Die Kino-Kritiker

«Official Secrets» - Die Geschichte einer echten Whistleblowerin

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Vor 16 Jahren entschied sich die Geheimdienstmitarbeiterin Katherine Gun, im Sinne ihres Volkes zur Whistleblowerin zu werden und geheime Interna an die Öffentlichkeit zu bringen. Unter dem Titel «Official Secrets» hat Gavin Hood diese Geschichte nun verfilmt.

Filmfacts: «Official Secrets»

  • Start: 21. November 2019
  • Genre: Drama/Thriller
  • FSK: 12
  • Laufzeit: 123 Min.
  • Kamera: Florian Hoffmeister
  • Musik: Paul Hepker, Mark Kilian
  • Buch: Gregory Bernstein, Sara Bernstein, Gavin Hood
  • Regie: Gavin Hood
  • Darsteller: Keira Knightley, Matt Smith, Ralph Fiennes, Matthew Goode, Rhys Ifans, Katherine Kelly, Indira Varma, Conleth Hill
  • OT: Official Secrets (UK/USA 2019)
Der sogenannte Official Secrets Act ist ein unter anderem in Großbritannien angewandter Gesetzestext, der den Schutz von Staatsgeheimnissen sicherstellen und dadurch die nationale Sicherheit gewährleisten soll. Regisseur Gavin Hood («Ender’s Game – Das große Spiel») benannte seine nunmehr achte Regiearbeit nach ebenjenem Terminus, denn er erzählt in seinem auf wahren Ereignissen basierendem Thrillerdrama von der mutigen jungen Frau und Geheimdienst-Mitarbeiterin Katherine Gun, die sich vor genau 16 Jahren über ebenjenen Official Secrets Act hinwegsetzte und im Sinne des britischen Volkes Informationen darüber an die Öffentlichkeit brachte, dass der NSA mit unlauteren Methoden den Ausbruch des Irakkrieges beschleunigen wollte. In den Augen ihres Arbeitgebers wurde Gun durch diesen Akt zur Verräterin des Government Communications Headquarters (GCHQ). Nachdem sie sich wenig später vor Gericht für ihre Tat verantworten musste, wurde sie vom Volk jedoch vorwiegend als aufopferungsvolle Heldin wahrgenommen.

Marcia und Thomas Mitchell schilderten den Fall 2006 in ihrem Buch «The Spy Who Tried to Stop a War: Katharine Gun and the Secret Plot to Sanction the Iraq Invasion». Nun hat der auch für das Drehbuch verantwortliche Gavin Hood die Ereignisse aus zwei verschiedenen Perspektiven verfilmt; einmal aus der Sicht von Katherine Wood selbst und einmal aus der des „Observer“-Journalisten Martin Bright, der damals in den Besitz des skandalumwitterten Memos gelang.



Großbritannien im Jahr 2003


Katharine Gun (Keira Knightley), Übersetzerin beim britischen Nachrichtendienst GCHQ, erhält ein streng geheimes Memo. Darin fordert der US-Geheimdienst NSA die britischen Kollegen auf, einige Mitgliedsstaaten des UN-Sicherheitsrats auszuspionieren. Der perfide Plan: belastendes Material zu sammeln, um eine Zustimmung zur UN-Resolution für den Irakkrieg zu erpressen. Katharine gerät in einen moralischen Zwiespalt, entscheidet sich aber, das Dokument zu leaken. Die brisanten Informationen werden schließlich von Journalist Martin Bright (Matt Smith) im „Observer“ veröffentlicht – ein Coup! Sofort beginnt bei GCHQ die fieberhafte Jagd nach dem Whistleblower. Als Katharine erlebt, wie ihre Kollegen unter immer größerem Druck verhört werden, gesteht sie. Sie wird verhaftet und angeklagt, gegen den „Official Secrets Act“ verstoßen zu haben, ihrem kurdischen Ehemann Yasar (Adam Bakri) droht die sofortige Abschiebung. Katharines letzte Hoffnung: Menschenrechtsanwalt Ben Emmerson (Ralph Fiennes), mit dessen Hilfe sie ihre Verteidigung vorbereitet. Ein Wettlauf gegen die Zeit beginnt…

Wenn wir Katherine Gun das erste Mal vor den hier erzählten Ereignissen sehen, sitzt sie gemeinsam mit ihrem Ehemann Yasar auf ihrer Couch und schimpft über die Aussagen großer US-amerikanischer Politiker im Fernsehen. Spätestens als aus ihrem Munde der Satz fällt, dass man selbst als hochrangiger Staatsangestellter nicht einfach Dinge sagen und dadurch automatisch zu Fakten machen könne, eröffnet sich einem sogleich eine Parallele zu aktuellen politischen Diskursen, zu Fake-News und Co. Doch auch wenn es seit 2003 mehrere Whistleblower zu bisweilen deutlich höherer Bekanntheit gebracht haben als Katherine Gun und das Thema seither an Brisanz und Aktualität gewonnen hat, so ist «Official Secrets» doch ganz klar ein Film seiner Zeit. Gavin Hood und seinen Co-Autoren Sara («Just Like Him») und Gregory Bernstein («One Day in Dallas») zeigen die Geschichte rund um Katherine Gun als Veranschaulichung eines Einzelschicksals, das durch den frühen Fokus auf die Hauptfigur als Person (und eben nicht nur als Whistleblowerin) an Emotionalität gewinnt. Was macht die Entdeckung der Geheimdienst-Nachricht mit ihr? Wie geht sie mit diesem emotionalen Zwiespalt um? Und wie wägt sie dadurch die eventuellen Folgen für ihr Handeln mit dem Status Quo ab, wo doch auch ihr von Abschiebung bedrohter Ehemann plötzlich ins Visier der Ermittlungen geraten könnte?

Indem «Official Secrets» insbesondere auch in der zweiten Hälfte den Menschen Katherine Gun zum erzählerischen Mittelpunkt erklärt, ist der Film mehr noch als ein Spionage- und Journalistenthriller ein packendes Charakterdrama, das von einer ihre in sich gekehrte Rolle mit viel Stärke verkörpernden Keira Knightley («Der Nussknacker und die vier Reiche») bravourös getragen wird.

Dieselbe Geschichte aus zwei Perspektiven


Die zweite Erzählperspektive nimmt der Journalist Martin Bright ein. Sein Interesse für das Geheimdienst-Memo sowie die damit einhergehenden Recherchearbeiten sorgen in dem ansonsten sehr dialoglastigen und ruhigen Drama für die notwendige Spannung; und stellenweise sogar für überraschend viel Humor, etwa wenn der „Observer“ plötzlich ins Kreuzfeuer medialer Berichterstattung gerät, weil eine Mitarbeiterin das Schriftstück zu übereifrig durch die Rechtschreibkorrektur gejagt hat. Die Veranschaulichung, wie hier die politischen und journalistischen Zahnräder ineinander greifen, erinnert bisweilen an den ebenfalls vor Kurzem in den Kinos erschienenen «The Report»; auch in «Official Secrets» ist an die Veröffentlichung eines einzelnen Schriftstücks die allgemeine Wahrnehmung verschiedener Staatsämter geknüpft.

«Dr. Who»-Star Matt Smith spielt den ehrgeizigen Reporter als zunächst noch recht unbedarften Idealisten, der erst mit der Zeit realisiert, worauf er hier von außen aufmerksam gemacht wurde. Seine und die Versuche seiner Kollegen, über mal legale, manchmal recht zwielichtige Wege, in Kontakt mit dem Geheimdienst zu treten, sind durchaus unterhaltsam, ohne dem Film dabei seine tonale Tiefe zu rauben. Am Ende geht es hier eben doch vorwiegend um ein drohendes Verbrechen an der Menschheit, woran Gavin Hood nie einen Zweifel lässt.

Völlig frei von Schwächen ist «Official Secrets» trotzdem nicht. Der Grund dafür liegt in erster Linie in der zweiten Hälfte, denn obwohl der Film mit einer Szene vor Gericht beginnt und damit von Anfang an klar ist, dass sich Katherine Gun dort ihrer Tat stellen muss, sorgt ihr sehr früh im Film stattfindendes Schuldeingeständnis dafür, dass «Official Secrets» seinen dramaturgischen Höhepunkt eben auch bereits an dieser Stelle erreicht. Wenngleich der Fokus ab diesem Moment umso näher an sie und vor allem die Konsequenzen ihrer Tat heranreicht, hat Gavin Wood damit längst den Druck aus dem Kessel genommen. Die darauffolgenden Gespräche zwischen Katherine Gun und ihrem Anwalt sind schon nicht mehr halb so spannend wie den zuvor sezierten Gewissensbissen der jungen Whistleblowerin. Und selbst der Miteinbezug ihres Ehemannes wirkt da eher wie der Versuch, der eher langweiligen letzten halben Stunde nochmal ein wenig mehr Biss und dramaturgische Fallhöhe zu verleihen.

Nun lässt sich einem echten Schicksal natürlich nur schlecht ein Strick daraus drehen, dass es nicht ganz so spannend verlaufen ist, wie es eine fiktionale Hollywood-Geschichte wohl tun würde. Doch immerhin die Vorschau auf die anstehende Gerichtsverhandlung hätte man sich sparen können. Denn so würde vielleicht auch der nächtliche Anruf, in dem Katherine vermeintlich überraschend mit ihrer baldigen Anhörung konfrontiert wird, tatsächlich überraschend wirken.

Fazit


«Official Secrets» beginnt als richtig stark gespieltes und inszeniertes Thrillerdrama über eine junge Whistleblowerin und die Konsequenzen ihres Handelns für Politik und Journalismus. Leider kann Regisseur Gavin Wood die vor allem durch die messerscharfen Dialoge angetriebene Spannung der ersten Stunde nicht ganz bis zum Schluss aufrechterhalten, da er den Ausgang des Films selbst in der ersten Szene verrät.

«Official Secrets» ist ab dem 21. November in ausgewählten deutschen Kinos zu sehen.

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