Interview

Abdelkarim: 'Ich finde Talkshows gar nicht schlecht!'

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Der Comedian verrät, wie eine «Endlich Klartext»-Folge entsteht und was Kontext zur Comedy beiträgt.

Stellen Sie sich vor: Ein RTL II-Typ fragt einen Marokkaner, ob er nicht Bock hätte, bei einem Polit-Format mitzumachen. Ehrlich gesagt klingt das schon sehr tragisch. Also habe ich zugesagt ...
Abdelkarims Reaktion, als ihm «Endlich Klartext» angeboten wurde
Wie läuft bei «Endlich Klartext» eigentlich die Akquise der Politiker-Gäste ab?
Das Redaktionsteam verschafft sich zunächst einen Überblick, welche Themen wir haben. Dann wird überlegt: Welche Politikerinnen und Politiker haben dazu beleuchtenswerte Positionen? Das ist wichtig, weil wir quasi Superfachleute haben wollen. Die laden wir dann ein und lassen sie im Dunkeln, worum es geht. Nach der ersten Staffel haben die zwar sicher eine Vorahnung, was sie in unserer Sendung erwartet, aber es hat ja jeder in der Politik mehr als nur ein Thema, und somit sind sie noch immer im Unklaren, wohin es für sie bei uns geht und welches ihrer Themen der Anlass für ihre Teilnahme bei uns ist. Was mich sehr gefreut hat: In sechs von acht Fällen hat unsere erste Wahl zugesagt. Und für die zwei Absagen haben wir auch 1A Lösungen bekommen.

Ich bin überrascht, dass also erst das Thema ausgesucht wird und dann die dazu passende Person aus der Politik. Ich hätte mir genauso gut vorstellen können, dass erst interessante Politikerinnen und Politiker ausgesucht werden, bevor nach Themen gesucht wird, die bei ihnen Konfliktpotential mit bringen.
Nein, nein, nein, darauf hatte in der Redaktion zum Glück keiner Bock. Denn der Grund, dass ich dieses Konzept so gut finde und da mitmache, ist dass es nicht darum geht, Konflikte zu provozieren. Wir wollen nicht mit einer Schlägerei in den Nachrichten landen. (lacht) Wir wollen sachlich über Themen, politische Vorhaben und deren potentiellen Folgen sprechen. Und im Idealfall lernen alle Beteiligten aus der Sache – und vor allem auch ich. (lacht) Ich bin nämlich relativ unbehelligt in diese Begegnungen gegangen. Aus der Redaktion habe ich die geringste Ahnung von den Themen, und mit den Betroffenen und den Politikern, die Jahre lang an ihren Entwürfen sitzen, kann ich eh nicht mithalten, da kann ich mich noch so lange vorbereiten. Ich war bei den Treffen also vorbereitet und gleichzeitig sehr neugierig und mit Lernbedarf.

Um eine typische Interviewfrage auf den Kopf zu stellen: Was an «Endlich Klartext» lief beim Dreh überraschend glatt?
Ich bin wirklich erstaunt, dass die Politiker und die Menschen vor Ort es durchgängig geschafft haben, sachlich zu bleiben. Ich hatte schon damit gerechnet, mal deeskalieren zu müssen, doch stattdessen wurde stets mit Engagement, aber Vernunft über das Thema gesprochen. Ich fand's cool und auch aufmunternd, dass alle begriffen haben, dass Politik nicht nur Schwarz und Weiß ist, sondern Dinge komplex abgewogen werden müssen.

Das macht «Endlich Klartext» besser als die meisten Talkshows …
Ich würde nicht sagen, dass wir irgendetwas besser machen. Ich finde Talkshows gar nicht schlecht! Aber wir machen etwas anders, bei uns sind Politiker nicht unter sich oder begegnen Fachvertretern, sondern treffen unmittelbar betroffene Menschen. Und der Clou ist da: Spätestens nach drei, vier Versuchen realisieren sie, dass sie mit ihren Floskeln nicht weiterkommen. Und im besten Fall sehen sie, dass ihre Vorhaben Folgen haben, die sie bis dahin nicht berücksichtigt haben.

Wie gestaltet sich also die Themensuche von «Endlich Klartext», wenn die ja das entscheidende Element ist ..?
Unsere Redaktion ist ja nicht repräsentativ für Deutschland, nicht einmal in ihrer Altersstruktur. Daher wäre es falsch, Themen auszusuchen, die uns direkt betreffen. Wir wählen stattdessen nach der Nachrichtenlage aus und wählen auch Themen aus, die in Talkshows häufig besprochen werden, und bei denen wir es relevant finden, die Betroffenen mal zu Wort kommen zu lassen.

Apropos Nachrichtenlage: Stimmt es, dass schlechte Nachrichtenlagen dafür sorgen, dass sich Comedy leichter schreiben lässt, weil es dann mehr Material gibt?
Das kann ich pauschal nicht unterschreiben. Es gibt Nachrichten, bei denen denke ich "Ach du Scheiße, will ich darüber überhaupt noch Witze machen?" und es gibt bei positiven Nachrichten auch noch immer lustige Einfälle. Aber es gibt natürlich auch schlechte Nachrichten, wo sich die Pointen direkt aufdrängen. Außerdem kann Comedy auch immer helfen, um eine schwierige Situation zu verarbeiten. Aber: Unter Comedians kann man über alles Witze machen. Da herrscht so ein schmerzloser Wettbewerb vor: "Wem fällt mehr ein?" Aber es geht unter Comedians auch darum, die ominöse Grenze auszuloten: Satire darf alles, aber nicht alles ist Satire. Aber sobald man an die Öffentlichkeit geht, muss man da aufpassen, weil man auf der Bühne natürlich eine andere Verantwortung hat. Die Frage ist dann zum Beispiel: Wie könnte das wirken? Hab ich etwas so missverständlich formuliert, dass die falsche Ecke es feiert, weil sie denkt, sie hat es richtig verstanden? Und es gibt auch das Problem: Wie kommt mein Witz rüber? Denn heute lassen sich ja leicht Dinge zusammenschneiden, so dass im 5-Minuten-Clip nicht klar wird, wie das eigentlich gemeint ist, während in meinem kompletten 90-Minuten-Stand-up keine Fragen diesbezüglich offenbleiben. Diese Aspekte kann man bedenken, muss man aber nicht – da hat jeder Comedian seine eigene Haltung.

Der Erfahrung nach sind Leute völlig gewillt, an das Gute in dir zu glauben. Wir sind ja alle zivilisierte Menschen, und man kann über so etwas reden. Alles halb so wild.
Abdelkarim
Wie sieht es bei Ihnen aus?
Ich muss zugeben: Ich mache mir da nicht zu große Gedanken, sondern verlass mich da auf meine Intuition. In meinen Solo-Stand-ups vertraue ich darauf, dass mich mein Publikum schon einzuschätzen weiß und auch das ganze Programm im Blick hat, es also weiß, wie der eine oder andere Spruch schlussendlich gemeint ist. Ich habe erfreulicherweise ein sehr facettenreiches, weltoffenes und aufmerksames Publikum, das sich selber nicht zu ernst nimmt. Ich improvisiere viel, und da besteht halt immer die Gefahr, wem auf den Schlips zu treten – und wenn mal was zu krass rüberkommt, dann kann man darauf auch schnell eingehen. Der Erfahrung nach sind Leute da völlig gewillt, an das Gute in dir zu glauben. Wir sind ja alle zivilisierte Menschen, und man kann über so etwas reden. Alles halb so wild. Aber bei TV-Auftritten, wo man nur ein paar Minuten Zeit hat, da ist natürlich kein Raum, um erst einmal Kontext zu schaffen. Da bietet es sich also an, das etwas bewusster im Blick zu haben: "Hey, welche Pointe bringe ich nun wie rüber?"

Vielen Dank für das Gespräch!
«Endlich Klartext» geht am 18. Februar 2020 um 22.15 Uhr bei RTLZWEI in die zweite Staffel.

Kurz-URL: qmde.de/115905
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