Filmfacts «Birds of Prey: The Emancipation of Harley Quinn»
- Regie: Cathy Yan
- Produktion: Margot Robbie, Bryan Unkeless, Sue Kroll
- Drehbuch: Christina Hodson; basierend auf den Comics von Jordan B. Gorfinkel, Chuck Dixon
- Cast: Margot Robbie, Mary Elizabeth Winstead, Jurnee Smollett-Bell, Rosie Perez, Chris Messina, Ella Jay Basco, Ali Wong, Ewan McGregor
- Musik: Daniel Pemberton
- Kamera: Matthew Libatique
- Schnitt: Jay Cassidy, Evan Schiff
- Laufzeit: 109 Minuten
- FSK: ab 16 Jahren
Zur Einzelgängerin wird Harley Quinn dadurch aber nicht. Stattdessen macht Harley Quinn eine Reihe neuer Bekanntschaften. Sie geht dem selbstverliebten und schmuck gekleidetem Gangsterboss Roman Sionis (Ewan McGregor) auf die Nerven. Ihre Pfade kreuzen sich mit der Barsängerin Dinah Laurel Lance alias Black Canary (Jurnee Smollett-Bell), die eigentlich ständig nur ihren Kopf in den Sand stecken will, aber doch ein gutes Herz hat und daher in der Sekunde der Not für Andere einschreitet. Harley Quinn trifft auf eine Rächerin namens Huntress (Mary Elizabeth Winstead), die saugut kämpfen kann, aber sonst in vielen Dingen Nachhilfe benötigt. Die dem Alkohol verfallene Polizistin Renee Montoya (Rosie Perez) mischt sich ebenfalls ein – und dann ist da noch die junge Taschendiebin Cassandra Cain (Ella Jay Basco), die alles verkompliziert …
Als Adaption von Comics über Figuren, die im «Batman»-Universum vorkommen und von denen manche auch unnatürliche Kräfte haben, dürfte «Birds of Prey» von vielen zweifelsohne ins Superhelden-Genre gepackt werden. Doch hinsichtlich Tonalität und Erzählhaltung ist «Birds of Prey» eher ein weiblicher (Klein-)Gangster-Film. Ein Gal-Ritchie-Film, wenn man so will. Hier steht nicht das Schicksal der Welt auf dem Spiel, stattdessen geht es um eine Reihe weiblich Figuren am Rande der Gesellschaft, die einem Juwel nachjagen und sich gegen einen fiesen Ganovenboss zu wehren versuchen. Viele Szenen spielen konsequenterweise in heruntergekommenen Wohnungen, dreckigen Gassen, ranzigen Verstecken oder aber in minimalistischen, stylischen Unterwelt-Clubs.
Das sorgt in der Masse der gebotenen Comic-Adaptionen für einen frischen Wind, zumal «Birds of Prey», anders als Todd Phillips' sehr deutlich in Richtung Martin-Scorsese-Gangsterkino schielender «Joker», nicht einfach dreist und direkt kopiert, sondern sich schlicht inspirieren lässt. Das Produktionsdesign von «Birds of Prey» ist dreckig, aber auf eine verspielt-durchgeknallte Art, vor allem Harley Quinns Wohnung ist rappelvoll mit schrägen Details, während das große Actionfinale (ohne matschiges CG-Effektgewitter!) an einem der Hauptfigur und der filmischen Tonalität entsprechenden, verschrobenen Schauplatz stattfindet. Die heimlichen Stars des Films sind derweil das exzentrische Make-up der zentralen Figuren und ihre ebenso schnittige wie auffällige Garderobe – seien es beispielsweise Roman Sionis' Angeber-Anzüge oder Harley Quinns Punk-/Party-Girl-Chic.
Auch schauspielerisch ist Harley Quinn extrem auffällig: Als irre Schurkin (mit einem Hauch von Edelmut in ihr), die gerade in einer persönlichen Neufindungsphase steckt, ist Harley Quinn gleichermaßen Energiebündel wie Quälgeist, was Regisseurin Cathy Yan, Drehbuchautorin Christina Hodson und Produzentin/Hauptdarstellerin Margot Robbie aber auch ganz genau wissen. Sie legen Harley Quinn zu gleichen Teilen als Identifikationsfigur als auch als sympathisches Ziel von Witzen an, und Robbie balanciert Harley Quinns Launen meisterlich aus, so dass sie sich in Sekundenschnelle von gewiefter Heldin zu planloser Witzfigur zu unberechenbarer Anti-Heldin (und zurück) wandeln kann und ebenso schnell mehrere Gefühlswellen durchlebt.
Da Harley Quinn zudem als unkonzentrierte, vor Ironie triefende und vulgäre Erzählerin auftritt und sie den Irrsinn von «Birds of Prey» kommentiert, liegt aber auch ein Vergleich mit Marvels derber Action-Metakomödie «Deadpool» nahe. Beide Filme haben sogar eine ähnliche Erzählstruktur, als dass eine Reihe an Rückblenden zunächst den Storyfortlauf (bewusst) ausbremst. Aber anders als das Mutantengroßmaul Deadpool, das in seinen Erzählkommentaren und Dialogschnellfeuern nahezu ausschließlich auf den "Guck mal, ein Schimpfwort!"-Effekt setzt und sich sonst für den Coolsten von allen hält, ist Harley Quinn eine facettenreichere und schwerer einzuschätzende Figur. So werden ihre Witze nicht so schnell alt und da Harley Quinn auch Schwächen und Fehler zugestanden werden, besteht geringeres Overkill-Risiko als bei der Filmversion von Deadpool.
Szenendieb in «Birds of Prey» und somit Top-Anwärterin auf einen möglichen Solofilm (mit sowas muss man bei Filmuniversen ja stets rechnen) ist derweil Mary Elizabeth Winsteads staubtrocken-humorige, zugleich aber auch mit gesundem Pathos ausgestattete Huntress. Sie sorgt auch für die schnittigste Action, wobei die in «Birds of Prey» neben der Punkgirl-Powerattitüde, dem markigen Soundtrack und den schnellen, schrägen Sprüchen sowie ein paar stylischen Einlagen (wie einer Marilyn-Monroe-Hommage) fast schon eine untergeordnete Rolle spielt. Wenn es aber zu Actionpassagen kommt, inszeniert Cathy Yan sie mit solidem Tempo und mit einem stimmigen Mix aus knallig-bunt und schurkischer Härte.
Fazit: «Birds of Prey» ist rotzig, schräg und launig: Selbst wenn der letzte Schuss Wahnsinn fehlt, macht dieser Schurkinnen-Streifen Mordsspaß.
«Birds of Prey» ist ab dem 6. Februar 2020 in vielen deutschen Kinos zu sehen.
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