Die Kritiker

«Wolfsland – Das heilige Grab»

von

Die grimme Krimireihe wirkt auf ihrem Programmplatz im guten wie im schlechten Sinne wie ein Fremdkörper – der neue Fall belegt diesen Eindruck einmal mehr.

Cast und Crew

  • Regie: Francis Meletzky
  • Drehbuch: Lars Neuwöhner, Sven S. Poser
  • Cast: Götz Schubert, Yvonne Catterfeld, Jan Dose, Stephan Grossmann, Peter Schneider, Anna Bachmann, Luise Befort, Ramona Kunze-Libnow, Karolina Lodyga
  • Kamera: Eeva Fleig
  • Schnitt: Andrea Mertens
  • Musik: Andreas Weidinger
Die ARD-Krimireihe «Wolfsland» sticht im Donnerstagsportfolio des Ersten durchaus hervor. Denn auf einem Programmplatz, auf dem sich die meisten Krimis allein dadurch definieren, in welcher internationalen Stadt sie spielen (wenngleich von ein paar Luftaufnahmen ausgenommen nur selten nennenswertes Lokalkolorit geboten wird), entwickelte diese Reihe sehr wohl eine Identität. Eine durcheinandergewirbelte, da diese Filme neben ihren finsteren Elementen oftmals eine eklektische Ansammlung an Einfällen mitbringen, die nur mit mäßigem Erfolg unter einen Hut gebracht werden – aber selbst, wenn diese Krimis ihre Ideen nur solala über die Ziellinie bringen, so haben sie wenigstens Ideen. Frei nach dem Motto: Lieber halbgar einprägsam als ausgereift und austauschbar.

Der neue Fall «Das heilige Grab» bleibt einer der Zutaten dieser Filmreihe treu: Der Hang zum Finsteren und Schaurigen bleibt gegeben … Auf der Fahrt zum Fundort einer Leiche ist Butsch geradezu aufgekratzt und voll positiver Anspannung, denn er erwartet seine Tochter Emmy zu Besuch, die seit dem Tod ihrer Mutter bei den Großeltern in Berlin lebt. Und es ist nicht etwa nur ein Pflichtbesuch: Nach einer kleinen Wandertour durch die Oberlausitz mit ihrer besten Freundin Clara will sie freiwillig vorbeikommen! Butsch hofft, dass so das seit Jahren angespannte Verhältnis zwischen ihnen gelockert wird.

Als eine aufgeregte Nonne des Marienthaler Zisterzienserinnen-Klosters den Kommissaren mitten in ihren Mordermittlungen aber von einem blutigen Schuh berichtet, den sie im Wald gefunden hat, kommen ganz langsam Sorgen auf. Grauenvolle Sorgen. Grauenvolle Sorgen, die sich als berechtigt herausstellen: Der Schuh gehört Emmy. Und Emmy ist spurlos verschwunden. Einfach vom Erdboden verschluckt, ebenso wie ihre Freundin Clara ..!

Das "Wer?" klärt sich in diesem Neunzigminüter zügig auf (und erprobte Krimifans dürften dem Film noch einmal um ein paar Minuten zuvorkommen), doch glücklicherweise legen Lars Neuwöhner und Sven S. Poser in ihrem Drehbuch den narrativen Schwerpunkt nicht darauf, sondern auf die emotionale Reise ihrer männlichen Hauptfigur: Dadurch, wie er vom Gedanken "Vielleicht finde ich wieder Zugang zu meiner Tochter" ausgehend sukzessive in pure Verzweiflung, Angst und Wut auf sich und seine schleppenden Ermittlungsergebnisse getrieben wird, entwickelt der Film einen treibenden, intimen Spannungsmotor. Götz Schubert spielt seinen Part sehr gut, lässt selbst in einem Moment der völligen Aufregung Nuancen durchschimmern, indem er Butsch verzweifelt aufschreien, aber traurig und sorgenvoll dreinblicken sowie wütend gestikulieren lässt – es ist ein lebensnaher, komplexer Nervenzusammenbruch, nicht etwa ein grober, groß gekünstelter.

Yvonne Catterfeld gerät in diesem «Wolfsland»-Film etwas ins Hintertreffen, gibt den rationalen, kühlen Gegenpart aber mit ausreichend Fingerspitzengefühl, um als Delbrück eine interessante Dynamik mit Butsch zu entwickeln – zumal auch sie schrittweise Zorn in der Stimme ihrer Figur aufbaut und es versteht, ihm glaubwürdig Luft zu machen.

Was aber bleibt, sind die etwas halbseidenen Genreeinflüsse: Auf dem Papier klingt es deutlich aufregender, einen Primetimekrimi mit surrealen Träumen (inklusive verzerrtem, ausgeblichenem Bild), schaurigen Sam-Raimi-Kamerazooms, staubig-gotischen Bauten, schweren, unheilvollen Klängen, symbolischen Zufällen und einer kleinen Handvoll spitzen Gaga-Dialogen zu sehen, als es in dieser Umsetzung ist. Denn «Wolfsland» wirkt immer wieder dezent gehemmt – auch in diesem Fall.

Vielleicht gehört «Wolfsland» in eine spätere Programmschiene (wie etwa [url=http://www.quotenmeter.de/cms/?p1=n&p2=112624&p3=]Titus Selges «Totenfieber»). Vielleicht wird es aber auch einfach mit der Zeit – dieser neue «Wolfsland»-Film wirkt nämlich zwar immer noch wie ein Kompromiss, ist aber schon eine Spur konsequenter und somit aufregender als seine Vorläufer. Egal, ob es der fast nur in Bibelversen sprechende Schurke ist (dick aufgetragen, aber kernig umgesetzt) oder Francis Meletzkys durchaus schnittige Inszenierung: «Wolfsland» ist zwar noch immer nicht Teil der Krimispeerspitze Deutschlands, baut aber seine Stellung als sehr interessanter Beitrag aus.

«Wolfsland – Das heilige Grab» ist am 28. November 2019 ab 20.15 Uhr im Ersten zu sehen.


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