Serientäter

«You – Du wirst mich lieben» Staffel 2: Diesmal wird alles anders …

von   |  2 Kommentare

Joe Goldberg ist zurück, diesmal in Los Angeles. Und natürlich trifft er innerhalb kürzester Zeit die nächste große Liebe seines Lebens. Seine Vergangenheit holt ihn allerdings schneller ein, als ihm lieb sein kann, jedoch ist das wohl so …als Mörder.

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Bei der Auflistung der entsprechenden Personen muss natürlich zuerst die neueste Frau seiner Träume Erwähnung finden, die Love (Victoria Pedretti) heißt – und auch wenn dies im ersten Moment unglaublich übertrieben und platt anmutet, die Drehbücher liefern ausreichend Gründe, durch die diese Entscheidung in der Retrospektive absolut nachvollziehbar erscheint. Zunächst will der falsche Mr. Bettelheim sich und allen, die von der Couch aus sein Treiben mitverfolgen, mit aller Macht beweisen, dass er sich geändert hat und alte Verhaltensmuster ablegen will. Und das Dargebotene respektive die Präsentation dessen lassen es auch durchaus zu, anzunehmen, dass er seine guten Vorsätze wenigstens für ein paar Tage wird aufrechterhalten können – vorausgesetzt, man schiebt alle mehr als berechtigten Zweifel (zum x-ten Mal) wider besseres Wissen beiseite. Jedoch wirkt es fast so, als hätten es sich vor und hinter der Kamera alle zur Aufgabe gemacht, selbst diejenigen, die dem „Neu-Angeleno" seit jeher misstraut haben, ins Grübeln zu bringen. Denn einerseits lässt sich – so viel kann man vorwegnehmen – Love viel mehr auf ihn ein, als es Beck je getan hätte, was wiederum in ihm zumindest den Wunsch aufrechterhält, ein besserer Mensch werden zu wollen, und andererseits kommt er durch sie vermehrt in Situationen, in denen er seine Absicht mit Taten unterstreichen möchte und kann.

Meistens ist Forty (James Scully), der Zwillingsbruder seiner Angebeteten – die Vornamen der beiden dürften Tennis-Liebhaber schmunzeln lassen –, in irgendeiner Form involviert, da der exzentrische, ichbezogene verhinderte Star-Regisseur aus gutem Hause, das Chaos magisch anzuziehen scheint. An ihm lässt sich auch wunderbar veranschaulichen, dass für seinen „Traum-Schwager" wenig so herausfordernd ist wie unberechenbare Menschen, solche, bei denen es schwierig bis unmöglich ist, ihren nächsten Zug vorauszusehen, da sie ihn selbst nicht kennen oder aufgrund übermäßigen Rauschmittelgenusses gar nicht kennen können. Und dass dies Joe dennoch nicht davon abhält, diesen „Risikofaktor“ zu akzeptieren, sich mit ihm zu arrangieren und irgendwann – auf seine Weise – gar einen Hauch Sympathie in Bezug auf ihn durchblicken zu lassen, ist ein Beleg dafür, wie ernst es ihm mit Love ist. Schließlich ist ihm – ob er es artikuliert oder nicht – absolut bewusst, dass die Wahrscheinlichkeit, dass sein „spezieller Freund“ ihm Probleme bereiten wird, sehr hoch. Aber auch ganz allgemein wird von Episode zu Episode offensichtlicher, dass mit jedem Freund, Bekannten oder Familiengehörigen der „Twins“, den der „Neuankömmling“ kennenlernt, die Gefahr, dass er auffliegt, größer wird. Da ein Kennenlernprozess selbstredend nie ohne ein „Fragenbombardement“ auskommt, und es daher nicht nur eine in sich stimmige Geschichte braucht, die wieder und wieder um (sich unmittelbar einzuprägende) Details ergänzt werden kann, sondern ebenfalls jemanden, der sie glaubhaft mit Leben zu füllen weiß.

Der ursprüngliche Mikrokosmos des „Dauerschauspielers“, den dieser in einer der größten Städte der Welt errichtet hatte, war bekanntlich am Ende arg „einsturzgefährdet“, deshalb ist es nur logisch, dass sein in der nächsten Ausnahmemetropole erschaffener noch wesentlich fragiler ist – und das gerade auch, weil er zulässt, dass ihm ein zweites Geschwisterpaar „wichtig“ wird: die Alves-Schwestern. Die Mitzwanzigerin Delilah (Carmela Zumbado) ist Gebäudemangerin des Hauses, in das „Will Bettelheim“ zieht, wodurch er automatisch zu ihrem Nachbarn und dem der 15-jährigen Ellie (Jenna Ortega) wird. Erstere misstraut so ziemlich allen Männern und wäre gerne eine erfolgreiche Enthüllungsjournalistin – also die perfekte Kombination für den Protagonisten, um stets daran erinnert zu werden, dass er keinesfalls leichtsinnig oder unvorsichtig werden darf. Die Jüngere der beiden verleitet ihn hingegen interessanterweise bereits bei einem ihrer ersten Aufeinandertreffen exakt dazu, und zwar indem ihr das bis dato Undenkbare gelingt: Sie überzeugt Joe Goldberg davon, seiner falschen Identität einen Social-Media-Account zu erstellen – ein folgenschwerer Fehler, wie sich bald herausstellen sollte. Da Loves Profil allerdings kein öffentliches war – und sie keine Selbstdarstellerin wie Beck oder Forty ist –, kam der Mörder mit dem „Ich-kann-keiner-Fliege-etwas-zuleide-tun-Gesicht“ zu dem Schluss, dass die sich durch eine digitale Präsenz ergebenden Risiken mit Blick auf die dadurch entstehenden Vorzüge vertretbar waren.


Außerdem gefällt sich der zugezogene Ostküstler sichtlich in der Rolle des großen Bruders mit „Ersatz-Vater-Tendenzen“. Überraschen dürfte das eigentlich niemanden; immerhin war und ist Joe – in seiner Version der Realität – zuallererst ein „Kümmerer“, ein „Beschützer“. Und das will er ebenfalls für seine „Tochter-Schwester“ sein. Die gemeinsamen Szenen von Penn Badgley und Jenna Ortega gehören überdies eindeutig zu den sehenswertesten der Serie, da die beiden eine fantastische Chemie haben – wobei an dieser Stelle definitiv ebenso zur Sprache kommen muss, dass ihre deutschen Stimmen Robin Kahnmeyer und Lea Kalbhenn ebenfalls einen herausragenden Job gemacht haben. Ortega, die auch in Disneys «Mittendrin und kein Entkommen» sowie der Neuauflage von «Richie Rich» mitgewirkt hat, versteht es zudem ausgesprochen gut, Ellies Vielschichtigkeit darzustellen. Sie ist nämlich einerseits wahnsinnig klug, auf der Höhe der Zeit, begeisterte Filmliebhaberin, ziemlich tough und macht einen reifen Eindruck, andererseits jedoch eben auch der Teenager, der sich nach Geborgenheit, Konstanz und einem echten Zuhause und damit letztendlich nach Zuwendung und Liebe sehnt. Die innere Zerrissenheit, die die Hauptfigur von «You – Du wirst mich lieben» auszeichnet, ist zwar eine vollkommen andere, aber ebendies macht den Reiz ihrer gemeinsamen Dialoge aus. Beide machen sich selbst und anderen mehrheitlich etwas vor und dennoch kommt es zwischen dem falschen Will und dem jungen Mädchen zu einigen „echten“ Momenten – und genau nach denen suchen im Grunde beide. Dass sie ihn darüber hinaus dazu bringt, Teil dieser künstlichen digitalen Welt zu werden, der er – so er nicht gerade ihre Schwachstellen ausnutzt – ähnlich viel abgewinnen kann wie Los Angeles, dessen Bewohnerinnen und Bewohner seiner Meinung nach Oberflächlichkeit in Reinform verkörpern, verleiht dieser Beziehung noch eine Metaebene. Dass er sich von ihr überzeugen lässt, liegt primär an ihr als Person, einem 15-jährigen Teenie, der ihn mehr beeindruckt hat als jeder andere bisher eingeführte Charakter und den er – auf seine Weise – mag.


Somit steckt in dem Betätigen des „Erstellen“-Buttons der Grundkonflikt dieser Staffel, der das klassische „Ein-Mann-zwischen-zwei-Frauen-Motiv“ zum Thema hat, das allerdings selten so innovativ verarbeitet worden ist. Außerdem steht dieser Akt sinnbildlich für seine (vergeblichen) Bemühungen, ein besserer Mensch werden zu wollen, für diesen permanenten Wechsel zwischen Schein und Sein, den alle seine Handlungen kennzeichnen und ihm irgendwann vor Augen führen, dass er selbst oft gar nicht weiß, was er fühlt, nicht weiß, ob er sich nicht permanent selbst belügt und was es eigentlich bedeutet, zu lieben. Und solche Unsicherheiten, die ihn, den mehrfachen Mörder, so nahbar und fast schon bemitleidenswert erscheinen lassen, betten die Macher in Season 2 zudem mit voller Absicht in Rückblicke, die die schwere Kindheit des kleinen Joey zeigen, ein. Infolgedessen muss sich das Publikum logischerweise diesmal um ein Vielfaches mehr kneifen, um sich darauf besinnen zu können, wie viele Gesetze dieses „Längst-nicht-mehr-Kind“ mittlerweile gebrochen und welch schwere Verbrechen dieser erwachsene Mann begangen hat.

Darüber hinaus erleben es die Zuschauerinnen und Zuschauer erstmalig, dass jemand, der viel Schuld auf sich geladen hat, in dessen Visier gerät, wodurch sie automatisch dazu gezwungen werden, sich zu fragen, ob nicht manchmal vielleicht doch der Zweck die Mittel heiligt. Womit man den Kritikern der ersten Stunde wieder ausreichend Futter geliefert hat, jenen, die dem Format seit Tag 1 die Heroisierung eines mordenden Kriminellen vorgeworfen haben und die damit vor einigen Monaten eine ähnliche Debatte in Gang gesetzt hatten wie diejenige, die kürzlich rund um «Joker» entbrannt ist. Vollkommen entkräften lässt sich der Vorwurf wohl auch nicht, dennoch spricht eine Menge dafür, das endgültige Urteil in dieser Angelegenheit erst zu fällen, sobald die finale Klappe gefallen ist. Nicht ausgeblendet werden darf in diesem Zusammenhang jedoch, dass den Streamenden nichts vorenthalten wird, dass sie Joseph Goldberg, den Manipulator, den Stalker und Joseph Goldberg, den Killer, mehr als einmal in Aktion gesehen haben. Dieser Umstand lässt es nämlich zu, dem Gezeigten einen pädagogischen Mehrwert zuzugestehen: Zum Beispiel wird besonders Jüngeren – wie gesagt – auf diese Weise eindrucksvoll demonstriert, wie leicht wir zu manipulieren sind oder wieso man sich intensiv mit den Privatsphäreinstellungen auf den Sozialen Medien auseinandersetzen sollte.

Abschließend lässt sich folglich konstatieren, dass die zweite Staffel von «You – Du wirst mich lieben» enorm von der Vergrößerung des „Youniverse“ profitiert und sich spürbar weiterentwickelt hat, ohne dadurch das zu verlieren, was die erste Season derart populär hat werden lassen. Vor allem aber hat sie schon das Feld für das dritte 10-Folgen-Paket bereitet und bewiesen, dass Joes Geschichte noch lange nicht auserzählt ist.
Die ersten beiden Staffeln von «You – Du wirst mich lieben» sind auf Netflix verfügbar.

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Es gibt 2 Kommentare zum Artikel
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04.01.2020 13:17 Uhr 1
Wie kann man sich denn in epischer Breite über eine Serie auslassen und dann den Namen des Hauptdarstellers zweimal falsch schreiben? Peinlich!
F.K.
04.01.2020 14:23 Uhr 2
Das ist für Sie jetzt natürlich nicht überprüfbar, aber bei meiner finalen Korrektur heute Morgen hatte ich in beiden Fällen den Fehler verbessert, nur dann das Speichern vergessen - ich hatte den Namen nämlich zunächst aus dem Gedächtnis geschrieben. Daher bedanke ich mich für den Hinweis und wünsche noch ein schönes Wochenende.
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