Filmfacts: «Black Christmas»
- Start: 12. Dezember 2019
- Genre: Horror
- FSK: 16
- Laufzeit: 92 Min.
- Kamera: Mark Schwartzbard
- Buch: Sophia Takal, April Wolfe
- Regie: Sophia Takal
- Darsteller: Imogen Poots, Cary Elwes, Lily Donoghue, Brittany O'Grady, Aleyse Shannon, Lucy Currey, Madeleine Adams
- OT: Black Christmas (USA/NZL 2019)
2006 folgte ein dem Trend der Zweitausender entsprechend deutlich brutaleres Remake, das die wesentlichen Grundzüge des Originals aufgriff, allerdings mit deutlich expliziteren Kills und einer ausformulierten Backstory über den Täter überzeugen konnte – immerhin im Ansatz ist dies dem ansonsten recht generischen „Einer nach dem anderen“-Killerfilm auch gelungen. Für das nunmehr zweite Remake wählt die Regisseurin und Autorin Sophia Takal («Always Shine») jetzt einen derart anderen Weg, dass sich allenfalls von einer Neuninterpretation reden lässt. Und die beginnt zwar vielversprechend, gerät durch Takals starres Festklammern an einer offensichtlichen Agenda allerdings zur regelrechten Katastrophe.
Der Killer kommt zu Weihnachten
Während sich Riley Shane (Imogen Poots) und ihre Freundinnen aus der Mu-Kappa-Epsilon-Verbindung des Hawthorne College – Athletin Marty (Lily Donoghue), Rebellin Kris (Aleyse Shannon) und Feinschmeckerin Jesse (Brittany O’Grady) – auf die Feiertage vorbereiten, beginnt ein schwarz maskierter Killer, Studentinnen abzuschlachten. Können Riley und ihre Freundinnen überhaupt noch einem Mann vertrauen? Was ist mit Martys Lover Nate (Simon Mead), Rileys neuem Liebhaber Landon (Caleb Eberhardt) oder auch dem angesehenen Dozenten Professor Gelson (Cary Elwes)? Mit einem hat der Killer jedenfalls nicht gerechnet: dass die Frauen keineswegs bereit sind, willige Opfer zu werden, sondern gnadenlos zurückschlagen können.
Die «Black Christmas»-Reihe kann innerhalb von 45 Jahren eine bemerkenswerte emanzipatorische Entwicklung vorweisen. Im von männlichen Killern und weiblichen Opfern dominierten Slasher-Genre, in dem man sich vor allem durch Jungfräulichkeit und Alkohol- und Drogenabstinenz den Status als ‘final girl‘ erarbeiten konnte, stach bereits Glen Morgans erstes Remake von vor 13 Jahren heraus; hier durften sich die Studentinnen aktiv zur Wehr setzen und der Killer entpuppte sich am Ende des Films überraschenderweise als Killerin. Mit ihrer Variante des in der Weihnachtszeit spielenden Horrorschockers geht Sophia Takal nun noch einen großen Schritt weiter und legt einen deutlich von #MeToo und Co. geprägten Frauenbefreiungsschlag vor, dessen Horror in der ersten Stunde nur bedingt daraus resultiert, dass auf dem Campus ein Frauenkiller umgeht. Stattdessen nimmt sich die auch für das Drehbuch mitverantwortliche Takal viel Zeit dafür, ihre Hauptfiguren zu etablieren, von denen jede vor kurzer Zeit mindestens einmal auf unschöne Weise mit dem männlichen Geschlecht in Berührung gekommen ist.
Egal ob aufdringliche Ex-Freunde oder versuchter Missbrauch: Takal treibt die beiden Geschlechter in «Black Christmas» so weit auseinander wie möglich. Doch so forciert dies auch klingen mag: Zumindest in der ersten Filmhälfte geschieht all das noch auf eine halbwegs plausible Weise. Schließlich verortet sie ihre Geschichte auf einem Uni-Campus im Jahr 2019. Und dass sich die Stimmung unter den feministisch engagierten Frauen der Studentinnenverbindung schon mal aufheizen kann, fängt Takal plausibel ein und lässt obendrein die Frage zu, ob es die Frauen durch ihr den Mann insgesamt abwertendes Verhalten nicht nur noch viel schlimmer machen.
Der böse Mann, die gute Frau
Zu dieser tendenziell erst einmal spannenden und dem Genre frischen Wind verleihenden Grundaussage passt auch die Inszenierung der ohnehin recht wenigen Kills: Wenn die Frauen hier dem Killer zum Opfer fallen, ist der morbide Spaß-Faktor im Gegensatz zu Original und erst recht dem Remake kaum bis gar nicht vorhanden. Stattdessen schneidet Editor Chris G. Willingham (schnitt auch schon die 2006er-Variante von «Black Christmas») immer wieder vereinzelt Szenen dazwischen, in denen sich die Frauen an vergangenes Leid erinnert fühlen. Wenn etwa der Killer auf einer der Frauen liegt und kurz davor ist, sie mit einem Messer zu erstechen, sehen wir in einem kurzen Flashback den Moment des kurz bevorstehenden Missbrauchs, in dem das Opfer einst ebenfalls von einem ihr körperlich überlegenen Mann dominiert wurde. Das fühlt sich definitiv beklemmender an als die mitunter amüsierenden, kreativen Kills aus der ersten Neuauflage, als der Killer zum Beispiel noch einen Schlittschuh nahm, um ihn seinem Opfer in den Hinterkopf zu rammen.
- © Universal Pictures
Aber es unterstreicht natürlich auch Takals Intention: Ihr «Black Christmas» soll erst dann Spaß machen, wenn sich ihre Frauen an den Männern formvollendet rächen dürfen. Die von den Männern ausgeübte Gewalt und Unterdrückung dagegen (die hier sowohl physisch als auch psychisch stattfindet; etwa, wenn ganz zu Beginn bereits aufgezeigt werden soll, dass sich Frauen nicht einmal sicher fühlen können, wenn sie einfach nur ganz normal eine Straße entlang gehen und hinter ihnen eine fremde Person entlangläuft) schüchtert einfach nur ein.
Dass Sophia Takal durch ihre völlig neue Herangehensweise das Thema verfehlt, ist erst einmal gar nicht so schlimm, für den Zuschauer aber sicher nicht unwichtig: Wer sich vom 2019er-«Black Christmas» einen neuen Hardcore-Schlitzerfilm erhofft, wird definitiv enttäuscht werden. In den USA erhielt der Film gar ein PG-13-Rating (vergleichbar mit der FSK-Freigabe ab 12) mit der Begründung, die durch den Film vermittelte Botschaft sei gerade für junge Frauen wichtig, die durch das Rating die Gelegenheit bekommen sollten, ihn zu sehen. Da mag sicher etwas Wahres dran sein, doch auch ohne die Message bliebe «Black Christmas» visuell einfach zu keusch, um eine höhere Altersfreigabe zu rechtfertigen. Die Macher verzichten fast vollends auf die Darstellung von Blut und anderweitig visuelle Gewalteskapaden. Auch Jump-Scares bietet der Film keine. Das, sowie das innerhalb der Reihe erstmalig auftretende Abdriften in übernatürliche Gefilde, sind aber nicht der Hauptgrund dafür, weshalb einen «Black Christmas» absolut unbefriedigt aus dem Kinosaal entlässt.
Nach der erzählerisch zwar wenig subtilen, insgesamt aber plausiblen ersten Hälfte widmet sich Sophia Takal der von #MeToo und Co. angeheizten Stimmung und kreiert auf der Leinwand einen plumpen Geschlechterkampf ohne Zwischentöne, der absolut nichts mit einer ernsthaften Auseinandersetzung gesellschaftssystematischer Defizite zu tun hat, sondern ausschließlich ohnehin vorhandene Gräben noch weiter ausgräbt. «Black Christmas» beginnt als auf der Höhe der Zeit angesiedelte Hinterfragung bestehender Genremechanismen und endet in hysterischem Populismus, mit dem die Regisseurin das Horrorgenre bisweilen komplett verlässt. Darin waren sich nach dem Screening übrigens beide Geschlechter einig.
Fazit
Sophia Takals Pläne, mit «Black Christmas» das männerdominierte Slasher-Genre auf links zu drehen, missglückt nach einer vielversprechenden ersten Hälfte, da sich die Regisseurin viel zu sehr auf den Konflikt und nicht auf die Lösung versteift. Ganz davon abgesehen, dass ihr Film als Angst schürender Horrorfilm komplett versagt.
«Black Christmas» ist ab dem 12. Dezember in den deutschen Kinos zu sehen.
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