Die Kino-Kritiker

«Last Christmas»: Emilia Clarke, ganz herzlich und lustig

von

«Nur ein kleiner Gefallen»-Regisseur Paul Feig inszeniert mit «Last Christmas» einen angenehm-süßlichen, schönen Weihnachtsspaß.

Filmfacts «Last Christmas»

  • Regie: Paul Feig
  • Produktion: Erik Baiers, Jessie Henderson, David Livingstone, Emma Thompson
  • Drehbuch: Emma Thompson, Bryony Kimmings
  • Story: Emma Thompson, Greg Wise
  • Cast: Emilia Clarke, Henry Golding, Michelle Yeoh, Emma Thompson
  • Musik: Theodore Shapiro
  • Kamera: John Schwartzman
  • Schnitt: Brent White
  • Laufzeit: 103 Minuten
  • FSK: ohne Altersbeschränkung
Manche Filmideen entspringen ganz beiläufig: Als Filmproduzent David Livingstone und Schauspielerin/Drehbuchautorin Emma Thompson in einem Plausch darauf aufmerksam wurden, dass sie beide den Wham!-Song "Last Christmas" lieben, kam der Gedanke auf, sich vom Lied zu einem Film inspirieren zu lassen. Thompson holte sich im Frühjahr 2013 George Michaels Einwilligung zu diesem Projekt und erhielt von ihm auch eine Wunschliste an Elementen, die der Film beachten sollte. So wollte Michael, dass der Film auf das Leid Obdachloser eingeht – also arbeitet eine Figur als freiwilliger Helfer in einer Obdachlosenunterkunft, ganz so wie George Michael es tat.

Im Mittelpunkt des Films steht aber eine junge Frau namens Kate (Emilia Clarke), deren Leben derzeit das reinste Chaos ist: Sie wurde aus ihrer WG geschmissen, hat ein ungeheuerlich schlechtes Händchen bei der Wahl ihrer Bettgeschichten, steht auf Kriegsfuß mit ihren Eltern, sie ignoriert ihre Schwester weitestgehend, weil sie sie dauernd daran erinnert, wie genervt ihre Eltern von ihrer ablehnenden Art sind, und sie hasst ihren Job als Verkäuferin in einem Weihnachtsdekoladen, geführt von der strengen Santa (Michelle Yeoh). Und jetzt sucht auch noch ein komischer Kerl namens Tom (Henry Golding) ihre Nähe, der ihr andauernd mit einem verschmitzten Grinsen Alltagsweisheiten und Londoner Geheimtipps verrät …

Der Zusammenhang zum Wham!-Dauerrenner, der jedes Jahr die Radiocharts heimsucht, sobald die Temperaturen zu fallen beginnen, zeigt sich in «Last Christmas» lediglich sukzessive – es ist also nicht so, als würde der Film schlicht die im Song besungene Geschichte einer enttäuschend verlaufenen Romanze nacherzählen. Den George-Michael-Zusammenhang erarbeitet sich «Last Christmas» aber umso mehr in seiner Songauswahl: Der Soundtrack ist bespickt mit George-Michael-Stücken, von großen Hits bis hin zu Geheimtipps und sogar einem bislang unveröffentlichtem Stück im Abspann. «Brautalarm»- und «Ghostbusters – Answer the Call»-Regisseur Paul Feig klatscht seinen Film aber nicht wahllos mit George-Michael-Nummern voll, sondern sucht sie sich sorgsam aus: Sehr häufig kommentieren die Liedtexte das Geschehen oder wenigstens das Befinden der Figuren.

Diese Songauswahl wird inhaltlich beiläufig damit begründet, dass Kate riesiger George-Michael-Fan ist – und diese frühe Szene, in der das erklärt wird, bestimmt effektiv sowie charmant, wie «Last Christmas» filmisch operiert: Clarkes Figur sagt einem Pub-Flirt, dass sie George Michael verehrt, nicht zuletzt, weil sie viel gemeinsam hätten. Sie würden ja beide singen und sie beide würde völlig zu unrecht verkennen … Während Kate dies über die Lippen bringt (kieksend, mit Bemühungen, dennoch ernst zu klingen), funkeln Clarkes Augen, ihre Augenbrauen legen sich in sanfte Lachfalten und ihr Mund verzieht sich in ein halb-beschämtes Grinsen, was Feig im Halbprofil einfängt. Es ist eine kurze, doch sehr goldige Szene, in der Kates Persönlichkeit intuitiv greifbar wird und Clarke auf sogleich mehreren Ebenen scherzt:



Sie spielt eine Figur, die in diesem Augenblick flirtend übertreibt, aber schon ein bisschen dahinter steht, was sie so sagt, und daher über ihre eigene Unbescheidenheit lachen muss – und sie selbst wurde als Schauspielerin wiederholt unterschätzt, würde das als quirlig-bescheidenes Naturell allerdings niemals mit starrer Miene von sich selber behaupten, womit ihr irritiertes Lächeln während dieses Satzes noch amüsanter und charismatischer wird.

Ein Großteil von «Last Christmas» setzt auf exakt diese Charmeoffensive: Feig nutzt Clarkes sehr natürlich-wuseliges komödiantisches Talent und lässt ihm freien Lauf, genauso sehr setzt er auf Henry Goldings warme, freundliche Ausstrahlung und sein verspielt-höfliches Lächeln. Denn so lässt sich Toms teils rätselhaftes Verhalten (Kate attestiert seinem Gehabe etwas serienkillerhaftes – während sie ihm treudoof überallhin folgt) mit Flitter in den Augen als bezirzend durchwinken. Das winterliche London fangen Feig und Kameramann John Schwartzman («Life of Pi – Schiffbruch mit Tiger») in verträumten Bildern mit großer Tiefenschärfe ein (selbst, wenn die unschöneren Seiten Londons im Fokus stehen), und die Nachtszenen sind dank der weihnachtlichen Dekoration und Beleuchtung besonders bezaubernd.

Dank Michelle Yeohs schroffem, trotzdem sympathischem Humor wirkt selbst Santas überfüllter Weihnachtskitschladen einladend, statt etwa überfrachtet. Ebenso verleiht Emma Thompson ihrer Nebenrolle als Kates dauernd meckernde, überfürsorgliche oder überdramatische Mutter (andere Verhaltensweisen scheint sie nicht zu kennen) durch ihre Stimmfarbe eine raue Herzlichkeit. Doch: Die peppigen Dialogspäße sind nicht so dicht gesät, wie man es sich vielleicht bei diesem launigen Cast und angesichts des flotten Filmeinstiegs ausmalen würde, und es braucht Zeit, bis sich zwischen den ganzen kurzweiligen Vignetten ein klarer Handlungsfaden abzeichnet. Und der macht sich sehr davon abhängig, wie die Charmeoffensive des Films ankommt.

Denn «Last Christmas» hält bewusst Vorwissen über zentrale Figuren zurück, um es im späteren Filmverlauf dafür zu nutzen, die Perspektive, die wir auf die Figuren einnehmen, zu verändern. Dass dies sehr spät gerät und dramatisch unterstrichen wird, macht dies wahlweise zu einem klobigen Twist oder, wenn man sich von «Last Christmas» um den Finger wickeln ließ, zu einer etwas kitschigen, aber weihnachtlich-herzigen Überraschung, die man allerdings etwas galanter hätte verpacken können.

Mit seinem liebenswerten (und lebensnah durchgemischten) Cast und einem seiner Inspiration gerecht werdenden Tonfall irgendwo zwischen "etwas drüber" und "Glühwein, Weihnachtsdeko, lasst uns Grinsen und Umarmen" ist «Last Christmas» trotzdem (oder womöglich sogar gerade deshalb) ein guter Kandidat dafür, eine jährliche Tradition vieler Filmfans zu werden. Denn so freundlich und zugleich so ehrlich hat schon lange kein Weihnachtsfilm mehr große und kleine Alltagssorgen unter eine funkelnde Elfenmütze gebracht.

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