Filmfacts «Gemini Man»
- Regie: Ang Lee
- Produktion: Jerry Bruckheimer, David Ellison, Dana Goldberg, Don Granger
- Drehbuch: David Benioff, Billy Ray, Darren Lemke
- Story: Darren Lemke, David Benioff
- Cast: Will Smith, Mary Elizabeth Winstead, Clive Owen, Benedict Wong
- Musik: Lorne Balfe
- Kamera: Dion Beebe
- Schnitt: Tim Squyres
- Laufzeit: 117 Minuten
- FSK: ab 12 Jahren
Und das nicht etwa, wie es vor allem die Marvel Studios in den vergangenen Jahren angegangen sind: In Filmen wie «Ant-Man», «Captain Marvel» und «Avengers || Endgame» bekommen wir jüngere Versionen bekannter Schauspieler zu sehen. Diese haben ihre Szenen wie gewohnt gespielt, woraufhin die Effektschmiede Lola VFX ihre Gesichter am Computer verjüngt hat. Der junge Will Smith in «Gemini Man» ist das Produkt eines anderen Vorgehens: Ang Lees hat seinen Hauptdarsteller nicht digital manipulieren, sondern am Computer zu klonen lassen. Das ist so aufwändig und beeindruckend, dass in der «Gemini Man»-Berichterstattung ein Punkt nahezu völlig untergeht: «Gemini Man» ist nicht nur der Film, in dem ein junger und ein alter Will Smith gegeneinander kämpfen. Es ist auch die Rückkehr des alten Jerry Bruckheimer.
Jerry Bruckheimer ist trotz einiger wirtschaftlicher Fehlschläge in der jüngeren Vergangenheit noch immer einer der erfolgreichsten Produzenten der Hollywood-Geschichte. Zuletzt primär für seine Abenteuerfilme bekannt, stand der «Fluch der Karibik»-, «Prince of Persia – Der Sand der Zeit»- und «Das Vermächtnis der Tempelritter»-Produzent zuvor jahrzehntelang synonym für temporeiche, kernige Popcorn-Action, die sich Jugendliche und junge Erwachsene als Kernzielpublikum auserkoren hat. Ob «Top Gun», «Armageddon», «The Rock», «Der Staatsfeind Nummer eins» oder die «Bad Boys»-Filme: Wo Bruckheimer drauf stand, waren ein moderner Hochglanz-Look, schmissige Actionszenen und knackige High-Concept-Plots drin. Die Einen nennen so etwas Disposable Entertainment, die Anderen feiern es als pures, köstliches Popcorn-Vergnügen ohne Schnörkel.
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Die Stützen von «Gemini Man» sind die ausführlichen Actionszenen – dynamisch, jedoch nie unübersichtlich, gefilmt von Kameramann Dion Beebe («Collateral»). Dazwischen grübeln die Figuren über ihr weiteres Vorgehen, die moralischen Konsequenzen des Geschehenen und ihre Beziehungen zueinander – stets in griffigen Dialogen ausformuliert. Keine Plattitüden, aber auch nichts weltbewegend-sinnierendes – Effizienz hat das Sagen, und das gilt auch für die spärlich, aber gezielt eingesetzten Dialogwitz-Einsprengsel.
- © Paramount Pictures
Das weckt 90er-Jahre-Bruckheimer-Gefühle, und wer diese Art des Popcorn-Filmvergnügens vermisst hat, wird «Gemini Man» allein schon dafür beknien. Nur die effektive, jedoch nicht sehr einprägsame Musikuntermalung des Komponisten Lorne Balfe («Mission: Impossible – Fallout») klingt mit ihren schweren, schnellen Streichern eher nach heutigem Blockbusterkino. Für die volle Bruckheimer-Retropackung bräuchte es einen rockigeren, E-Gitarren-treffen-auf-eine-Armee-an-Synthesizern-Score, wie ihn etwa ein Trevor Rabin («Armageddon») beherrscht – und zumindest die «Gemini Man»-Sequenz, in der sich die zwei Will Smiths mit Motorrädern erst jagen und dann bekämpfen, schreit geradezu nach solch einem Score.
Alles in allem fügen sich Balfes Kompositionen aber durchaus in das «Gemini Man»-Gesamtkonstrukt, da Ang Lee den Film zwar unentwegt in Bewegung hält, aber durch einen ruhigeren Schnitt («Tiger & Dragon») und einen besonneneren Tonfall der Figuren auf eine gesetztere Grundstimmung setzt als bei Bruckheimer üblich. Das dürfte teils eine rein stilistische Entscheidung sein, hilft aber auch, die eigentlich hanebüchene Grundprämisse ("Alter Killer-Profi gegen jungen Klon!") filmisch zu erden.
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Für zusätzlichen Wow-Faktor lohnt es sich, «Gemini Man» in 3D und High-Frame-Rate (Lee drehte den Film mit 120 Bildern pro Sekunde) zu schauen: Die höhere Bildrate sorgt hier für gestochen scharfes 3D und eine die beeindruckenden Effekte sowie die knalligen Stunts unterstreichende Detailstärke des Bildes – praktisch ohne die Kinderkrankheiten dieser Technologie, die noch die «Hobbit»-Trilogie zu durchstehen hatte. Das dürfte daran liegen, dass Ang Lee sich intensiv mit der Technik auseinandergesetzt und «Die irre Heldentour des Billy Lynn» quasi als Testlauf inszeniert hat, um möglichst viele Patzer zu vermeiden. «Gemini Man» ist auf die Bedürfnisse von 3D und HFR hingebogen, weshalb der Film in der "alltäglichen" Fassung schwächer aussieht:
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Fazit: «Gemini Man» ist kerniges Actionkino mit einem überzeugenden Will Smith (in jung und alt) und bahnbrechender Technologie, das seinen Plot effizient als Sprungbrett für Schauwerte nimmt.
«Gemini Man» ist ab sofort in vielen deutschen Kinos zu sehen. In 2D, 3D, Standard-Bildrate und in 60 oder gar 120 Bildern pro Sekunde.
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