Weil sich Medien, Macher und Mediaplaner in den zurückliegenden Jahren immer sehr auf die letztliche Quote, von der es zu jeder Zeit 100 Prozent zu verteilen gibt, konzentriert haben, ist vermutlich etwas aus dem Auge geraten, dass 100 Prozent Quote immer weniger Reichweite entspricht.
Bitterer Rückgang der Reichweiten
«The Voice»
- Staffel: 2,96 Mio. (24,3%)
- Staffel: 2,71 Mio. (23,0%)
- Staffel: 2,29 Mio. (20,5%)
- Staffel: 2,17 Mio. (20,3%)
- Staffel: 1,97 Mio. (18,8%)
- Staffel: 2,19 Mio. (19,2%)
- Staffel: 2,09 Mio. (20,1%)
- Staffel: 1,62 Mio. (16,6%)
- Staffel: 1,46 Mio. (16,7%)
14- bis 49-Jährige
Das heißt: Die Quote, die damals rund zweieinhalb Prozentpunkte höher war, fiel um 15 Prozent besser aus, während die Reichweite damals noch um satte 50 Prozent besser war. Ebenfalls von ProSieben kommt ein anderes Beispiel. Die amerikanische Arzt-Serie «Grey’s Anatomy», seit vielen Jahren eines der Zugpferde des Serienmittwochs. Die 2019 im Sommer gezeigte Staffel kam im Schnitt auf elf Prozent Marktanteil bei den Jungen – und war somit ein Erfolg für ProSieben.
Wirklich? 0,87 Millionen junge Menschen sahen das Format aus der Schmiede von Shonda Rhimes. Im Sommer 2017, die Staffel holte damals ähnliche 10,7 Prozent, waren das noch 1,05 Millionen Zuseher zwischen 14 und 49 Jahren. 2016 entsprachen 1,11 Millionen 10,6 Prozent Marktanteil. 2011, also vor acht Jahren, kam die Serie ebenfalls im Frühjahr und Sommer bei ProSieben noch auf rund 1,5 Millionen junge Zuschauer.
Rückblickend: Vom Flop zum Erfolg?
«Die Höhle der Löwen»
- Staffel: 1,16 Mio. (10,5%)
- Staffel: 1,23 Mio. (11,8%)
- Staffel: 1,84 Mio. (18,2%)
- Staffel: 1,74 Mio. (17,9%)
- Staffel: 1,66 Mio. (18,5%)
- Staffel: 1,46 Mio. (17,0%)
14- bis 49-Jährige
Das Problem des massiven Zuschauerschwunds bei den Jungen betrifft bei Weitem nicht nur ProSiebenSat.1: Der VOX-Hit «Die Höhle der Löwen» hatte 2016 im Schnitt noch über 1,8 Millionen junge Menschen erreicht, in diesem Jahr fiel die Gründer-Show auf weniger als 1,5 Millionen. Die tägliche RTL-Serie «Gute Zeiten, schlechte Zeiten» holte 2014 Werte von knapp 1,6 Millionen Zuschauern zwischen 14 und 49 Jahren. Heute sind bei der linearen Ausstrahlung der Daily knapp 1,4 Millionen dabei. Die Fangemeinde an sich ist vermutlich nicht geschrumpft, sie guckt mutmaßlich On Demand: «GZSZ» ist eines der Zugpferde bei TVNow. Den Premium-Dienst kann man für bis zu 4,99 Euro pro Monat haben. Geht man davon aus, dass im Schnitt 22 Folgen von «GZSZ» pro Monat laufen, zahlt man pro Episode knapp 23 Cent. Das ist für RTL nicht viel Geld. TV Now legt kontinuierlich an Abonnenten hinzu, genaue Zahlen gibt es nicht. Nach RTL-Angaben stieg die Nutzung der Inhalte binnen eines Jahres zuletzt um rund ein Viertel. ProSiebenSat.1 will nachziehen und im Winter seine kostenpflichte Premium-Variante von Joyn starten. Für das Bezahlangebot stehen exklusive Serien bereit.
Vergleich nach Jahren
«Fear Factor»
Die RTL-Show «Fear Factor» erreichte im April und Mai 2004 1,83 Millionen Zuschauer. Heute ein Top-Wert, damals kam man mit 1,24 Umworbenen auf zehn Prozent Marktanteil.Aber auch für «DSDS» gilt: Musste man 2015 noch über zwei Millionen junge Menschen zum Einschalten bewegen, um knapp über der 20-Prozent-Marke zu liegen, so reichen inzwischen 1,8 Millionen für mehr als 22 Prozent.
«Rent a Pocher»
Die fünfte Staffel von «Rent a Pocher», die zwischen 2005 und 2016 am späten Donnerstag (Die Startzeiten variierten zwischen 22.20 Uhr und 00.05 Uhr) ausgestrahlt wurde, kam auf 0,72 Millionen junge Zuschauer. «Navy CIS» erreicht heute bei Sat.1 ähnlich viele junge Zuschauer - um 20.15 Uhr!2015 war es – wieder am 5. Januar – Stefan Raabs «TV total», das nach 23 Uhr die höchste Reichweite generierte: 1,05 Millionen Menschen schauten zu. Wir erinnern uns: 1,05 Millionen, das ist der Wert, den die jungen Ärzte bei ProSieben heute in der Primetime auf’s Papier bringen. 2016 siegte bei RTL eine «CSI: Miami»-Wiederholung mit knapp mehr als einer Million Zuschauern der Zielgruppe nach 23 Uhr. 2017 war es ein «James Bond»-Streifen im ZDF, der die höchste Reichweite generierte. Rund eine halbe Million Umworbene schauten zu. 2018 siegte Sat.1 mit den «Knallerfrauen», die auf rund 0,56 Millionen junge Zuschauer kamen. 2019 riss das ungewohnt erfolgreiche «Take Me Out», dessen Leistung angesichts 1,20 Millionen junger Zuschauer um kurz vor Mitternacht kaum höher zu bewerten sein könnte, einiges heraus – Platz zwei ging aber schon an ein Football-Spiel, das etwas mehr als eine halbe Million Zuschauer hatte.
Ein ähnlicher Trend ist übrigens nicht nur im Winter erkennbar. Ende August gewann zuletzt meist «Promi Big Brother» mit überwiegend weniger als einer Million jungen Zuschauern. 2011 etwa holten Wiederholungen von «CSI» bis zu 1,4 Millionen junge Menschen am späten Abend.
Ein Blick auf den Nachmittag
Vergleich YouTube
Das funk-Angebot «Walulis» erreicht in weniger als 24 Stunden rund 0,20 Millionen Aufrufe und erreicht somit so viel Aufmerksamkeit wie der RTL-Nachmittag bei den 14- bis 49-Jährigen.Auch hier wenig überraschend: Frühere Nachmittags-Formate, die heute schon wieder in Vergessenheit geraten sind, etwa «Das Geständnis» mit Ex-«Big Brother»-Teilnehmerin Alida, erreichten im Schnitt 500.000 Zuschauer bei den Jungen, der tägliche RTL-Action-Versuch «112» kam auf 0,58 Millionen. Die 17-Uhr-Serie galt vor rund zehn Jahren somit als Flop. Heute liegt die Crimenovela «Hand auf’s Herz» bei der Hälfte. ProSiebens authentische Soap «Freunde» lag Anfang des Jahrtausends mit knapp 0,50 Millionen Zuschauern übrigens noch weit unter dem Senderschnitt, bei damals wenig erfreulichen 9,7 Prozent.
Das Fernsehen hat sich für die junge Zielgruppe klar uninteressanter gemacht und ist noch auf der Suche nach Waffen gegen neue Medien wie Insta, Twitter und YouTube. Populäre Influencer kommen binnen weniger Tage auf Klickzahlen von über einer Million – und haben somit nicht selten bessere Reichweiten als klassische TV-Ausstrahlungen. Kein Wunder, dass sowohl die RTL-, als auch die ProSiebenSat.1-Gruppe ihre Zukunft (auch/vor allem) im Digitalen sehen.
Es gibt 26 Kommentare zum Artikel
11.11.2019 10:48 Uhr 1
könnte es nicht auch sein, dass der demografische Wandel mit hineinspielt? Es könnte doch auch sein, dass die Menge der Menschen in der Zielgruppe (14-49) kleiner geworden ist?
MfG
11.11.2019 12:44 Uhr 2
11.11.2019 13:24 Uhr 3
Für die Grundthematik ändert er zudem nichts. Die Privatsender verdienen ihr Geld, in dem sie eine werberelevante Zielgruppe erreichen. Wenn diese Gruppe kleiner wird, weil sie verschwindet, lieber Netflix schaut oder bei YouTube abhängt, ist das für Sendergruppen problematisch.
11.11.2019 13:36 Uhr 4
11.11.2019 15:25 Uhr 5
Alleine verantwortlich wäre der demografische Wandel mE natürlich auch nicht, eher ein Baustein von vielen die zu dieser Entwicklung der absoluten Zahlen beitragen (14-49 Jährige im Jahr 2000: 41,2 Mio // 2010: 38,3 // 2019: 35,4 Mio. ). Da hier eben von den absoluten Zahlen geschrieben wurde war mir ein kleiner Hinweis auf die über 10% kleinere Zielgruppe schon wichtig.
Im Kern schließe ich mich Ihnen durchaus an und sehe den Einfluss von Google und Facebook, in der Kombination an verschiedenen Faktoren, als groß an. Eine insgesamt kleinere Zielgruppe die sich, wie Sie bereits festgestellt haben, noch dazu anders verhält.
Auch ich fände eine alles umfassende Metrik zum Vergleich der "Sender" (inkl. Streaming etc) sehr interessant. Mal schaun wann und ob die AGF das packt... und die klassischen TV Sender das ausgleichen können.
MfG
11.11.2019 17:42 Uhr 6
Mein Problem 2x pro Woche. 2x über 3-4 Stunden. Viel zu lang.
Gefühlt jeder 2. Song fast 9min Werbung.
Typische ProSiebenSat.1 Krankheit.
Und TV Quoten. Wer weiß was bei Joyn und über die Websites bzw. YouTube gestreamt und abgerufen werden. Diese Werte fließen ja nie ein.
Ansonsten ich schau keine Shows bei der Sendergruppe an. Da Überlänge von mehr als 2 Stunden und viel zu viel Werbung.
RTL ist da bzgl. Werbung besser dran. Da läuft weniger. Aber ein Nija Warrior Germany wird auch nur noch im Spulvorgang durchgeschaut. Einfach viel zu lang.
Und was hat sich denn linear geändert. Früher hatte man ein RTL, VOX, Super RTL. Heute gibts ein NITRO, RTLplus, VOXup und bei der Konkurrenz kam mit MAXX, sixx, Sat.1 Gold auch mehr eigene Konkurrenz hinzu. Auch kleine Prozentwerte läppern sich öfters am Tag auf über 10% zusammen, welche früher die 5 großen noch intus hatte.
Und Schwupps werden aus 16% schnell mal die von damals 18-19% MA.
11.11.2019 19:05 Uhr 7
Ich nutze Pay-TV, Streamingdienste und die Öffis.
11.11.2019 19:58 Uhr 8
Ist bei mir ähnlich: Private gucke ich fast nur noch Pro 7 mit den Filmen am WE, Sat 1 nur noch die Ami Serien an den D-Tagen...RTL fast gar nicht mehr, dafür weiterhin Filme bei den Öffis, sehr viele Serien auf zdf_neo und ZDF, sehr viel Amazon und Netflix.
11.11.2019 20:56 Uhr 9
Und es wird bestimmt nicht besser, weswegen viele zu Streaming-Dienste wandern.
11.11.2019 22:12 Uhr 10