'Leute sind nicht so nachtragend, wie es manchmal wirkt'
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Wenn ein Gag aus dem Kontext gerissen wird, haben wir Comedians ja dank Social Media alle eine Plattform, den Kontext wieder herzustellen. Man ist heute nicht mehr so machtlos gegenüber der Presse oder Hatern wie vor 20, 30 Jahren.
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Maxi Gstettenbauer
Dass YouTube und soziale Netzwerke es Leuten erlauben, Ausschnitte aus Programmen zu teilen und Gags so gegebenenfalls aus dem Kontext zu reißen, wodurch sie fieser wirken als im Gesamtkontext, macht dem Komiker dabei keine schlaflosen Nächte: "Wenn ein Gag aus dem Kontext gerissen wird, haben wir Comedians ja dank Social Media alle eine Plattform, den Kontext wieder herzustellen. Man ist heute nicht mehr so machtlos gegenüber der Presse oder Hatern wie vor 20, 30 Jahren." Dessen ungeachtet poltert Gstettenbauer auf der Bühne nicht mehr so wie zu Beginn seiner Karriere: "Ich habe mit 18 Jahren angefangen, und ich habe genau solche Witze gemacht", sagt er über Standups, die primär aus Provokationen und Schockmomenten bestehen. "Ich habe bewusst Schimpfwörter auf der Bühne gesagt, weil ich dachte: 'Ha, ich habe die Macht, ich stehe auf der Bühne, ich rüttle euch alle wach!' Ich glaube, da müssen viele Komiker durch, durch diese 'Ich schockiere euch!'-Phase." Er habe sie aber für sich abgeschlossen, nachdem er sich ältere Auftritte angeschaut hat: "Ich dachte mir: Du bist da einfach nur fies, um gemein zu sein, da stecken keine gewitzten Ideen hinter."
Es ist allerdings nicht so, als würde Gstettenbauer den Moralfinger erheben: "Eine gewisse Härte ist überhaupt kein Problem, wenn es mit einer Intention geschieht. Jedenfalls meiner Meinung nach. Man kann auch einfach nur krass sein – das ist völlig erlaubt. Nur wäre das nicht mein Stil. Ich will auch überhaupt nicht behaupten, ich sei der Comedian mit der weißen Weste. Ich habe auch schon daneben gegriffen, und ich mache auch einige richtig dreckige Witze. Ich bin eine Drecksau – aber ich mache mir Gedanken, wie ich das bin." Die von manchen Leuten heraufbeschworene Political-Correctness-Diktatur gibt es für Gstettenbauer nicht – er überdenkt die Wirkung seiner Programme aus völlig eigenem Antrieb, weil er unterhalten will, ohne Teile des Publikums zu kränken. Nicht aus Versehen und schon gar nicht mit Absicht.
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Man muss damit rechnen, dass jemand, der dich und dein Wirken generell nicht kennt, diesen einen Gag sieht. Wenn deine Pointen nicht perfekt platziert und extrem ausgefeilt sind, löst du somit womöglich ungewollt ein Missverständnis aus.
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Maxi Gstettenbauer
Gstettenbauer betont mit freundlicher Geduld, dass das nur seine Einstellung sei. "Du kannst als Comedian sagen: 'Mir doch egal, wenn man mich falsch versteht, juckt mich nicht, wenn ich wen verletze, den ich nicht verletzen wollte. Dann kriege ich halt Applaus von der falschen Seite. Das nehme ich in Kauf.' Wer das meint, soll das machen – hat dann aber meiner Meinung nach überhaupt kein Anrecht darauf, zu jammern, wenn es dann auch Kritik hagelt." Der gebürtige Niederbayer und Wahlkölner versteht es dagegen sehr gut, wenn Comedians es gut meinen und trotzdem einen Fauxpas begehen: "Mir passiert es auch hin und wieder, dass ich Jokes mache, die eine andere Dynamik entwickeln, als ich erwarten konnte – ich bin jemand, der diese Gags dann lieber raus nimmt, bevor ich in einer komischen Grauzone lande."
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Heute ist bei vielen reine, laute Provokation Trumpf. Und ich höre mir viele dieser Auftritte an und denke: Ja, schön, du hast provoziert – schade nur, dass da überhaupt nichts dahintersteckt.
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Maxi Gstettenbauer
'Ich wüsste gerne, was der für mich beste Weg wäre'
Nicht nur seine Außenwirkung beschäftigt Gstettenbauer, sondern auch die Frage nach seiner Zukunft im Comedygeschäft, wie er im Gespräch verrät: "Eine Frage, die ich mir oft stelle: Wie schaffst du es, in diesem Metier Langlebigkeit zu erreichen. Ich frage mich nicht, wie man der Größte von allen wird – aber ich würde mich freuen, lang genug relevant zu bleiben, dass auch in einigen Jahren die Leute sagen: 'Oh, den finde ich unterhaltsam, den schaue ich mir gerne drei, vier, fünf Mal an.'" Mit einem leichten Schmunzeln in der Stimme fügt er an: "Eine andere Frage, die ich mir stelle: Wie bleibt man präsent, wird aber nicht so präsent, dass man Leuten auf den Sack geht? Über so etwas mache ich mir derzeit sehr viele Gedanken – denn es gibt nicht den einen richtigen Weg. Aber ich wüsste gerne, was der für mich beste Weg wäre."
Dass es in der Comedy Kollegen gibt, die sich einen klaren Markenkern aufbauen (wie Mario Barth, der seit Jahrzehnten über "Männer und Frauen" scherzt), sowie Kollegen, die immer wieder ihren inhaltlichen Fokus verschieben (wie Michael Mittermeier), mache ihm "ein bisschen Mut." Man muss sich offensichtlich nicht entscheiden. "Es kann beides funktionieren. Das Publikum ist offen – es ist nicht so wertend, wie man immer meint", wie Gstettenbauer befindet. Und dennoch mache ihm dieses Thema "auch ein bisschen Angst, weil es zur Frage führt: Hast du überhaupt künstlerisch genug auf der Pfanne? Sei es, um den selben Themen was Neues abzugewinnen oder sich immer wieder neu zu erfinden." Lachend führt er fort: "Denn so spannend ist ein Comedianleben nicht, um andauernd was Neues zu erzählen."
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Ich glaube, wichtig ist, dass man seine Farbe, welche auch immer das sein mag, erkennt und ausübt.
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Maxi Gstettenbauer
«Standup 3000» läuft freitags ab 23 Uhr bei Comedy Central.
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