Die Kritiker

«Check. Check»: Vom Herzen her nicht doof, sondern unaufgeregt (und) originell

von   |  1 Kommentar

Eine Serie über den Alltag an einem kleinen Flughafen irgendwo im Nirgendwo voller skurriler, aber auch berührender Momente.

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Settings sind wichtig, für eine Serie wahrscheinlich sogar noch wichtiger als für Filme, da man Minimum einen Schauplatz braucht, an dem die Hauptfiguren immer wieder aufeinandertreffen, ohne dass man großartig erklären müsste, warum. Und am besten ist es selbstredend, wenn es sich um einen handelt, wo auch unterschiedlichste Menschen einander begegnen können. Hotels, Schulen, Gefängnisse, Krankenhäuser oder Kreuzfahrtschiffe etwa. Ja, alles schon gesehen, einen Flughafen jedoch vermutlich nicht. Dabei ist die Idee so naheliegend und genial: Schon nach der ersten Folge hat man das Gefühl, dass hier nahezu alles passieren kann – und das noch nicht einmal grundlos.

Gedreht wurde (bei laufendem Betrieb) in Nordhessen am Flughafen Kassel-Calden, was es für die Zuschauer noch leichter macht, sich mit Klaas & Co. auf diese Reise zu begeben. Studio ist eben Studio und eine echte Location eine echte Location. Diese bildet zudem das Fundament, das es braucht, damit überzeichnete Charaktere von der Zuschauerschaft nicht nur angenommen, sondern sogar schnell ins Herz geschlossen werden können. Die bewusste Entscheidung für ein Ensemble von überschaubarer Größe spielt in diesem Zusammenhang ebenfalls eine nicht zu unterschätzende Rolle. Im Piloten, dessen erste zehn bis 13 Minuten zugegebenermaßen noch etwas langatmig daherkommen, lernt man im Prinzip alle kennen, auf die es ankommt. Und weil eine Auftaktfolge eben immer diese – aus Sicht eines Autors oftmals fast lästige – Pflicht zu erfüllen hat, kann man ihr auch die Zeit, die sie benötigt, um den Couch-Kinogängern einen Eindruck vom großen Ganzen zu vermitteln, zugestehen.

Nach der kurzen „Orientierungsphase“ weiß das Format aber, was es sein will, und bleibt sich treu: Die Komik ist eine, die, sich wie schon angedeutet, stets aus der jeweiligen Situation ergibt und deren Qualität oftmals viel mit der schauspielerischen Qualität der Darsteller und deren Gespür für Timing zu tun hat. Petra Kleinerts Ingrid zum Beispiel ist vor allem deshalb so liebenswert, weil ihre Schusseligkeit uns nicht konsequent mit dem Holzhammer vermittelt wird, sondern sich auf ausgewählte Highlightmomente beschränkt. Kailas Mahadevans Ertu ist sicher nicht die hellste Kerze auf der Torte und meist etwas begriffsstutzig, hat aber das Herz am rechten Fleck. Außerdem passt er natürlich – typisch großer Bruder – auf seine „kleine“ Schwester Samira (Sara Fazilat) auf. Diese hat ein Auge auf Jan geworfen und geht bei ihren „Annäherungsversuchen“ recht offensiv vor. Obwohl sie, die Zuständige für das leibliche Wohl und den Duty-free-Shop, keine Flugreisenden kontrolliert, gehört sie doch zur kleinen Airport-Familie und ist – in ihrer Rolle – ein Garant für ungewollt komische Zitate (wie zum Beispiel für dasjenige, das Pate für den Titel dieses Beitrags stand).

Jan Georg Schüttes Harald toppt sie jedoch alle mit seiner Leidenschaft für Regeln, seiner Unfähigkeit, fünfe gerade sein zu lassen sowie seinen insgesamt recht „eigenwilligen“ Ansichten, und das Beste dabei: Er meint alles exakt so, wie er es sagt. Da werden schon einmal Hasen zum Feind erklärt und der Rucksack eines kleinen Mädchens zur potenziellen Bombe, aber jedes Wort mehr wäre zu viel, denn Harald muss man erlebt haben, um wirklich zu begreifen, weshalb er mit Abstand der vielversprechendste Anwärter auf die «Check. Check»-Kultcharakter-Krone ist. Doris Golpashin hingegen fungiert als eine Art Regulativ, denn ihre Figur ist so ziemlich alles außer witzig. Gleichzeitig ist sie vor allem für Jan alias Klaas ein toller Sparringspartner – dass die beiden auch im realen Leben liiert sind, schadet in solchen Situationen sicher nicht.

Überhaupt Klaas: Seine Kritiker könnten dem Moderator von «Late Night Berlin» und „Gemeinsam-mit-Joko-gegen-alles-und-jeden-Antreter“ leicht vorwerfen, er spiele sich selbst – zumal er in seiner Eigenschaft als Produzent selbstredend mehr in den Entstehungsprozess involviert ist als ein einfacher Schauspieler. Tatsächlich ist Jan mit seiner sympathischen Schnodderigkeit und dem eher trockenen Humor recht nahe an der Bühnen-Persona, die Heufer-Umlaufs Publikum seit vielen Jahren kennt. Nun ist es allerdings so, dass eine Figur dieser Prägung eine ideale Ergänzung des Flughafen-Teams darstellt. Und überdies sollte man nicht vergessen, wie viele Medienschaffende, die keine gelernten Schauspieler sind, bei dem Versuch, in Filmen oder Serien zu glänzen, gnadenlos gescheitert sind. Denn in diesem entscheidenden Punkt unterscheidet sich Klaas von seinen „ausgebildeten“ Kollegen nicht: er trägt ebenfalls keinen Text vor, sondern unterhält sich, streitet oder flachst, ohne dass es auch nur im Ansatz aufgesetzt wirkt. Wem das immer noch nicht genügt, für den hat «Check. Check» etwas auf den ersten Blick Unerwartetes, auf den zweiten sich jedoch eigentlich wunderbar in das Gesamtkonstrukt Einfügendes zu bieten: Ernsthaftigkeit.

Zugegeben, auch bei Ralf Husmanns «Merz gegen Merz» leidet der Vater der von Annette Frier verkörperten Protagonistin an Demenz, aber a sind die betroffenen Charaktere so unterschiedlich, dass deren Geschichten einen deutlich anderen Verlauf nehmen und b ist es ein wichtiges Thema unserer Zeit, das es daher bestens „verträgt“, zweimal fiktional aufbereitet und dabei nicht ins Lächerliche gezogen zu werden. In der ProSieben-/Joyn-Produktion muss sich Udo Rothe irgendwann eingestehen, nicht mehr alleine zurechtzukommen. Wie Uwe Preuss diese Stimmungswechsel spielt und wie er uns allein durch Blicke oder den verzweifelten Klang seiner Stimme mitleiden lässt, ist schlicht ungemein sehenswert. Und in diesen zum Teil sehr emotionalen Vater-Sohn-Momenten versteht es Klaas Heufer-Umlauf eben auch, von ihm eher seltener zu sehende, ruhigere Töne anzuschlagen.

Insbesondere diese Wechsel zwischen lustig und berührend in Verbindung mit dieser skurrilen und gleichsam geerdeteten Truppe sind es, die diese Serie über einen winzigen Flughafen irgendwo im Nirgendwo nicht belanglos daherkommen lassen, sondern einem die Möglichkeit eröffnen, sich sozusagen auf eine unaufgeregt-originelle Weise unterhalten zu lassen – und das ist im Zeitalter der Reizüberflutung durchaus eine Leistung.

«Check. Check» steht ab dem 21. Oktober kostenlos auf Joyn zum Abruf bereit und die Ausstrahlung auf ProSieben ist für 2020 geplant.

Diese Besprechung entstand auf Grundlage der im Vorfeld von Senderseite zur Verfügung gestellten Episoden 1, 2, 4 und 5.


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Tom Baxter
19.10.2019 19:27 Uhr 1
Ich freu mich schon sehr auf "Check Check". "Jennifer – Sehnsucht nach was Besseres" - von den gleichen Macher*innen und auch mit Klaas - war schon unglaublich lustig und nah dran an Norddeutschland.

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