Die Kritiker

«Unschuldig»

von

Der dreistündige Whodunit «Unschuldig» auf Basis einer britischen Miniserie ist hervorragend besetzt, macht aber wenig aus seiner Laufzeit.

Cast & Crew

  • Regie: Nicolai Rohde
  • Cast: Felix Klare, Anna Loos, Britta Hammelstein, Godehard Giese, Yuri Völsch, Ruby M. Lichtenberg, Sascha Alexander Gersak, Florian Panzner, Steven Scharf, Almila Bagriacik, Bernhard Conrad, Lisa Bitter, Alexandra Finder, Sebastian Hülk
  • Drehbuch: Florian Oeller
  • Vorlage: Matthew Arlidge, Chris Lang
  • Kamera: Felix Novo de Oliveira
  • Schnitt: Melanie Schütze
  • Musik: Annette Focks
Fast 180 Minuten Krimi-Knobelei: Inspiriert von der britischen Miniserie «Innocent» erzählt der extralange ARD-Krimi «Unschuldig» die Geschichte eines verurteilten Schwerverbrechers, Alex Schwarz (Felix Klare), der nach sieben Jahren überraschend aus der Haft entlassen wird. Er wurde für den Mord an seiner Frau verurteilt, doch weil ein wichtiger Belastungszeuge eine Aussage widerruft, kommt der Mann nun frei. Dennoch sind sein Umfeld und die Öffentlichkeit weiterhin felsenfest davon überzeugt, dass Alex den Mord begangen hat. Bloß sein Bruder Daniel (Sascha Alexander Gersak) vertraut ihm. Selbst seine beiden Kinder, der 15-jährige Lasse (Yuri Völsch) und die zwölfjährige Lena (Ruby M. Lichtenberg), wollen nichts mehr mit ihrem Vater zu tun haben. Sie verbrachten die letzten Jahre bei Alex' Schwägerin Marion (Anna Loos) und ihrem Mann Uwe (Godehard Giese), die selbst kinderlos sind, aber sich zu liebenden Ersatzeltern entwickelten.

«Unschuldig» erzählt nicht nur, wie Alex und sein Umfeld mit der im Raum stehenden Schuldvermutung umgehen, sondern ebenso sehr von der jungen Ermittlerin Katrin Jahnke (Britta Hammelstein), die den Fall neu aufrollt. Was sie aber verheimlicht: Sie ist mit Jan (Steven Scharf) zusammen, dem Mann, der vor sieben Jahren aufgrund seiner Leistungen im Fall Alex Schwarz zum Hauptkommissar befördert wurde. Nun fürchtet er, dass seine Freundin Katrin durch neue Erkenntnisse seinem Ansehen schaden könnte …

«Unschuldig» erfindet das Krimi-Rad wahrlich nicht neu – was keine Schande ist. Dass der Dreistünder aber letztlich nur die ausgedehnte Variante einer schon im normalen Fernsehkrimi-Metier oft erzählten Geschichte ist, ist durchaus bedauerlich. «Unschuldig» macht, was schon unzählige Krimis zuvor gemacht haben – bloß halb so schnell. Das Skript von Florian Oeller ringt der normalen Krimistruktur nichts Neues ab und auch die Figurenzeichnung wird durch die längere Laufzeit nicht automatisch anspruchsvoller und tiefgreifender.

Dass «Unschuldig» trotzdem nicht langweilig wird, ist einerseits dem breiten und abwechslungsreichen Aufgebot an Verdächtigen zu verdanken, die hier nach und nach abgeklappert, ausgefragt und in argumentative Ecken gedrängt werden. Darüber hinaus gelingt es Oeller, immer wieder Zweifel zu streuen: Ist diese Fährte zu offensichtlich? Moment, tut sich da eine neue Fährte auf? Oh, haben wir vorhin was übersehen? So bleibt die Mitknobellust lange groß – und die Lösung am Schluss ist trotzdem stimmig, statt eine an den Haaren herbeigezogene Überraschung darzustellen.

Unter der fähigen, wenngleich keine größeren atmosphärischen Schnörkel aufweisenden Regieführung Nicolai Rohdes finden sich in diesem XXL-Krimi zahlreiche bemerkenswerte Darbietungen: Rhodes lässt sein Ensemble "atmen" und gestattet es so beispielsweise Britta Hammelstein, in der Rolle der energischen, aber auch befangenen Ermittlerin eine der besten Performances ihres Schaffens abzuliefern. Sie grübelt intensiv, wägt Aussagen ab und muss immer wieder über ihren Schatten springen. Felix Klare gibt einen ebenso sehenswerten Ex-und-vielleicht-wieder-Verdächtigen, der Groll auf das System hegt und von seinem Bruder (geerdet: Sascha Alexander Gersak) beruhigt werden muss, Godehard Giese und Anna Loos überzeugen derweil in weniger angespannten Spielweisen von Rollentypen, in denen sie häufig besetzt werden

Somit ist «Unschuldig» ein sehr gut gespielter XXL-Whodunit, der länger ist als sein Inhalt rechtfertigen würde, aber dank der Performances und der gut geschriebenen Dialoge nicht langweilig wird.

«Unschuldig» ist am 7. Dezember 2019 ab 20.15 Uhr im Ersten zu sehen.

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