Filmfacts «Das perfekte Geheimnis»
- Regie: Bora Dagtekin
- Darsteller: Elyas M'Barek, Florian David Fitz, Jella Haase, Karoline Herfurth, Frederick Lau, Wotan Wilke Möhring, Jessica Schwarz
- Produktion: Lena Schömann, Bora Dagtekin
- Kamera: Moritz Anton
- Schnitt: Sabine Panek
- Musik: Egon Riedel
- Laufzeit: 118 Minuten
- FSK: ab 12 Jahren
Am Esstisch wird beschlossen, dass es für diesen Abend keine digitalen Geheimnisse gibt. Jede SMS, jeder Anruf, jedes empfangene Foto – alles wird mit der gesamten Gruppe geteilt. Das Übel ist unausweichlich: Es dauert nicht lange, und die ersten Verurteilungen werden ausgesprochen. Bald wird der Tonfall rauer. Aus Freunden werden Feinde, Beziehungen drohen zu zerbrechen …
Die «Fack Ju Göhte»-Trilogie war ein immenser Erfolg: Zumindest ihr Auftakt wurde (von ein paar energischen Gegenstimmen abgesehen) überraschend stark von der Kritik gefeiert und insgesamt lockte sie überaus stattliche 21,27 Millionen Menschen an die Kinokassen. In seinem neuen Film skizziert Regisseur und Autor Bora Dagtekin Smartphones als Erbringer und Zerstörer von Doppelidentitäten. Ein köstlicher Einfall, doch dieses Sprungbrett für feurige Streitgespräche wird nur auf ernüchternde Weise genutzt.
Zweifelsohne: Wer nicht schon mit Streitkomödien übersättigt ist, wird hier und da Freude daran haben, wie sich in «Das perfekte Geheimnis» Freunde und Liebenden die Köpfe einschlagen. Etwa, weil durch das "Sämtliche Kommunikation wird offengelegt"-Spiel ein Freund herausfindet, dass sich seine Kumpels ohne ihn zum Fußballspielen treffen. Und wie verzweifelt ein Ehemann zu vertuschen versucht, dass er täglich ein sehr freizügiges Foto erhält, mündet ebenso in ein paar Bonmots wie die wütenden Dialoge, die dadurch provoziert werden, dass eine der Frauen ihrem Freund bisher verheimlicht hat, dass sie weiterhin Kontakt zu ihrem Ex unterhält.
Für Filmfans, für die das alles neu ist, haben diese Dialoge genügend überraschende Eskalationen zu bieten, um zuweilen zu zünden. Zumal Dagtekin sich auf einen erprobten Cast verlassen kann: Karoline Herfurth, Elyas M’Barek, Florian David Fitz, Jella Haase, Frederick Lau, Jessica Schwarz und Wotan Wilke Möhring sind vor der Kamera nun einmal Vollprofis. Selbstredend verstehen sie es, die Pointen der gebotenen Dialogwitze zu treffen.
- © Constantin Film
Neue Nachrichten? Bianca (Jella Haase), Simon (Frederick Lau), Pepe (Florian David Fitz), Leo (Elyas M'Barek), Rocco (Wotan Wilke Möhring), Eva (Jessica Schwarz) und Carlotta (Karoline Herfurth) checken ihre Handys.
Bedauerlicherweise scheint Dagtekin sein Ensemble an der kurzen Leine zu halten: Allein Jella Haase verschmilzt durchweg mit ihrer Rolle, legt ihre naiv auftretende, dabei sehr wohl gewitzte Rolle mit einer freundlichen Quirligkeit an, die im heutigen deutschen Mainstreamkino nur sie dermaßen beherrscht. Doch Herfurth, M'Barek, Lau, Möhring und Schwarz sagen ihre Texte nur fähig, aber unbeseelt auf. Das scheint weniger ihr Verschulden zu sein als das der Regieführung: Obwohl die Gespräche hochkochen, lässt Dagtekin seine Figuren schön brav und geordnet miteinander sprechen. Damit wohnt dem Streitverlauf die selbe Mechanik inne wie der Kameraführung und der Schnittsetzung:
Der «Das perfekte Geheimnis»-Streit wird von einer bemüht-hippen Lichtsetzung begleitet und in einer bunten Farbpalette eingefangen. Die Kamera gleitet pflichtbewusst, doch ohne Feingespür dafür, wie sich die Pointen oder die unterschwelligen Dramen dieses Zanks betonen ließen, durch das moderne Großstadt-Loft der Gastgeber. Der Schnitt ist zügig, überbetont spitze Gags allerdings, so als wolle man sie dem Publikum ins Gesicht reiben. Und dann wäre da die aufgesetzte, tonal begriffsstutzige erzählerische Klammer, mit der Dagtekin die ausartende Dinnerparty umgibt. Es ist eine Sache, Pointen zu sehr zu wollen. Es ist aber eine viel schlimmere Sache, Mistkerle und heimtückische Damen als solche zu enttarnen und dabei stur jegliche zusätzliche Dimension dieser Erzählung auszubügeln.
Dagtekin glättet diesen filmischen Streit, feilt sämtliche Ecken und Kanten weg, und setzt auf eine tumbe Wohlfühlaussage – offenbar ohne zu erkennen, wie rückwärtsgewandt und verstaubt sie ist. «Das perfekte Geheimnis» will nicht dramatisch, satirisch oder bitter nachhallen – was vollkommen genehm wäre, würde es dafür feinfühliger mit seinen Streitthemen umgehen oder aber mehr und munteren Witz in seiner Grundidee finden.
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Fazit: Smartphones zerstören die Geheimnisse, die sie zuvor ermöglicht haben: «Das perfekte Geheimnis» nimmt eine tolle, aktuell um den Globus gehende Grundidee, und versemmelt sie mit Anlauf. Frei von tonaler Ambivalenz, lässt ein mechanisch inszenierender Dagtekin den Großteil seines Casts die Texte professionell, jedoch unbeseelt aufsagen, so dass ein Film entsteht, der kein Leben und keine Persönlichkeit aufweist, wohl aber ein verlogenes Pseudo-Kuschelende und einige behäbig fließende Zwistigkeiten zu bieten hat.
Da fragt man sich: Was ist trauriger – dass bei diesem Staraufgebot vor und hinter der Kamera allein Jella Haase und Florian David Fitz glänzen, oder die Tatsache, dass ein Gänsehaut erzeugender Fitz die beste Darbietung seiner bisherigen Karriere für diese steife Komödie hergibt, deren biederer Schluss allem widerspricht, wofür ihre sehr rar gesäten Glanzlichter stehen?
«Das perfekte Geheimnis» ist streambar.
Es gibt 24 Kommentare zum Artikel
28.10.2019 11:14 Uhr 1
28.10.2019 12:08 Uhr 2
Die Kritiken sind Ja alle mäßig, also wird es ein Film den wohl jeder mal gesehen hat, aber mehr auch nicht.
Und wenn das Ende wirklich so weichgewaschen ist, dann muss man sagen: Typisch. Eigentlich eine Geschichte wo es nicht überall ein Happy End geben muss. Und auch kein Film für den es ein Kino braucht. Eher klassisches Streaming- oder TV-Material.
28.10.2019 12:54 Uhr 3
Wieso wird dieser Fakt in einen separaten Artikel gepackt und hier in KEINEM einzigen Wort darauf eingegangen?
28.10.2019 12:58 Uhr 4
28.10.2019 13:45 Uhr 5
In Pressematerialien betont der Verleih, "Das perfekte Geheimnis" sei vom italienischen Film, der in vielen Ländern adaptiert wurde, lediglich inspiriert.
Was ich davon halte, kann man sich durch die Formulierung, Platzierung und Aufmachung der heute veröffentlichten Artikel zusammenreimen. Betrachte es als kleine Denksportaufgabe. Nicht etwa als mein Verfehlen.
Wie sage ich dir das nur, wie sage ich dir das nur? Ach, du knackst die Nuss sicher noch. Go, berlintyp, go!
28.10.2019 16:17 Uhr 6
Das Pressematerial ist heuchlerisch, was jeder weiß, der auch nur den italienischen oder französischen Film gesehen hat. Vor allem am französischen wurde sich EXTREM orientiert optisch; ja sogar Kostüme und Setting ist extrem ähnlich ...
von "Inspiriert" kann man daher auch nicht sprechen, wenn schon im Trailer alle Szenerien aus der französischen Version 1:1 übernommen wurden. In einer Kritik hätte man auf diesen Umstand durchaus mal eingehen können - bzw. müssen - alles andere ist für mich schlechter Journalismus.
28.10.2019 17:09 Uhr 7
Kein weiterer Kommentar
28.10.2019 17:32 Uhr 8
28.10.2019 17:43 Uhr 9
Ach, wie süß, dasselbe denke ich über dich. Richtig zum reinbeißen, wie launig du bist, bloß weil ich dich auf mangelnde Begriffsfähigkeit hinweise, die du in diesem Fall hinlegst.
Guter berlinertyp, wenn du nach den beiden Artikeln wirklich denkst, ich wäre uninformiert an "Das perfekte Geheimnis" heran gegangen und/oder würde irgendwas zu verschweigen versuchen, dann hast du entweder die Artikel nicht richtig gelesen, oder sie sind einfach nicht für dich gedacht. Ist ja auch nichts schlimmes dran. Die Einen bevorzugen wortwörtliche Kritiken, die Anderen mögen es, wenn mal aus gegebenem Anlass hier und da ein konzeptueller Ansatz gewählt wird. Aber schreib dann doch einfach, dass du die gewählte Herangehensweise nicht begrüßt, statt irgendetwas über meine Vorbereitung zu mutmaßen, das sich mit kurzem Nachdenken oder wenigen Sekunden Google aus der Welt schaffen lässt.
Aber im Gegensatz zu dir, der direkt schlampige Arbeit oder Dummheit unterstellt, gehe ich wenigstens mit Witz an die Sache heran. Falls du in der Weltsicht festhängst, dass Beschimpfungen, voreilige Schlüsse und Unterstellungen erwachsener sind als ein Augenzwinkern, dann bedauere ich das. Vielleicht geht das mal vorüber.
Bis dahin empfehle ich, über folgendes nachzudenken: Wieso sind zwei Artikel über drei Filme zeitgleich und mit sehr ähnlicher Illustration online gegangen, und wie sind die Texte ausformuliert? Wollte mir der Künstler damit vielleicht etwas sagen, respektive in meinem speziellen Fall mich womöglich in etwas bestätigen, das ich eh schon denke?
28.10.2019 18:09 Uhr 10
Wer mag und "Das perfekte Geheimnis" schon gesehen hat, darf hier gerne seine Meinung kundtun. Alles Weitere ist - wie gesagt - hinlänglich besprochen.