Die Kritiker

«Das Mädchen am Strand»

von

Heino Ferch haut auf den Tisch, Barbara Auer blickt ominös auf den Horizont, Sophie von Kessel torkelt in Zeitlupe zur Leiche ihrer Tochter. Von einem Zweiteiler mit grenzenlosen Klischees.

Cast & Crew

Vor der Kamera:
Heino Ferch als Simon Kessler
Barbara Auer als Hella Christensen
Rainer Bock als Johannes Christensen
Nick Julius Schuck als Sven
Natalia Wörner als Beate Steinkamp
Axel Milberg als Klaus Steinkamp
Lena Klenke als Lisa Steinkamp

Hinter der Kamera:
Produktion: Network Movie Film- und Fernsehproduktion GmbH
Drehbuch und Regie: Thomas Berger
Kamera: Frank Küpper
Produzenten: Dietrich Kluge und Jutta Lieck-Klenke
Bei einer Feier am nächtlichen Strand verschwindet eine der frisch gebackenen Abiturientinnen spurlos. Wenig später wird ihr lebloser Körper im Wald aufgefunden – und plötzlich gehen alle auf Distanz. „Keiner von uns hat sie wirklich gekannt, niemand hat gewusst, dass sie diese Probleme hatte“, wird schnell zum Mantra der gesamten Mitschülerschaft, das bereits eine Voice-Over-Passage ganz zu Beginn unmissverständlich zum Leitmotiv dieses Zweiteilers erhebt. Rasch hat der aus Hamburg angesauste LKA-Ermittler Simon Kessler (Heino Ferch) das Doppelleben der Toten ausermittelt, die sich kürzlich, ohne dass dies im beschaulichen holsteinischen Dorf jemand mitbekam, eine Mietwohnung und ein Bankkonto in der Hansemetropole zugelegt hatte – zusammen mit einem gleichaltrigen Mädchen, das ebenfalls vor wenigen Tagen abgemurkst worden ist. Natürlich fand man bei ihr jede Menge MDMA im Blut, alle Jungs standen auf sie und prüde soll sie dem Vernehmen nach schon gar nicht gewesen sein. Laura-Palmer-Syndrom eben.

Doch wo das amerikanische Kleinstadt-Epos nicht nur mit einer feinfühligen Erzählung, sondern auch einer beeindruckend kunstvollen, entrückten Ästhetik glänzte, wird beim «Mädchen am Strand» aus dieser Konstellation nur die x-fache Abwandlung der Mär‘ vom gefallenen Engel, der mit der Enge der gesellschaftlichen Konventionen nicht klar kam und deshalb in seltsame Lebensentwürfe und Drogensucht abglitt, mit tragischem Ende. Der erhobene Zeigefinger darf in keiner Szene fehlen – auch wenn der tolle LKA-Hecht eher den frisch maturierten Jungs auf den Zahn fühlt, und nach dem Verlesen rührselig-überkandidelter Instant Messages kräftig auf den Tisch haut. Das suggeriert maskuline Durchsetzungskraft, und mittlerweile ist es wohl eine Art Naturgesetz, dass kein Heino-Ferch-Film ohne diese Gesten der überdrehten Männlichkeit auskommen darf.

Im Ort wartet derweil eine alte Bekannte auf den Profi von der Elbe: Die von Barbara Auer wenig griffig gespielte Hella Christensen ist schon vor einiger Zeit aus dem aktiven Polizeidienst ausgeschieden, als ihr Beruf zunehmend ihre Ehe zerstörte. Noch heute hält ihr der Noch-Ehemann die Zumutungen des Zusammenlebens mit einer Kommissarin vor, insbesondere „die Albträume, die sie über die Jahre in die Wohnung geschleppt hat“, von ermordeten Kindern, vergewaltigten Frauen, zerschundenen Leichen. Seltsam, dass ähnliche Vorhaltungen in deutschen Krimis selten von den Partner(inne)n männlicher Kommissare vorgetragen werden.

An anderer Stelle gehen die Unterstellungen munter weiter: Die Mutter des Opfers muss sich vom verbissen-energischen LKA-Tausendsassa erklären lassen, wie verkorkst die Beziehung zu ihrer Tochter offensichtlich war: Schließlich hat sie von deren Wohnung in Hamburg, dem ominösen Bankkonto und dem MDMA-Konsum nie irgendwas mitkommen. Doch psychologisch reflektiert wird nichts davon, während es für den emotionalen Hook reichen muss, dass sie sich in einer der ersten Sequenzen mit versteinertem Gesicht in Zeitlupe über alle Polizeiabsperrungen hinwegsetzt, um zur Leiche ihres Kindes vorzudringen. Auch in den folgenden drei Stunden bleiben die erzählerischen Methoden durchwegs so billig wie das MDMA in Schleswig-Holstein.

Das ZDF zeigt den ersten Teil von «Das Mädchen am Strand» am Montag, den 6. Januar um 20.15 Uhr. Der zweite Teil folgt am Mittwoch, den 8. Januar zur selben Zeit.

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