Serientäter

«Pastewka»: Sooooo (!) wandelte sich die frühere Sat.1-Sitcom zur Amazon-Comedy

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Zehn Staffeln in 15 Jahren: «Pastewka» ist eine langlebige Serie mit ganz eigener Veröffentlichungshistorie – und eine Zeitkapsel für Seriengewohnheiten und Mediendeutschland. Aber eine Zeitkapsel mit Lücken …

Lange Laufzeit, einige Pausen


«Pastewka» hat eine ungewöhnliche Veröffentlichungsgeschichte: Wenn in wenigen Tagen die finale Staffel startet, erreicht «Pastewka» zwar seine zehnte Season. Gleichzeitig wird das Format dieses Jahr aber beeindruckende 15 Jahre alt. Grund dafür sind die zahlreichen Pausen, die «Pastewka» zwischendurch eingelegt hat: Die ersten drei Staffeln folgten noch schön geordnet aufeinander. Im September 2005 startete Sat.1 die erste Staffel, im September 2006 die zweite und im November 2007 die dritte. 2008 setzte «Pastewka» allerdings aus, die vierte Runde kam erst im Oktober 2009 heraus. Auch 2010 mussten Fans auf den Start einer neuen «Pastewka»-Staffel verzichten, Runde fünf lief aber wenigstens schon im Februar 2011 an. September 2012 brachte die sechste Staffel mit sich, dann dauerte es bis September 2014, bevor die siebte und finale Sat.1-Staffel herauskam.

Amazon belebte «Pastewka» dann mit einer neuen Erzählhaltung wieder. Los ging es Ende Januar 2018, ein Jahr später kam Runde neun heraus und die finale zehnte Staffel startet Anfang Februar dieses Jahres. Mit zehn Staffeln in 15 Jahren hat «Pastewka» ein paar Kuriositäten und Besonderheiten durchgemacht, die sich einem nicht unbedingt aufdrängen – bei einem Rewatch aber umso deutlicher werden.

Ein interessantes Kuriosum ist etwa, dass «Pastewka» zwar Referenzen auf «TV total» und Stefan-Raab-Sportevents beinhaltet, der Raabschied jedoch keine Rolle in der Serie spielt, nicht einmal Erwähnung findet. Und während «Pastewka» mit Anspielungen auf «Sieben Tage – sieben Köpfe», «Verstehen Sie Spaß?» in der Frank-Elstner-Ära und einem TV-Publikum mit noch relativ frischen «Die Wochenshow»-Erinnerungen begonnen hat, und nun in der Amazon-Ära von Chris Tall und Luke Mockridge als Giganten im Comedygeschäft erzählt, ging das Phänomen Joko und Klaas dieser Zeitkapsel deutscher TV-Kultur irgendwie durch die Lappen.

Auch ein internationales Fernsehereignis ist Serienfreak Bastian durchgerutscht: Er beginnt «Pastewka» als Fernsehnostalgiker. Mit seinem Serienwissen und seiner Seriensucht ist er daher ein sonderbarer Kauz – 2005 war Seriensuchten halt noch nicht derart in Mode wie heute. Sprach Bastian eingangs hauptsächlich von alten Formaten, war wenigstens «24» durch Bastians Klingelton eine frühe Präsenz moderner Serienkultur. Etwas später sehen wir Bastian «Lost» suchten und das Finale der siebten Staffel dreht sich unter anderem um «Homeland». Nach der Pause sehen wir in der Amazon-Ära dann, wie Anne mit ihm zusammen die neue «Twin Peaks»-Staffel guckt (das Serienfieber griff nun also auch "normale" Leute an) und Bastian wird zum «Game of Thrones»-Freak. Doch «Breaking Bad» findet im «Pastewka»-Universum keine Erwähnung – eine Serie, die doch synonym für Peak-TV und das Bingen von Serien steht, sowie dafür, wie Serienfreaks Serienmuffel mit ihrem Stoff anfixen.

Mit dem Blick zurück nach Mediendeutschland fällt wiederum auf, wie durch die lange Laufzeit der Serie anfangs vereinzelte Medienleute, die heute ideal für einen prominenten Gastauftritt als sie selbst wären, anfangs "verbrannt" wurden, indem man sie in anderen Rollen besetzt hat: Carolin Kebekus spielt in Staffel zwei eine Prostituierte, Schauspielstar Denis Moschitto ist in Staffel zwei dagegen als Comedian Birger Schönemann und Ex-Comedyautor zu sehen, Hans-Joachim Heist ist in derselben Staffel, noch bevor seine Rolle als Gernot Hassknecht durch die Decke ging, als Standesbeamter besetzt worden und Fahri Yardım ist in Staffel drei noch ein Niemand, der Autoscheiben putzt. Und Dieter Wedels Gastauftritt in Staffel vier als angesehener Regisseur, der seine Vergangenheit als Sexfilmchen-Filmer vertuschen will, guckt sich im Jahr 2020 auch ganz anders, als noch bei der Erstausstrahlung im Februar 2010.

Bei einer so lang laufenden Sitcom sind nicht nur solch bittere Treppenwitze und "Hupps, wir konnten den Aufstieg eines Promis nicht vorhersehen"-Situationen vorprogrammiert, auch inhaltliche Wellen lassen sich natürlich ebenso wenig vermeiden. Die erste Staffel war noch sehr stark in Bastians Familienleben und Alltagsproblemchen verwurzelt (abgesehen von der Episode "Die Preisverleihung"), und der Promi-Faktor Bastians hat bloß Dinge weiter verkompliziert. Ab Staffel zwei kam Bastians Berufsleben in größerer Schlagzahl prominent zur Geltung, bevor Staffel fünf die nächste größere Änderung mit sich brachte: Nach 38 Episoden mit sehr ähnlicher Struktur (Bastian benimmt sich anfangs daneben, der eigentliche Plot entfaltet sich, Bastian gerät in Trubel, kann sich gerade so raus lavieren, sein Patzer vom Beginn der Episode enttarnt ihn oder bringt anderen Ärger mit sich), fiel Staffel fünf nämlich exzentrischer aus:

Mit Plots wie "Die ganze Stadt Köln verwandelt sich in einen zornigen Mob, weil Bastian sich nicht für Fußball und somit auch nicht für den FC Köln interessiert", "Bastian bildet sich ein, Bernd das Brot würde mit ihm reden", "Bastian trainiert mit einem afrikanischen Asylanten, den Kim heiraten will, für einen Marathon, und Bastian sowie Hagen hecken einen Komplott aus, um die Hochzeit zu verhindern", "Bastian und Frau Bruck haben Albträume, sie würden bei «Schlag den Star» gegeneinander antreten und holen Matthias Opdenhövel in Bastians Wohnung, um sich wirklich zu duellieren" und "Bastian und Markus Maria Profittlich drehen einen Werbespot für sehr kleinliche Japaner" (eine Folge, die schräger umgesetzt ist, als sie klingt) ist Staffel fünf so etwas wie das "Gasleck-Jahr" von «Pastewka». Gut, aber seltsam – und ganz nebenher wurde ein im Hintergrund sehr lose laufender Plot aufgebaut, dass Bastian (aus Steuergründen) erstmals ernsthaft übers Heiraten nachdenkt, worauf Anne schon ewig wartete.

Staffel sechs fing sich dann mit den Episodenhandlungen wieder und steuerte der episodenhaften, losen Erzählweise zum Trotz auf ein langsam, sporadisch vorbereitetes, offenes Ende hin: Werden Anne und Bastian heiraten oder nicht?

Wer Staffel acht nicht mag, muss mit dem Finger auf Staffel sieben zeigen


In einer wahren Powerszene im Auftakt zu Staffel acht bringt es Sonsee Neu als Anne schimpfend und perfekt auf den Punkt: "Wir haben uns entschieden, nicht zu heiraten. Aber wenn ich ehrlich bin, habe ich das alles dir zuliebe gemacht. Aber alles, was danach kam, ergibt überhaupt keinen Sinn mehr." Schwingt da etwa ein Hauch Selbstkritik der Serienmacher mit, wie in Staffel sieben mit den Hauptfiguren verfahren wurde?



Auch wenn die achte Staffel von «Pastewka» von manchen Fans ernüchtert aufgenommen wurde, war dieser Schritt hin zu mehr Dramatik, einer horizontalen Erzählweise und einer Trennung von Anne und Bastian dringend nötig, wenn man die Serie vernünftig fortführen wollte. Denn Staffel sieben stand schon kurz davor, die alte Formel zu überreizen: Die Achterbahn namens Beziehung, die Anne und Bastian in den ersten sechs Staffeln durchmachten, war schon turbulent genug. Und nach zig Auseinandersetzungen, Auszügen, Zusammenzügen und schnell aufgelösten Beziehungspausen am Ende der sechsten Staffel mit einem Münzwurf zu entscheiden, ob man heiraten will, war das Maximum, was man erzählen konnte, ehe das Miteinander des bequemen Bindungsphobikers Bastian und der von Staffel eins an über Familienplanung nachdenkenden Anne unglaubwürdig und/oder monoton wird.

Staffel sieben beantwortete das offene Ende der sechsten Staffel mit einem: "Nein, es kam nach dem Münzwurf zu keiner Hochzeit." Hinter den Kulissen gab es den Grund dazu, dass sich die Serienschaffenden einig waren, dass die Serie vorbei ist, sollten Anne und Bastian jemals heiraten (genügend Comedyserien hätten das bewiesen), und sie haben wohl auch recht damit. Denn «Pastewka» lebt auch von der Anspannung, in welche Fettnäpfchen Bastian als nächstes treten wird, und wenn Anne und Bastian heiraten sollten und die Serie nach diesem großen Schritt für diese beiden Figuren unbeirrt weitermacht wie zuvor, verlieren die Beiden ihre Glaubwürdigkeit.

Aber Staffel sieben dehnte auch so die Plausibilität dieses Paares: Nach dem Rückzieher ist die Stimmung zwischen Anne und Bastian peinlich berührt (selbstredend: sogar Comedyserienfiguren finden es seltsam, wenn ein jahrelanges Paar in der Nacht vor der Trauung kneift). Der Staffelauftakt zu Runde sieben treibt es dann noch weiter, indem Bastian genau das erkennt und einen neuen Hochzeitsanlauf plant, der aber schief geht. Die Doppelfolge "Die Zeremonie" ist sehr lustig, da sie auf einer raffiniert eingefädelten Eskalation basiert – doch sie treibt das Spielchen insofern zu weit, als dass Anne und Bastian wenige Sätze vor einer Eheschließung wieder zurückgeworfen werden.

Der Rest der Staffel zeigt Anne und Bastian (schlüssigerweise, aber auch den Serienspaß drosselnd) so unharmonisch wie nie zuvor: Jede Folge mündet in einen Beziehungsstreit, der so groß ist, dass es vollkommen glaubhaft wäre, würden die Beiden sich während des Abspanns die schlimmsten Worte an den Kopf werfen und letztlich trennen. Aber aufgrund der Gesetze einer episodenhaft erzählten, klassischen Sitcom bleibt der Status quo bestehen und die nächste Episode beginnt damit, dass Bastian überlegt, wie er alles wieder gut machen kann und letztlich alles nur noch schlimmer macht. Die Serie manövrierte sich also in eine Zwickmühle: Selbst Fans von Comedyserien waren es nunmehr gewohnt, dass man mit Beginn der nächsten Folge nicht einfach sämtliche Geschehnisse der vorherigen Folge aus dem Gedächtnis löschen kann. In «Pastewka» summierten sich deshalb die plausiblen Gründe dafür, dass es zwischen Bastian und Anne zum Bruch kommt – und da die Serie keinen konkreten horizontalen Bogen erzählte, steuerte sie nicht dagegen. Da aber Spurenelemente eines roten Fadens aufkamen, konnte man nicht mehr sagen: "Naja, die Serie ist halt ein Relikt einer Zeit, als nur die einzelnen Folgen zählten, nicht die Summe ihrer Plots."

Es gab eigentlich nur folgende Optionen: Staffel sieben ist das Ende, die Serie findet einen Abschluss in Form eines metafiktionalen Kreisschlusses und ein Serien-Bastian, der in einer noch bestehenden, aber brüchigen Beziehung steckt, ist für den Rest seiner Tage als Darsteller in «Frier» gefangen, also in einer überspitzten Version seiner Realität. Oder Staffel acht macht einfach so weiter wie bisher und wir verlieren als Zuschauerinnen und Zuschauer jeglichen Respekt vor der Figur Anne, weil sie den ganzen Dreck noch immer über sich ergehen lässt, obendrein werden in diesem Fall die "Die Beziehung steht kurz vor dem Aus, Bastian rettet die Beziehung mit Lug und Trug, er fliegt auf, die Beziehung steht kurz vor dem Aus"-Maschen alt und langweilig.

Oder es kommt zu einer Änderung. Eine aus heiterem Himmel fallende Besserung Bastians wäre unlustig und unglaubwürdig – also kam es in Staffel acht zur vollkommen konsequenten, plausiblen Totaleskalation, die «Pastewka» zudem endgültig in die neue Serienära mit horizontalen, episodenübergreifenden Handlungssträngen schubst. So ist es gekommen, und nach der siebten «Pastewka»-Staffel, die kurz davor stand, die alte Formel völlig abzunutzen, war die achte Staffel, die wir bekommen haben, die einzig richtige Herangehensweise. Und die Weichen für einen runden Schluss sind gestellt: Im großen Krach zwischen Anne und Bastian erzählt der Komiker-Dödel, was seine Vision eines schönen Lebens wäre – und sollte er mal seinen Groll auf Frau Bruck runterschlucken und sich die ganzen Komplotte mal sparen, so wäre er am Ende von Staffel neun schon verdammt nah dran, in diese Traumvision zu holpern und zu stolpern.

Ob er es erfolgreich durchzieht, das sagt uns dann Staffel zehn. Wir sind gespannt!

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