Soap-Check

«Gute Zeiten, schlechte Zeiten»: Der Soap-Dauerbrenner, der eigentlich ein Daily Drama ist

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Das Format hat sich in mittlerweile fast drei Jahrzehnten in jederlei Hinsicht spürbar weiterentwickelt.

Frohe Kunde vom Set!

«GZSZ»-Star Felix van Deventer (Jonas Seefeld) hatte am 01. Oktober seinen ersten Drehtag nach fast vier Wochen. Der junge Vater war Ende August von einem Balkon vier Meter in die Tiefe gestürzt und hatte sich infolgedessen an der Wirbelsäule verletzt. Nun nutzte er die Gelegenheit, um sich direkt aus dem Studio via Videobotschaft zurückzumelden und bei seinen Fans für die zahlreichen Genesungswünsche zu bedanken.
Zu jedem bedeutenden Geburtstag des Formats wird seit vielen Jahren an den Satz („Was ist denn?“) erinnert, der den Beginn einer im deutschen Fernsehen einzigartigen Erfolgsgeschichte markieren sollte und von Clemens Richter alias Frank-Thomas Mende gesagt wurde. Am 11. Mai 1992 erblickte «Gute Zeiten, schlechte Zeiten», das eigentlich auf die australischen Soap «The Restless Years») zurückgeht, das Licht der Welt. Während damals – das haben alle, die in irgendeiner Form an der Produktion beteiligt waren, stets betont – kaum einer daran glaubte, dass «GZSZ» eine lange Lebensdauer beschieden sein würde, wissen wir es heute besser.

Seit mittlerweile etwas mehr als 27 Jahren schalten Fans der ersten Stunde, die es bis heute in nicht gerade geringer Zahl gibt, montags bis freitags um 19.40 Uhr ein, um mitzuverfolgen, was ihre Lieblinge in dieser einst namenlosen Großstadt, aus der längst Berlin geworden ist – und das, obwohl die Studios bekanntlich in Potsdam-Babelsberg stehen –, erleben. Prof. Dr. Dr. Hans-Joachim „Jo“ Gerner alias Wolfgang Bahro ist wohl nicht nur die bekannteste, sondern auch gleichzeitig die beliebteste Figur aus dem bundesweiten Daily-Kosmos und darüber hinaus ein echtes «GZSZ»-Urgestein, das beinahe von Anfang an (seit Folge 185, ausgestrahlt am 03. Februar 1993) mit dabei ist. Er hat viele kommen und gehen, wenige zurückkehren und einige sehr lange bleiben sehen. Und genau diese Mischung aus Konstanz und Erneuerung ist ein wesentlicher Grund für den Erfolg des Vorabenddauerbrenners. Die Tatsache, dass man im Prinzip seit Tag eins auch altersmäßig sehr auf einen guten Figurenmix geachtet hat, spielt in dabei sicher ebenfalls eine große Rolle.

Erwähnung finden muss in diesem Zusammenhang außerdem, dass «Gute Zeiten, schlechte Zeiten» lange dafür bekannt war, nahezu ausschließlich auf unbekannte Gesichter zu setzen und so diverse Schauspielkarrieren zu starten – man denke beispielsweise an Alexandra Neldel und Jeanette Biedermann, die später auch für Sat.1 als Sendergesicht im Daily-Einsatz waren oder Janina Uhse, die nach ihrem Ausstieg 2017 zuletzt in mehreren größeren (Kino-)Produktionen bewundert werden konnte. Deshalb ist es umso bemerkenswerter, dass zwei der jüngsten Ensemble-Zugänge (Gisa Zach und Maria Wedig, die allerdings 2002 auch einst ihr TV-Debüt (jedoch nicht als Nina Ahrens) bei dem Branchenführer feierte) echte Genre-Experten sind. Dies beweist auch, dass die Macher (allen voran Petra Kolle, die schon viele Jahre für RTLs wohl liebstes Kind verantwortlich zeichnet) ihr Handeln fortlaufend hinterfragen, um zu garantieren, dass sie stets ein «GZSZ» von heute und keines von gestern oder vorgestern produzieren.

Neben der Mischung aus Fluktuation und Beständigkeit in Bezug auf die Darsteller gilt dies auch für die Sets, die heute logischerweise wesentlich hochwertiger daherkommen als vor knapp drei Jahrzehnten. Wo sich früher alle Protagonisten in „Daniels Bar“, dem „Fasan“ oder dem „Mocca“ getroffen haben, wird heute im „Vereinsheim“ oder im „Mauerwerk“ gespeist und gefeiert. In letzterer Location treten zudem seit der Einweihung in schöner Regelmäßigkeit reale Musikacts (zum Beispiel Unheilig, Nena oder Mando Diao) auf, ein absolutes Alleinstellungsmerkmal im Vergleich zu den nationalen Mitbewerbern – in US-Serien sind solche Auftritte weitaus verbreiteter. Zudem hat man mit dem „Kiez" noch einen sehr geräumigen Außendrehort hinzugewonnen, der sich in Windeseile zum Herz der Serienwelt entwickelt hat. Aber auch inhaltlich wurde man insbesondere im letzten Jahrzehnt immer experimentierfreudiger, was sich in Form von größeren Geschichten, in denen gesellschaftlich relevante Themen im Vordergrund stehen (Gentrifizierung, Umgang mit einer unheilbaren Krankheit, häusliche Gewalt, das Leben nach einem Schlaganfall, Migration usw.), bemerkbar macht.

Die Charaktere selbst wiederum werden dadurch automatisch wesentlich facettenreicher und entsprechen weit weniger Stereotypen – obwohl dieses Soap-Vorurteil noch in den Köpfen vieler vorherrscht. Gerade an den ambivalentesten «GZSZ»-Figuren, dem Hassliebe-Dreamteam Katrin Flemming und Jo Gerner, kann man das schön sehen. Waren sie einst primär auf das Intrigieren geeicht – mit- oder gegeneinander –, haben sie in der vergangenen Dekade (zeitweise als (Zweck-)Ehepaar) auch sehr viel innerhalb ihrer Familie erlebt: Sie durften spät ihre erwachsenen Kinder kennenlernen, hatten es mit Tod, Trauer und schlimmen Krankheiten zu tun, haben sich beruflich mehrfach (gemeinsam) neuorientiert, sich (in jüngere Partner) verliebt sowie sich gestritten, versöhnt und letztlich stets zusammengehalten, wenn es darauf ankam. Dieser Bandbreite an Erzähltem (und der schauspielerischen Qualität von Wolfgang Bahro und Ulrike Frank) ist es hauptsächlich zu verdanken, dass das längst legendäre Duo so beliebt ist – bei den treuesten der Treuen, jedoch auch bei Fan-Neuzugängen.

Der Umstand, dass bis heute gerade in der für die Werbebranche so wichtigen Gruppe der 14- bis 49-Jährigen regelmäßig tolle Marktanteile verbucht werden («GZSZ» ist nicht selten das in Bezug auf die Quoten „jüngste“ Format des Tages), mutet noch bemerkenswerter an, wenn man bedenkt, mit wie vielen unterschiedlichen Konkurrenten (etwa «Big Brother» oder «Berlin – Tag & Nacht») es die Sendung über all die Jahre zu tun hatte. Und dass diese besondere Erfolgsgeschichte seit Kurzem nun auch in Form von jährlich stattfindenden Primetime-Specials (2017 die hochdramatische Hochzeit, 2018 das packende Mallorca-Abenteuer und 2019 der folgenreiche Abstecher nach Thailand) fortgeschrieben wird, ist nur ein weiterer Beleg dafür, dass «Gute Zeiten, schlechte Zeiten» längst so viel mehr ist als eine reine „Seifenoper“. Dass wichtige Köpfe bei der UFA respektive bei UFA Serial Drama, der Kreativschmiede, die hinter dem Format steht, wie Joachim Kosack, Guido Reinhardt oder einst Rainer Wemcken, die auch viel mit dem RTL-Aushängeschild verbindet, seit einiger Zeit von dem „Daily Drama“ und eben nicht mehr der „Soap“ «GZSZ» sprechen, kommt mit Blick auf all die genannten Aspekte daher nicht von ungefähr.

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