«Scary Stories to tell in the Dark»
- Start: 31. Oktober 2019
- Genre: Horror
- FSK: 16
- Laufzeit: 92 Min.
- Kamera: Roman Osin
- Musik: Marco Beltrami, Anna Drubich
- Buch: Dan Hageman, Kevin Hageman, Guillermo del Toro
- Regie: André Øvredal
- Darsteller: Zoe Margaret Colletti, Michael Garza, Gabriel Rush, Austin Abrams, Dean Norris
- OT: Scary Stories to tell in the Dark (USA/CAN/CHN 2019)
Das merkt man, denn «Scary Stories to Tell in the Dark» vereint nostalgischen Grusel mit modernen Genretrends und ist dadurch gleichermaßen richtig unterhaltsam wie atmosphärisch. Vor allem aber entlässt der Film seine Zuschauer am Ende mit einem positiven Gefühl aus den Kinosälen. Das ist man im aktuell vorwiegend auf Psychoterror setzenden Horrorkino ja gar nicht mehr gewohnt.
Halloween in den Sechzigerjahren
Eine Gruppe von Teenagern entdeckt in einem halbverfallenen Anwesen durch Zufall ein Buch der sagenumwobenen Sarah Bellows (Kathleen Pollard). Was die Kids nicht ahnen: Die fiese Schriftstellerin hatte das Buch einst verflucht, um sich bei ihren Eltern für ihre Gefangenschaft in diesem Gemäuer zu rächen. Die darin enthaltenden, in Blut geschriebenen Geschichten über totbringende Vogelscheuchen, den grauenerregenden Jingly Man oder Spinnen, die ihre Eier in den Köpfen von Menschen ablegen, ereignen sich wenig später in der Realität derjenigen, die das Buch lesen. Hätten Stella (Zoe Margaret Colletti) und ihre Freunde es doch nie in die Finger bekommen, denn nun müssen sie alles versuchen, um den Wälzer so schnell wie möglich loszuwerden. Doch das ist gar nicht so leicht, denn das Buch lässt sich nicht so einfach zerstören. Und nach und nach beginnen die „Scary Stories“, einen nach dem anderen von ihnen zu dezimieren…
Auch wenn es der Trailer (und ja so gesehen auch der Titel selbst) anders suggerieren könnten, ist «Scary Stories to tell in the Dark» keine reine Kurzgeschichtensammlung, in der sich eine verfilmte Urban Legend an die nächste reiht. Es gibt sehr wohl einen erzählerischen Überbau, der all die zum Leben erweckten Scary Stories umspannt. Den hätte es hier tatsächlich nur bedingt gebraucht – «Scary Stories to tell in the Dark» hätte als Anthologie sicher auch ganz hervorragend funktioniert. Durch die jetzt gewählte Struktur, in der die nacheinander aufgegriffenen Monster und Legenden immer noch wie Kapitel, oder besser: filmische Etappen, wirken, macht sich Regisseur André Øvredal einen Trend zunutze, der schon seit einiger Zeit das fantastische Film- und Seriengeschehen dominiert. Kinder und Jugendliche, die es gemeinsam gegen das Böse aufnehmen müssen, erfreuen sich sowohl im Film («Es», «Gänsehaut»), als auch in TV-Shows («Stranger Things») großer Beliebtheit. Und indem André Øvredal die Geschichte Ende der Sechzigerjahre ansiedelt, sorgt er außerdem für dieses schaurig schöne Nostalgieflair, nach dem es den Zuschauer aktuell offenbar so sehnt.
Diese Fokussierung auf bestimmte Dekaden wundert nicht: Die Kinder sind hier noch ohne Smartphones und Internet unterwegs, als Fortbewegungsmittel dienen Fahrräder – heutzutage hätten die Kids aus «Scary Stories» sicher erst einmal gegoogelt, was sie gegen ihre übermächtigen Gegner wie Vogelscheuchen unternehmen sollen; vermutlich ganz schön öde.
Geister, Monster und ein fieses Gruselbuch
Wie man es von Guillermo del Toro gewohnt ist, ist das Ganze obendrein auch noch richtig gut getrickst und sieht dank der atmosphärischen Kameraarbeit von Roman Osin («Stolz und Vorurteil») äußerst hochwertig aus. Durch die einzelnen, kurzfilmartig aufgegriffenen Horrorstationen ist «Scary Stories to tell in the Dark» optisch wunderbar abwechslungsreich. Ein Abschnitt, in dem es eines der Kids mit einem sich ganz langsam auf seine Opfer zu bewegenen Ungetüm zu tun bekommt, spielt sich einzig und allein in den in grellem Rot ausgeleuchteten Gängen eines Krankenhauses ab. Eine zu Fuß stattfindende Verfolgungsjagd in einem Kornfeld dagegen setzt auf einen dunklen Look und die Unübersichtlichkeit zwischen den riesigen Getreidehalmen.
- © Entertainment One
Darüber hinaus setzen die Macher nur in Maßen auf Computertrick; egal ob hier eine wandelnde Leiche ihren verlorenen Zeh sucht oder der sogenannte Jingly Man – ein Wesen, dessen Gliedmaßen vollkommen willkürlich über den gesamten Körper verteilt sind – die Jagd auf die Teens eröffnet: In der Konfrontation zwischen den Freunden und ihren unzähligen Widersachern ist die Gefahr jederzeit greifbar. Lediglich die urbane Legende rund um eine Spinne, die in der Wange einer jungen Frau ihre Eier abgelegt hat, fällt tricktechnisch ab – was nicht bedeutet, dass das Gezeigte dadurch nicht weniger schmerzhaft wäre.
Leider erweist sich ausgerechnet die Rahmenhandlung rund um die grausige Hintergrundgeschichte der Buchautorin Sarah Bellows als schwächster Teil von «Scary Stories to Tell in the Dark». Die Auflösung dieser Legende gerät aufgrund von fehlendem emotionalem Punch und dadurch, dass sie zuvor immer nur sehr peripher zurate gezogen wurde nur mäßig spannend und wirkt gerade durch die aller letzte Szene so, als wolle man sich hier lediglich die Tür zu einer Fortsetzung offenhalten. Ehrliches Interesse am Verbleib der Sarah Bellows bringen die Macher, aber auch die allesamt sehr solide von Newcomern verkörperten Hauptfiguren im Zusammenhang mit diesem Subplot nie auf; da ist es schwer, die Begeisterung dafür trotzdem aufs Publikum zu übertragen. Wesentlich besser gefallen da die einzelnen Gruselgeschichten selbst. André Øvredal bediente sich bei der Auswahl derselben an Kapiteln aus allen drei «Scary Stories»-Bänden. Im Moment ihres Auftretens sorgen all die finsteren Figuren für jede Menge Gänsehaut.
Wie sie die beim Publikum schüren, wissen die Verantwortlichen durch vereinzelte Jumpscares, die ästhetische Kameraarbeit und den bisweilen etwas zu aufdringlichen, aber dadurch nun mal auch sehr ergiebigen Score (Marco Beltrami, Anna Drubich) sehr gut. Das Bemerkenswerte an «Scary Stories to Tell in the Dark» ist aber vor allem, dass man sich nach dem Kinobesuch gut fühlt. Denn der Regisseur und sein Produzent wollen mit ihrem Film vor allem Spaß bereiten. Und das ist ihnen gelungen, indem sie nicht den emotionalen Terror dieser Ereignisse in den Mittelpunkt des Geschehens rücken, sondern sie das Abenteuer der Kids auf Augenhöhe verfolgen, die über die Geschehnisse eben noch mehr zusammenhalten und über sich hinauswachsen, als ohnehin schon. Fast so ein wenig wie in «Gänsehaut» – nur eben für Erwachsene.
Fazit
Gruselig im Moment, aber nicht bis zuletzt verstörend – «Scary Stories to tell in the Dark» ist angenehm nostalgischer Grusel mit größtenteils sehr gelungenen handgemachten Effekten und einem tollen Creaturedesign, dem lediglich der lahme erzählerische Überbau zwischen den einzelnen Horror-Kurzepisoden ein wenig an Wumms raubt.
«Scary Stories to tell in the Dark» ist ab dem 31. Oktober in den deutschen Kinos zu sehen.
Schreibe den ersten Kommentar zum Artikel