Filmfacts: «The Lodge»
- Start: 6. Februar 2020
- Genre: Horror/Drama
- FSK: 16
- Laufzeit: 106 Min.
- Kamera: Thimios Bakatakis
- Musik: Danny Bensi, Saunder Jurriaans
- Buch: Sergio Casci, Severin Fiala, Veronika Franz
- Regie: Veronika Franz, Severin Fiala
- Darsteller: Richard Armitage, Riley Keough, Alicia Silverstone, Jaeden Martell, Lia McHugh
- OT: The Lodge (UK/CAN/USA 2019)
Und verlässt man einmal den Filmsektor, kommt man im Falle von «The Lodge» sogar noch zu weiteren, deutlich abstruseren Vergleichen: Die Handlung erinnert zum Beispiel stark an einen mehrere Jahre alten Donald-Duck-Cartoon.
Von der Außenwelt abgeschnitten
Journalist Richard (Richard Armitage) beschließt, die Weihnachtsferien mit seinen beiden Kindern Mia (Lia McHugh) und Aidan (Jaeden Martell) sowie seiner neuen Freundin Grace (Riley Keough) in seiner gemütlichen, verschneiten Waldhütte in den Bergen zu verbringen. Doch seine Kinder sind davon alles andere als begeistert: Sie trauen ihrer „zukünftigen Stiefmutter“ nicht über den Weg – und lassen sie das auch bei jeder Gelegenheit spüren. Als Richard beruflich für ein paar Tage in die Stadt fahren muss und seine Familie alleine in den Bergen zurück lässt, passieren jeden Tag neue, unheimliche Ereignisse, die Mia und Aidan in ihrer Meinung bestärken, dass mit Grace irgendetwas nicht stimmt. Und als die Geschwister dann auch noch äußerst grausamen Details aus Graces Kindheit auf die Spur kommen, beginnt ein zunehmend eskalierendes Katz-und-Maus-Spiel, das die Drei an die Grenzen des Wahnsinns – und hindurch – führt…
Zugegeben: Der Einstieg in «The Lodge» trifft einen mit voller Wucht in die Magengrube. Dabei packen die auch für das Drehbuch mitverantwortlichen Franz und Fiala sowie Autor Sergio Casci («The Caller») hierfür noch nicht mal einen besonders innovativen Überraschungseffekt aus, sondern bedienen sich ganz einfach an Genre-Großmeistern wie «Psycho»-Regisseur Alfred Hitchcock oder «Scream»-Mastermind Wes Craven, indem sie für wenige Minuten Alicia Silverstone («Book Club – Das Beste kommt noch») als Hauptfigur etablieren, eh diese sich kurz darauf vor laufender Kamera in den Kopf schießt. Im ersten Moment ist das schockierend, im zweiten aber schon gar nicht mehr so sehr. Das direkte Zeigen des Selbstmordes hätte es ohnehin nicht gebraucht. Zwischen diesem und den eigentlichen Ereignissen vergeht ein Zeitsprung über mehrere Monate, sodass die direkten Folgen des Suizids gar nicht so sehr thematisiert werden. Die Erwähnung des Muttertodes hätte völlig genügt, um das Szenario zu etablieren, das Zeigen des Selbstmords entpuppt sich somit schnell als Effekthascherei.
Im Fokus von «The Lodge» steht nämlich ohnehin der fragwürdige Patchwork-Familienurlaub, den Vater Richard gemeinsam mit seinen Kindern und der von ihnen verhassten neuen Freundin unternimmt. Und schon da beginnt das Problem. Denn High-Concept-Prämisse hin oder her: Um zu schlucken, dass ein Vater seine noch deutlich vom Tod der leiblichen Mutter gezeichneten Kinder mit der neuen, alles andere als in die Familie integrierten Partnerin alleine lässt und diese aufgrund einer Sekten-Vergangenheit zudem in einem psychisch äußerst labilen Zustand ist, muss man schon beide Augen ganz fest zudrücken, um nicht durchgehend die Grundidee infrage zu stellen und den handelnden Figuren die aus dem Ruder geratenen Ereignisse dadurch irgendwie auch ein Stückweit zu gönnen.
Schneehorror auf den Spuren alter Meister
Aber nehmen wir einmal an, dass man sich mit der Grundidee halbwegs arrangiert, funktioniert zu Beginn von «The Lodge» zumindest das Spiel mit den Feindbildern. Wie es das Skript nämlich hinbekommt, dass sich über einen ziemlich langen Zeitraum gar nicht so recht erkennen lässt, ob nun Sektenflüchtling Grace oder doch die beiden Kinder Böses im Schilde führen, ist über weite Strecken die größte Stärke des Films. Sowohl Riley Keough («American Honey») als auch die beiden Filmgeschwister Jaeden Martell («Es: Kapitel II») und Lia McHugh («Along comes the Devil») nehmen einander nichts an unnahbar-düsterer Präsenz, indem sich beide Parteien immer wieder gegenseitig testen und provozieren. Inwiefern bei Grace Unsicherheit die Ursache für ihren bisweilen ungelenken Umgang mit den Kids ist, oder sie ganz bewussten Psychoterror betreibt, bleibt ebenso lange offen wie die Frage, ob die diabolischen Gesichtsausdrücke der Kinder eher der der Marke „Hunde die bellen, beißen nicht“ entstammen, oder ob man es bei Aidan und Mia mit den inoffiziellen Nachfolgern der sadistischen Zwillinge aus «Ich seh, ich seh» zu tun hat. Darstellerisch ist das hier in den ruhigen Momenten jedenfalls ganz großes Kino, was sich allerdings ändert, sobald die Geschehnisse in der Hütte schleichend eskalieren.
Was mit verschwundenem Proviant und stillstehenden Uhren im ganzen Haus beginnt und mit unheimlichen Stimmen und Geräuschen weitergeführt wird, mündet schließlich in immer hanebücheneren Symbolen, Motiven und Visionen, eh Aidan eine obskure Erklärung nach der anderen auspackt, bis man schon allein deshalb auf Graces Seite sein muss, weil man genauso wenig wie sie weiß, was hier eigentlich – im wahrsten Sinne des Wortes – gespielt wird. All diesen skurrilen Verwicklungen gleicht sich auch das Spiel des Dreiergespannes an, das groß gestikulierend beginnt und schließlich am Overacting kratzt. Im Anbetracht des erzählerischen Verlaufs ist das allerdings sogar konsequent; Aus dem Psychodrama wird heillos konstruierter Over-the-Top-Horror, den man, wie schon die eigentliche Prämisse, jedoch kaum ernst nehmen kann, wodurch er einen Großteil seines Schreckens verliert.
Das können die Macher mit ihrer zwar sehr stark von bestehenden Horrorfilmen und Regiestilen inspirierte (oder eben geklauten), aber immerhin wirkungsvollen Inszenierung ein Stückweit ausgleichen. Wenngleich das Puppenhaus-Motiv gen Ende des Films sogar inhaltlich seine erzählerische Zweckdienlichkeit offenbart, erinnern die Aufnahmen aus dem Inneren des Spielzeughauses sowie die Übergänge von dort in die echte Lodge einfach derart stark an «Hereditary», dass man den Vergleich einfach ziehen muss. Nur leider ist «The Lodge» längst nicht so penibel durchdesignt, dass seine Kopie dem Vergleich standhalten würde. Auch die Tatsache, dass Kameramann Thimios Bakatakis bislang für einen Großteil der Yorgos-Lanthimos-Arbeiten (unter anderem «The Killing of a Sacred Deer») verantwortlich zeichnete, ist dem Film anzumerken. Die verzerrten Perspektiven und ungewohnten Kameraeinstellungen, die die Darsteller stets deutlich kleiner erscheinen lassen als die eigentlich ziemlich beengte Hütte um sie herum, sorgen automatisch für Unbehagen.
Kein Zweifel: Inszenatorisch verstehen Severin Fiala und Veronika Franz ihr Handwerk. Auch der Verzicht auf typische Jumpscares – selbst in Momenten, die sich ganz hervorragend dafür eignen würden – zeugt von einer Ambition, mit denen ein Großteil aktuell geschätzter Horrorfilmer ihre Werke in Szene setzen. Wir erinnern da neben Ari Aster auch an einen Robert Eggers oder Jordan Peele. Doch letztlich stellen sich die österreichischen Genrefilmer mit ihrer von Anfang an an den Haaren herbeigezogenen Geschichte selbst ein Bein. Und dadurch, dass ihr Film eigentlich nur deshalb okay ist, weil sie munter von deutlich besseren Genrevertretern kopieren. Da greifen wir doch lieber gleich zum Original.
Fazit
Ganz viel «Hereditary» hier, eine Prise Yorgos Lanthimos dort und eine Story, die man aufgrund ihrer schmerzhaft konstruierten Grundidee eigentlich von Anfang an nicht ernst nehmen kann: Auch für «The Lodge» bedienen sich die «Ich seh, ich seh»-Regisseure Veronika Franz und Severin Fiala lieber an Bekanntem, anstatt Neues zu kreieren.
«The Lodge» ist ab dem 6. Februar in ausgewählten deutschen Kinos zu sehen.
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06.02.2020 17:35 Uhr 1