Filmfacts «Hustlers»
- Regie und Drehbuch: Lorene Scafaria
- Basierend auf dem Artikel "The Hustlers at Scores" von Jessica Pressler
- Produktion: Jessica Elbaum, Will Ferrell, Adam McKay, Elaine Goldsmith-Thomas, Jennifer Lopez
- Cast: Constance Wu, Jennifer Lopez, Julia Stiles, Keke Palmer, Lili Reinhart, Lizzo, Cardi B
- Kamera: Todd Banhazl
- Schnitt: Kayla Emter
- Laufzeit: 110 Minuten
- FSK: ab 12 Jahren
Schon seine 2010 veröffentlichte Polizeikomödie «Die etwas anderen Cops» verteilte Seitenhiebe auf Wirtschaftskriminalität und Schummeleien in der Hochfinanz, fünf Jahre später erhielt sein temporeiches Wall-Street-Satiredrama «The Big Short» massives Kritikerlob und gewann einige prestigeträchtige Filmpreise. «Hustlers» behandelt das in «The Big Short» beleuchtete Zerplatzen der Finanzblase 2008 nun aus einer überraschenden Perspektive:

Der emotionale Stützpfeiler von «Hustlers» ist nämlich die ausdifferenzierte Darstellung des Arbeitsplatzes unserer Hauptfiguren sowie die nuancierte Skizzierung der Stripperinnen: Das Moves, in dem ein großer Teil des Films spielt, ist keine dieser abgeranzten Spelunken, wie wir sie aus zig Action- und Gangsterfilmen kennen, sondern ein großer, mit kunstvoll gesetzter Beleuchtung ausgestatteter Strip-Club. Schließlich will er auch gezielt Bonzenkundschaft anlocken. Die Protagonistinnen sind sich dieser Ausnahmesituation bewusst und wissen das Moves insoweit zu schätzen – und dennoch beschönigt Scafaria die Arbeitssituation ihrer Hauptfiguren nicht.

Denn auch ganz andere Berufsgruppen haben damit zu kämpfen, dass sie weniger wertgeschätzt und rüder behandelt werden als Spitzenverdienende. Auch in ganz anderen Berufsfeldern knüpfen Kolleginnen und Kollegen emotionale Bande, um sich von der Präsenz unangenehmer Vorgesetzter abzulenken. Und viele, viele Menschen, die sich und ihre Liebsten gerade so über Wasser halten können, gönnen sich ein paar Statussymbole, um sich besser darzustellen und so Respekt zu verschaffen.

- © Universum Film
Sie wissen wo’s langgeht – nicht nur an der Stange: Destiny (Constance Wu) und Ramona (Jennifer Lopez)
Besagte, Destiny unterrichtende Kollegin ist die vor Selbststolz fast platzende, durchtrainierte und mit einer leicht trashigen Eleganz gesegnete Ramona, verkörpert von einer geradezu glühenden Jennifer Lopez. Hervorragend auf der Moves-Showbühne, abseits des Publikums eine gönnerhafte große Schwester für ihre Kolleginnen (die aber spürbar am meisten Freude daran hat, dass man zu ihr aufsieht, und in Momenten wahrer Verletzlichkeit freundlich-reserviert agiert), ist Ramona die heimliche Königin des Moves. Sie ist es, die vor dem Platzen der Finanzblase ihr wohlhabendes Publikum durchschaut (und in einer gewitzt geschriebenen Montagesequenz durchanalysiert). Und sie ist es, die sich nach dem Finanzcrash einen moralische sowie rechtliche Grenzen überschreitenden Coup ausdenkt, um sich von denen, die die Welt in eine Krise gestürzt haben, das unverschämt große Geld zu nehmen, das sie noch immer haben.
Aufgrund der sensiblen Charakterzeichnung Destinys und der einnehmenden Ausstrahlung Ramonas beginnt diese Masche als eine Art "fragwürdige, aber verständliche Selbstjustizaktion": So, wie in zahllosen Gangsterfilmen, Räuberpossen und «Robin Hood»-esken Erzählungen zuvor, lautet der Gedanke "es mag verboten sein, aber wir liegen ja wohl völlig im Recht, uns wurde scheiße mitgespielt, also finden wir nun einen Weg, alles gerade zu rücken". Und nach dem energiereichen, gewitzten Einstieg hält Lorene Scafaria zunächst einmal inszenatorisch diese Narrative aufrecht, um dem Film nicht seinen Drive zu rauben: Die Stripperinnen gehen mit Einfallsreichtum und viel Verve an ihre Aktion heran, die mehrmals pointierte Wendungen nimmt.

Es ist sozusagen so, als wäre die Erzählung auf einer Metaebene von den Moves-Tänzerinnen enttäuscht: Waren wir lange eng bei ihnen und kosteten die kleinen Späße und Glanzmomente aus, verschiebt sich der Fokus nun trotzig auf Dorothys zeitlich versetzte Reflexion dieses wahren Verbrechens, auf den Diskurs darüber, ob ihre Opfer es verdient haben, und darauf, was das Versprechen des großen Geldes aus ihr und ihren Kolleginnen gemacht hat.
Dadurch wird «Hustlers» zu einem dynamische 110 Minuten langen Ritt: Von Kameramann Todd Banhazl in einem vitalen Stil (nicht aber showy) gefilmt, bietet «Hustlers» atemberaubende Auftritte, zielgenau platzierte Systemkritik, unpathetisch aus dem Leben gegriffene Momente der Ratlosigkeit und eine fesselnd nachskizzierte, verletzliche Freundschaft, die das wilde, dramatische und auch skandalöse Treiben menschlich umklammert.
Fazit: «Hustlers» ist der Finanzcrashfilm, den Adam McKay als Regisseur nicht hätte machen können. «Hustlers» ist die gewitzte, fesselnde Verfilmung eines wahren, organisierten Verbrechens, für die es eine clevere, einfühlsame Regisseurin brauchte: «Hustlers» ist ein satirisches Gesellschafts-Thrillerdrama und Kriminalkomödie zugleich. «Hustlers» ist ganz großes Kino.
«Hustlers» ist ab dem 28. November 2019 in vielen deutschen Kinos zu sehen.
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