Filmfacts: «Judy»
- Start: 2. Januar 2020
- Genre: Drama/Biopic
- FSK: o.Al.
- Laufzeit: 118 Min.
- Kamera: Ole Bratt Birkeland
- Musik: Gabriel Yared
- Buch: Tom Edge
- Regie: Rupert Goold
- Darsteller: Renée Zellweger, Jessie Buckley, Finn Wittrock, Rufus Sewell, Michael Gambon
- OT: Judy (UK 2019)
Doch es ist schon ein wenig fraglich, wo diese Lobeshymnen herkommen, wenn Zellweger ihre Judy Garland in einem eigentlich ziemlich tragischen Biopic als Karikatur ihrer selbst anlegt. Immerhin sticht sie damit aus diesem Einheitsbrei an Hollywooddrama so weit heraus, dass man sich nach dem Verlassen des Kinosaals wenigstens an irgendwas erinnert.
Nach der großen Karriere
Fünf ausverkaufte Konzertwochen in Swinging London! Die britische Hauptstadt fiebert im Winter 1968 den Auftritten von Showlegende Judy Garland im prominenten West-End-Theater „The Talk of the Town“ entgegen. Die Premiere des Filmklassikers „Der Zauberer von Oz“, durch den sie weltberühmt wurde, ist bereits 30 Jahre her und ihre Stimme mag ein wenig an Strahlkraft verloren haben – aber auf ihre Gabe für dramatische Inszenierungen kann sie noch immer zählen. Und auch ihr feiner Sinn für Humor und ihre Herzenswärme zeichnen sie aus wie keine andere, bei den Vorbereitungen der Show, bei Begegnungen mit Freunden und treu ergebenen Fans ebenso wie in den Auseinandersetzungen mit dem Management. Selbst ihr Traum von der einen großen Liebe scheint nach vier Ehen noch immer ungebrochen und so stürzt sie sich in eine wilde Romanze mit Mickey Deans, ihrem zukünftigen fünften Gatten …
Die noch als Minderjährige einem Publikum rund um den Erdball durch ihr Mitwirken an «Der Zauberer von Oz» bekannt gewordene Schauspielerin und Sängerin Judy Garland wurde im Laufe ihrer Karriere mit allen möglichen Preisen ausgezeichnet. Der Aufstieg des späteren Superstars verlief raketenhaft; irgendwann kannte die ganze Welt die von ihr vorgetragenen Zeilen zu „Somewhere over the Rainbow“ – aber kaum jemand die wahre Geschichte hinter diesen lieblichen Klängen. Regisseur Rupert Goold («True Story – Spiel um Macht») spielt in seinem Film immer wieder mit der großen Diskrepanz zwischen Außenwahrnehmung und tatsächlich vonstattengehenden Ereignissen hinter den Kulissen. Dazu passt auch, dass die erste Szene von «Judy» vor der märchenhaften Kulisse des «Oz»-Filmsets spielt, in der MGM-Studioboss Louis B. Mayer (Richard Cordery) seinen aufgehenden Stern Judy Garland gerade darüber in Kenntnis setzt, dass er jederzeit einen Ersatz für das Mädchen finden würde, sofern diese nicht tue, was man von ihr verlangt.
Knallharte Verhandlungsgespräche vor malerischer Kulisse – aus diesem krassen Kontrast entsteht in den Szenen mit der jungen Judy Garland (gespielt von Darci Shaw) der größte Reiz. Insbesondere wenn das junge Mädchen recht früh gegen ihre vielen Aufpasser und Manager zu rebellieren versucht und dabei stets gefangen ist zwischen dem Wunsch nach einer unbekümmerten Kindheit und dem Streben nach einer Hollywoodkarriere. Serienstar Darci Shaw («The Bay») gelingt dieser emotionale Spagat in ihrer ersten Kinorolle hervorragend.
Leidenschaftlich und doch misslungen
Doch leider ist sich Drehbuchautor Tom Edge («The Crown»), der das Skript auf Basis des Bühnenstücks „End of the Rainbow“ von Peter Quilter verfasste, der Stärken seines Stoffes nicht bewusst. Anstatt sich der schauspielerischen Anfangsphase und damit dem emotionalen Zwiespalt der jungen Judy Garland zu widmen, springt er immer nur für wenige Einzelszenen in die Vergangenheit zurück. Sie sind die deutlichen Highlights in einem Biopic, das als erzählerischen Mittelpunkt Garlands Nach-Erfolgsphase wählt; also eine solche, in der die charakterlichen Weichen der Mimin längst gestellt sind. Die Darstellung Garlands mag sich eng an ihrer tatsächlichen Attitüde orientieren (und wenn man sich alte Aufnahmen von Judy Garland anschaut, erkennt man, wie akribisch sich Renée Zellweger die Gestik und Mimik des einstigen Hollywoodidols angeeignet haben muss – schade, dass sie im Zuge dessen die Grenzen zum Overacting mehrmals radikal übertritt). Gleichsam ergießt sich die Frau in ihrem eigenen Biopic in einer Mischung aus Selbstmitleid, -Hass und größtmöglicher Naivität; ein gravierender Unterschied zu der bereits früh für sich und ihre eigenen Ideale einstehenden jungen Frau, die, wann immer möglich, als Jugendliche gegen die strengen Dreh- (und damit Lebens-)auflagen rebellierte.
- © Entertainment One
Das Hauptaugenmerk liegt auf Judy Garland als jammernde Hysterikerin; nur selten dringt die Geschichte indes zu all dem durch, was diese Frau über die Jahrzehnte so geprägt haben muss. Und selbst für ihr ungeahntes Talent, ihre umwerfende Ausstrahlung auf der Bühne, den Glanz und Glamour, erhält man in «Judy» kaum Gespür, da es vielmehr darum geht, wie Garland ihr Publikum und die Menschen um sich herum immer und immer wieder verprellte. So löblich diese seine eigene Hauptfigur nicht heiligsprechende Ansatz bei einem Charakterporträt auch sein mag, so unausgegoren ist er doch. So wirkt «Judy» nämlich mehr wie eine Abrechnung und nicht wie die differenzierte Auseinandersetzung mit einem komplexen Charakter.
In diese plumpe Figurenabbildung fügt sich die zweifellos passionierte aber doch durch und durch missratene Verkörperung Judy Garlands durch Renée Zellweger. Die durch das viele Botox ohnehin kaum noch zu ausgereifter Mimik fähige Aktrice legt – vielleicht auch ein Stück weit als mimischen Ausgleich – all ihre Körperlichkeit in die Performance, überspannt den Bogen von der groß gestikulierenden Hollywood-Diva hin zur übereifrigen Furie aber immer wieder so massiv, dass sich lediglich in den sehr kleinen, zwischenmenschlich-emotionalen Momenten, etwa zwischen ihr und ihren Kindern, hier und da Szenen finden lassen, in denen man wirklich das Gefühl hat, hier stünde nicht die Parodie-Version einer Judy Garland vor einem, sondern sie selbst. Zwar hat die erwachsene Garland schon auf der Bühne mit einem leicht affektierten Gestus bestochen, doch dargeboten von der dies anstrengend nachspielenden Zellweger wirkt das in seiner Künstlichkeit eher albern. Zellweger spielt zwar viel, aber nicht gut – und Ersteres ist ja auch gern mal ein Grund für Filmpreisjurys, Darsteller mit Nominierungen und Awards auszuzeichnen.
Am Ende wird man das Gefühl nicht los, die Macher wollten an ihrer Hauptfigur partout kein gutes Haar lassen. Und wenn sie ihr in der aller letzten Szene dann doch noch so etwas wie ein filmisches Denkmal setzen wollen, verwechseln sie triefenden Kitsch mit echtem Gefühl. Das macht «Judy» zu einem theatralischen Desaster, das gut gemeint sein mag, das aber etwas auslöst, was man sich bei dieser Thematik kaum hätte vorstellen können: Mit der hier dargestellten Judy Garland möchte man schon nach wenigen Minuten keine Zeit mehr verbringen.
Fazit
Abgesehen davon, dass Renée Zellweger Judy Garland wie eine Parodie anlegt, kommt der einstige Megastar in seinem Biopic alles andere als gut weg. Rupert Goolds Film ist oberflächlich und besinnt sich auf Lebensstationen der Sängerin, die kaum bis gar nicht erkennen lassen, weshalb sie rund um den Erdball so viele Fans hatte.
«Judy» ist ab dem 2. Januar in ausgewählten deutschen Kinos zu sehen.
Es gibt 2 Kommentare zum Artikel
01.01.2020 13:48 Uhr 1
ist die Antje etwa kein Renee Zellweger Fan??
04.01.2020 19:22 Uhr 2