
Johanne (Ida Elise Broch) aus Norwegen hat in «Weihnachten zu Hause» (OT: Hjem til Jul) genau das gegenläufige Problem. Als dreißigjähriger Single landet sie an hohen Festtagen immer noch am Kindertisch, neuerdings eingekeilt zwischen den beiden Zwillingssöhnen ihres Bruders. Dass im Freundeskreis über kaum etwas Anderes mehr gesprochen wird als über Orgasmen und Milcheinschuss könnte sie noch verkraften, wenn sie zumindest von ihrer zahlenmäßig imposanten Verwandtschaft auch ohne festen Partner als vollwertige Erwachsene angesehen würde. Aber wenn man die 30 überschritten hat, gilt es ja zu bedenken, dass man nun auch nicht jünger wird. Also erfindet Johanne einen Boyfriend, um dem lästigen Gequatsche zu entgehen – nur um Sekunden nach der Kurzschlusshandlung zu realisieren, dass sie den spätestens an Heiligabend wird präsentieren müssen. Also auf in die Hölle von analogen wie digitalen Speed-Datings, wo sich der gesamte romantische Ausschuss Skandinaviens die Klinke in die Hand gibt.
Problembewusster als die zuckersüßen und fernab jeglicher Lebensrealität spielenden Hallmark-Weihnachtsfilme, aber keine so rabiate Feiertags-Dekonstruktion wie «Stirb langsam»: Mit diesen beiden Serien hat Netflix genau das richtige Maß an weihnachtlicher Freude und Augenrollen vor dem ganzen jahresendzeitlichen Irrsinn gefunden: Das beste Gegengift für alle, denen ein paar Tassen Glühwein intravenös nach einer Geschenkekauforgie in der Fußgängerzone nicht mehr ausreichen.
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