Am Anfang war die Oma. Eine Oma als Umweltsau. Am vorläufigen Ende steht ein WDR-Intendant, dem bislang eigentlich gute Arbeit attestiert wurde, der nun aber vor der großen Bewährungsprobe seiner Amtszeit steht: Ex-«Tagesthemen»-Moderator Tom Buhrow. Aber mal ganz der Reihe nach: Es war kurz vor Silvester, als der Radiosender WDR2 ein Video veröffentlicht, in dem ein Kinderchor die Oma, die im Hühnerstall Motorrad fährt, als „Umweltsau“ beschimpft. Das Video spielt somit auf eine Einstellung an, die die Fridays-for-Future-Bewegung schon seit einigen Wochen umtreibt. Haben die heute älteren Generationen zu sehr auf Kosten der nun Jungen gelebt und eben früher zu wenig auf die Umwelt geachtet? Ist deren Lebensstil hauptverantwortlich für die Klimakatastrophe, die sich dieser Tage durch hunderttausende tote Tiere und schlimmste Brände in Australien zeigt?
Dass das Video aneckt, war klar – und wohl auch geplant. Seit vergangener Woche werden wieder Radioquoten ermittelt; dass WDR2 nun in aller Munde ist, dürfte den Machern gefallen. Bad PR ist any PR – und Any PR ist eben good PR. Doch von Tag zu Tag verselbstständigte sich die Angelegenheit. Vor allem von der rechten Ecke kamen immer abstrusere Vorwürfe und der WDR-Wellenchef Jochen Rausch sah sich letztlich sogar gezwungen, das Video zu löschen, schließlich sei allein der Vorwurf, man habe die Kinder des Chores dazu genötigt, diese Aussagen zu treffen, nicht zu ertragen. Ein gewisses Einsehen zeigte hier also auch schon Wellenchef Rausch, der sagte: „Umweltsau finde ich unpassend, das passt nicht zur Omi. Das war nicht so gemeint, ist aber so aufgefasst worden. Der Fehler liegt bei uns, dafür entschuldige ich mich.“
Die PR-Maschine rollte dennoch weiter. Anstatt das Thema einfach ruhen zu lassen, wirbelte WDR2 selbst weiter Staub auf, in dem man eine Radiosonderung abhielt: Rausch selbst stellte sich darin der Meinung und Kritik der Hörer. Der Kritik, ebenfalls wieder aus rechten Kreisen, hatte – wie zuvor schon die Oma im Hühnerstall – jeden guten Geschmack verlassen. Es wurden sogar Morddrohungen ausgesprochen – das widerrum rief Tom Buhrow als obersten Mann im Hause des WDR auf den Plan. Er rief in Beisein seines 92-jährigen Vaters an. „Das Video mit dem verunglückten Oma-Lied war ein Fehler“, sagte Buhrow. „Ich entschuldige mich ohne Wenn und Aber dafür.“ Sein Vater schließlich sei keine Umweltsau.
Und damit war es getan. Dass sich der Intendant in einem solchen Fall nicht hinter seine Radioredaktion stellte, sondern die Satire als Fehler bezeichnete, nahmen ihm nach und nach immer mehr eigene Leute übel. Der Versuch, seine Entschuldigung in einem Spiegel-Interview kurz danach genauer zu erläutern, brachte nichts. Das neue Jahr begann mit einer Wutwelle gegen Buhrow. Rund 40 Fernsehautoren solidarisierten sich mit Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des WDR, die mitunter die freie Meinungsäußerung vom WDR-Intendanten nicht genug geschützt sahen. In einem Brief hieß es, Buhrow sei mit seiner Redaktion, also der Entschuldigung, „auf den künstlich erzeugten Skandal in eine Falle getappt, aus der er ohne massiven Glaubwürdigkeitsverlust nicht mehr herauskommt.“ Und weiter: „Ein Medienmanager, dessen Umgang mit moderner, rechter Propaganda von so viel Naivität und Ungeschicktheit zeugt und der nicht in der Lage ist, sich in einfachsten Fragen der Presse- und Meinungsfreiheit vor seine MitarbeiterInnen zu stellen, gefährdet eben diese Freiheiten. Er sollte die Konsequenzen ziehen.“ Anders formuliert: Ein Intendant müsse insbesondere in diesen Zeiten, in denen Journalisten schärfer in der Kritik stehen als jemals zuvor, unverrückbar hinter seinen Leuten stehen.
Das Beschwerdeschreiben war nicht von irgendwem unterschrieben – hinter ihm stehen Kreative des «Neo Magazin Royale», der «heute-Show», die Erfinder der Serie «Eichwald, MdB» und Weitere. WDR-Redakteure sehen derweil das Ansehen des Hauses beschädigt, nicht wegen der Satire an sich, sondern wegen des Auftritts von Buhrow. Eine inzwischen für Dienstag angesetzte Redakteursversammlung bietet Zündstoff. Mitarbeiter des Hauses machen vorab keinen Hehl daraus, dass sie Buhrow angezählt sehen und vermeiden ein klares Bekenntnis zu ihrem Intendanten. Offenbar sogar noch mehr. In den Stunden vor der Versammlung mehren sich die Gerüchte, dass als nächste Eskalationsstuffe sogar öffentliche Rücktrittsforderungen aus den eigenen Reihen stehen können.
Und Buhrow? Dieser hatte sich in seiner Amtszeit als WDR-Intendant bis dato kaum etwas zu schulden kommen lassen. Die Wut sei also kein Tropfen auf den heißen Stein, wird in Köln hinter vorgehaltener Hand versichert. Umso unglücklicher für den früheren ARD-Korrespondenten, der sich eigentlich auf seine neue Aufgabe als Vorsitzender der Gesamt-ARD konzentrieren wollte. Den Posten hatte er zum Jahreswechsel übernommen. Sollte Buhrow als Konsequenz wirklich zurücktreten, geht er in die Geschichte an: Als über eine Oma gestolperter Intendant, der nur wenige Tage ARD-Vorsitzender war. Aber davor steht zunächst einmal eine intensive Aussprache mit den Redakteuren aus dem eigenen Haus.
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