Die Kritiker

«Tatort - Monster»

von   |  1 Kommentar

Kommissar Fabers alter Erzfeind gibt sein Comeback: Kann der Dortmunder «Tatort» dadurch an seine alten Hochzeiten anknüpfen?

Cast & Crew

Vor der Kamera:
Jörg Hartmann als Peter Faber
Anna Schudt als Martina Bönisch
Aylin Tezel als Nora Dalay
Rick Okon als Jan Pawlak
Florian Bartholomäi als Markus Graf
Luisa-Céline Gaffron als Evelyn Kohnai
Anke Retzlaff als Ella Pawlak

Hinter der Kamera:
Produktion: Bavaria Fiction GmbH
Drehbuch: Jürgen Werner
Regie: Torsten C. Fischer
Kamera: Theo Bierkens
Produzentin: Sonja Goslicki
Die meisten Helden sind dann am stärksten, wenn sie sich an einem fast ebenso starken Nemesis abarbeiten dürfen: So wie Kommissar Peter Faber (Jörg Hartmann), als er sich in den ersten – und inhaltlich bis heute nicht mehr erreichten – vier Folgen des Dortmunder «Tatorts» dem mephistophelischen Markus Graf (Florian Bartholomäi) stellen musste, der in der Backstory der Reihe – konkreter wird sie leider nicht – mit dem Tod von Fabers Frau und Kind in kausalem Zusammenhang stand.

Nach seinem Ausbruch aus der JVA ist Graf schon länger auf der Flucht vor den Behörden und gibt nun sein Comeback, um Faber endgültig in den Suizid zu treiben. Dafür will der Psychopath dessen Trauma an seinem jungen Kollegen Pawlak (Rick Okon) nachbauen. Unter Androhung von Gewalt zwingt er dessen Junkie-Frau, sich eine lebensbedrohliche Dosis Heroin zu spritzen, bevor er sich mit Pawlaks kleiner Tochter davonmacht, die er wenig später Sexualstraftätern im Darknet zur Auktion freigibt.

Die heißeste Spur zu ihr greift Faber in einem gutbürgerlichen Wohnhaus auf, wo eine junge Frau, die ihr Leben lang nichts anderes gekannt hat als sexuelle Gewalt, ihren einstigen Vergewaltiger ermordet hat, der sich durch den Handel mit alten Spielsachen einen nie versiegenden Quell an Kindern zum Missbrauchen aufbauen konnte. Sie ist der Einstieg in Thema und Sujet dieses Films, der bedrückend vom Leid der Opfer in all ihren Stadien erzählen will. Als sie sich Faber stellt, presst der in üblich brachialer Manier ihre Biographie aus Inzest und Straßenstrich aus ihr heraus. Bei einer Razzia ein paar Szenen später erschrickt Nora Dalay (wunderbar feinfühlig: Aylin Tezel), wie sie in der finsteren Ecke einer Backstube einen zusammengekauerten nackten Jungen findet. Und zur selben Zeit wartet Pawlaks Tochter vor einer Webcam auf ihren Vergewaltiger, während ein Gebot nach dem anderen eingeht.

Doch so hart der Tobak in diesen Zeilen beschrieben wurde, so durchdringend fällt er filmisch – bis auf wenige wirkungsvolle Andeutungen – lange nicht aus.

Am elegantesten und verstörendsten ist wirkliche Tragik im Allgemeinen durch Schweigen, Stille, ein Ansetzen zur Erzählung und ihr sofortiger Abbruch, durch die ehrliche Stärke der Verwindung und das Trauma der nicht verheilenden Wunden darstellbar – subtile Motive, die gerade durch die Symbiose aus äußerst bedrückender Thematik und emotional zurückhaltender, alltagsnaher Inszenierung ihre erschreckende Wirkung ziehen. Doch davor schreckt „Monster“ zumindest im Kern zurück, und erzählt stattdessen mit Großaufnahmen von verweinten Gesichtern, einem beständigen Aufschaukeln der Lautstärke in Verhörszenen und allzu suggestiven Nichtsätzen, die eher Kalendersprüchen entlehnt statt mit psychologischer Wirkmächtigkeit erdacht wurden („ein Kind, das nie vergisst“), ehe am Schluss die Lektion dialogisiert werden muss, weil man weder auf das Verständnis des Zuschauers noch die eigene Erzählkraft vertrauen will: „Sie versuchen wie alle anderen, zu verdrängen, dass es sowas tatsächlich gibt.“

Der Konflikt zwischen Kommissar Faber und seinem Erzfeind Markus Graf kann derweil ebenso wenig zu den dynamischen, psychologisch dichten und freimütig abgründig inszenierten Hochzeiten der Reihe aufschließen. Anstatt auf eine kohärente, thematisch fesselnde Erzählung aufzubauen, begnügt sich das Drehbuch mit Gimmicks, die mitunter in alberne Referenzen auf angelsächsische Hochglanzformate münden – und dann unfreiwillig dekonstruieren, warum dieser Nachbau im Gegensatz zum (unterstellten) Vorbild nicht funktioniert. War in «Sherlock» der „Reichenbach-Fall“ von Dauernemesis Moriarty der Höhepunkt einer packenden, folgenlangen, intensiven Fehde, wird ein ähnlicher „Fall“ im neuen «Tatort» als lauer Übergang vom ersten in den zweiten Folgen-Akt gesetzt – und wo «Sherlock» anschließend so elegant wie exzentrisch mit seiner Auflösung des Unmöglichen kokettierte, begnügt sich „Monster“ mit dem flotten Gag, der da schon zur Luftnummer verkommen ist.

Das Erste zeigt «Tatort – Monster» am Sonntag, den 2. Februar um 20.15 Uhr.

Kurz-URL: qmde.de/115381
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Es gibt 1 Kommentar zum Artikel
Sentinel2003
02.02.2020 11:58 Uhr 1
Ich will ja nix sagen, aber, zumindest für mich ist der Dortmunder tatort nach wie vor der BESTE der Reihe!! Und, dass die Dortmunder nicht mehr an die ersten 4 Fälle ran reichen, nun, wenn DU das so meinst...in "Das Team" waren die 2 Dortmunder mit die Besten!
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