom Online-Versandhändler zusichern ließ.
Umso erstaunlicher ist, dass Waller-Bridge in der Traumfabrik vor drei Jahren noch ein unbeschriebenes Blatt war. Ihre Wurzeln hat sie im Theater, wo sie seit 2005 arbeitet und 2009 ihr Bühnendebüt gab. «Fleabag» war ursprünglich ein von Waller-Bridge geschriebenes Stück, das 2013 Premiere feierte. 2009 begann sie davor schon, im britischen Fernsehen zu spielen. Hier eine folge für eine Ärzte-Soap, dann eine für eine Sitcom. Es folgten ein ganzer TV-Film, gleich dreizehn Episoden der Sky-Serie «The Café», dann wieder nur einige wenige Engagements für verschiedene Serien. Dazwischen spielte sie immerhin eine Nebenrolle im 2011 erschienen Thatcher-Biopic «Die Eiserne Lady» mit Meryl Streep mit.
Wissenswertes über Phoebe Waller-Bridge
- Ihre Schwester Isobel Waller-Bridge arbeitet als Filmkomponistin und steuerte die Musik zu «Fleabag» bei
- Lag unter Buchmachern als «Doctor Who»-Nachfolgerin von Peter Capaldi ganz vorne (Jodie Whitaker übernahm am Ende)
- Absolvierte ein Casting für «Downton Abbey», doch die Macher fanden sie zu witzig
- In einer Beziehung mit Filmemacher Martin McDonagh («Three Billboards Outside Ebbing, Missouri»)
- Sah nie einen «Star Wars»-Film vor ihrer Rolle in «Solo: A Star Wars Story»
Waller-Bridge setzte früh alles auf eine Karte
Fahrt nahm ihre Karriere in Fernsehen und Film aber erst so richtig im Jahr 2015 auf. Gerade hatte sie erstmals drei Episoden für eine Serie geschrieben, die Brit-Sitcom «Drifters», dann landete sie eine Rolle im Hit-Format «Broadchurch». 2016 erschien mit der charmanten Dramedy-Serie «Crashing» ihre erste eigene Serie, die von wohlwollenden Kritiken begleitet wurde. Noch im gleichen Jahr startete «Fleabag», 2018 dann «Killing Eve» bei BBC America, das übrigens zwei Frauen als Hauptfiguren hat. Der Spion-Thriller brachte sie auch als Autorin erstmals weg vom Comedy-Genre. Für HBO produziert Waller-Bridge bald einen Mix aus Comedy und Thriller, nämlich «Run». Darin übernimmt sie auch eine Rolle. Im Kino war sie zuletzt als Droide L3-37 in «Solo: A Star Wars Story» zu hören. Schauspielerin werden wollte sie übrigens schon im Kindesalter, weshalb sie sich nach ihrer Schulbildung bei einer privaten Einrichtung auch sogleich um die harte Lehre in der Royal Academy of Dramatic Art bemühte und akzeptiert wurde.
Sonst erhielt sie ihre besten Ideen nach eigener Aussage in der Londoner U-Bahn. Mit dem neuerlichen Ruhm könnte es für sie schwer werden, dort in Zukunft ungestört neue Drehbücher zu erdenken. Ihre Entscheidung für Sprechrollen wie in «Solo» rühren auch aus dem Wunsch heraus, zumindest gelegentlich anonym im öffentlichen Leben zu bleiben. Gefragt ist sie derzeit ohnehin eher als Autorin. Dort hat sie ihr Profil mittlerweile so geschärft, dass sie vielleicht die gefragteste Person unter den Autoren Hollywoods ist – nicht nur die gefragteste Frau. Waller-Bridge will TV- und Filmformeln untergraben, überraschen und die aufgeladene Fläche zwischen Gelächter und tiefen Gefühlen bespielen. Darin ist sie derzeit so gut wie kein anderer Autor, das ist ihr Alleinstellungsmerkmal. Deshalb wollen alle Phoebe.
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05.10.2020 11:47 Uhr 1