Hinter den Kulissen
- Regie und Drehbuch: Nicolas Pesce
- Produktion: Sam Raimi, Robert G. Tapert, Taka Ichise
- Musik: The Newton Brothers
- Kamera: Zachary Galler
- Schnitt: Gardner Gould, Ken Blackwell
15 Jahre nach «The Grudge» mit Sarah Michelle Gellar in der Hauptrolle (die Fortsetzungen nicht mitgezählt) folgt nun der nächste Neuaufguss; oder besser: Irgendwas zwischen Remake, Reboot und Fortsetzung. Vorab hielt das Produktionsstudio mit wichtigen Informationen über den Erzählzeitraum hinterm Berg, doch nun bestätigt es sich: «The Grudge» aus dem Jahr 2020 spielt zwischen den Ereignissen aus dem US-Remake und dessen Sequel – aber der Grund dafür erschließt sich einem nach dem Film genauso wenig wie die Antwort auf die Frage, weshalb man ein und denselben Stoff nun noch ein weiteres Mal auf die Leinwand bringen muss, wenn man offenbar keinerlei neue Ideen hat, wie man dem Ganzen inhaltlich neue Facetten hinzufügen kann …
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Nicolas Pesce ist nicht der erste Regisseur, der nach experimentellen Regiearbeiten auf dem Independent-Sektor von einem großen Hollywood-Studio abgeworben wird. Nach «Eyes of my Mother» und «Piercing» ist der Sprung zu einer Franchise-Arbeit wie «The Grudge» natürlich ganz schön gewagt – lässt aber auch Hoffnungen aufkeimen, der 2020er-«The Grudge» könne vielleicht doch mehr sein als ein auf Profit ausgelegter Horrorreißer, der einfach nur deshalb gedreht wird, weil sich die Marke beim Zielpublikum so hervorragend etabliert hat. Und tatsächlich: Zumindest in der ersten Hälfte macht es sich durchaus bezahlt, dass jemand wie Pesce hier Regie führen und das Drehbuch schreiben durfte, denn der grobkörnig-altmodische, visuelle Stil ist ambitioniert und hat so gar nichts mehr mit der blutleeren Hochglanzwelt des 2004er-«The Grudge» zu tun. Und apropos Blut:
Dieser «The Grudge» hier ist außerdem bemerkenswert brutal, während die zum Großteil handgemachten Effekte und Masken (insbesondere die Visage eines durch einen fehlgeschlagenen Kopfschuss entstellten Mannes sieht wahrlich schaurig aus) dem Ganzen eine Haptik verleihen, dass man den Eindruck gewinnt, die Macher wollten das Image der «The Grudge»-Reihe als weitgehend harmlose Teenie-Bespaßung loswerden und stattdessen jenes von Pesce für sich nutzen. Dieser hat sich in der Vergangenheit schließlich schon mehrfach aufgrund seiner harten Gewaltdarstellung (insbesondere in «Eyes of my Mother») ins Gespräch gebracht. So weit so überraschend gelungen.
Doch die Art wie Pesce seinem Ruf inszenatorisch lange Zeit weitgehend gerecht wird, büßt er als Autor des «The Grudge»-Skripts schnell wieder ein. Und nicht nur das: Irgendwann unterwirft er sich dann doch den Auflagen des leicht verdaulichen Jumpscare-Horrors; wenngleich man ihm zweifellos anrechnen muss, dass seine Schocks, abgesehen von der vorhersehbaren Inszenierung, immer auch von dem hohen Blutgehalt und dem Mut zur Gewalt profitieren.
Ansonsten bietet der «The Grudge» von 2020 inhaltlich nicht mehr als der «The Grudge» von 2004 und somit im Grunde als alle anderen Filme bisher. Kein Wunder: Schließlich bezieht sich auch Pesce auf ebenjenen titelgebenden Fluch, dessen Wirksamkeit und Art der Verbreitung sich seit über zwei Jahrzehnten nicht grundlegend verändert hat. Einzig und allein die Erzählform gaukelt ähnlich hohe Ambitionen vor wie der Inszenierungsstil, erweist sich allerdings relativ zügig als Effekthascherei. Pesce springt zwischen verschiedenen Jahren hin und her. Angefangen 2004 – also zu jener Zeit, in der das erste US-Remake von «The Grudge» spielt – über 2005 bis hin zu 2006, wo die Haupthandlung angesiedelt ist, erstrecken sich die Ereignisse über drei Jahre und über vier verschiedene Figurengruppen, die auf ihre ganz persönliche Weise mit dem Fluch in Kontakt gekommen sind und so auch für dessen Verbreitung sorgen.
Der Fokus liegt dabei klar auf einer jungen Polizeikommissarin (Andrea Riseborough), die sich er durch Zufall den Ermittlungen im «The Grudge»-Fall hingibt, da sie als einzige die Zusammenhänge zwischen zwei skurrilen Todesfällen erkennt. Riseborough («Oblivion») legt ihre ambitionierte und nach und nach immer mehr selbst in die Fänge des Fluchs geratene Polizistin bemerkenswert tiefgründig an, wird aber kontinuierlich von der Oberflächlichkeit des Drehbuchs ausgebremst. Das gilt sowohl für ihre klischeehafte Figurenzeichnung als alleinerziehende Mutter, die über den Job (natürlich) ihren Sohn vernachlässigt, als auch für ihre Schauspielkollegen, die es mit ihren oberflächlichen Charakteren noch schlimmer getroffen hat – und die wiederum kaum etwas unternehmen, um darüber hinweg zu spielen.
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Fazit: Nicolas Pesce inszeniert zweifellos ambitioniert schon vielfach erzählten Stoff. Doch da ihm ausgerechnet bei der Geschichte selbst die Ideen für neue Impulse fehlen, übernehmen über kurz oder lang wieder einmal die Jump-Scares das Kommando.
«The Grudge» ist ab dem 9. Januar in den deutschen Kinos zu sehen.
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