Die Kino-Kritiker

«Bliss»: Kunst, Drogen, Blut und nackte Haut

von

Drastisch, verschwitzt, bunt, siffig: «Bliss» ist lautes, hartes, andersartiges Kino.

Filmfacts «Bliss»

  • Regie und Drehbuch: Joe Begos
  • Cast: Dora Madison, Tru Collins, Rhys Wakefield, Jeremy Gardner, Graham Skipper, Chris McKenna, Rachel Avery
  • Musik: Steve Moore
  • Kamera: Mike Testin
  • Schnitt: Josh Ethier
  • Laufzeit: 80 Minuten
Das Sundance-Filmfestival, die Berlinale, die Filmfestspiele von Venedig und natürlich die von Cannes – dies dürften die berühmtesten Filmfestivals der Welt sein und auch mit die angesehensten. Doch für Fans des kantigen, rauen, sonderbaren und/oder derb-herben Kinos hat sich das spanische Filmfest Sitges als einer der wichtigsten Termine des Filmjahres herauskristallisiert. Dort liefen solche Filme wie Gaspar Noés blutiger Tanzfilm «Climax», Sam Levinsons moderne, fiese Satire «Assassination Nation», Panos Cosmatos' Nicolas-Cage-Rachevehikel «Mandy», der Furzende-Leichen-Film «Swiss Army Man», Park Chan-wooks «Oldboy», der Pädophilen-Folter-Film «Hard Candy» oder der Mediensatireklassiker «Mann beißt Hund».

2019 lief auf dem Sitges, sowie auch auf dem deutschen Fantasy Filmfest, unter anderem auch der Psychohorror «Bliss» über eine Malerin, die unter einer kreativen Blockade leidet und nur noch im Vollrausch an ihrem neusten Bild arbeiten kann. Der knackige, intensive 80 Minuten lange Film von Joe Begos wurde auf dem Sitges-Festival in der Sparte "Midnight x-treme" als bester Film nominiert und wurde auch im eh schon andersartigen, rauen Programm des Fantasy Filmfests wissentlich in die Spätschiene gelegt. Das sollte Filmfans bereits einen gewissen Eindruck davon verschaffen, was bei «Bliss» zu erwarten steht: Dieser Trip in den zugedröhnten Verstand einer frustrierten, feiersüchtigen Malerin ist laut, extrem stylisch und knallhart.


Regisseur und Autor Joe Begos fängt den Abstieg seiner Hauptfigur Dezzy in immer wirrere Rauschzustände (und womöglich auch in düstere, übernatürliche Gefilde) auf grobkörnigem, kontrastarmem Super-16-Filmmaterial ein. Auf der großen Kinoleinwand wirkt dies besonders matschig – eine bewusste, stilistische Entscheidung. Sie passt wie die Faust aufs Auge, da das Super-16-Bild ästhetisch zur wilden, unangepassten Kunstszene passt, zu der sich Dezzy zählt, und es obendrein das von Rauschmitteln und Dem-Morgen-danach-Kopfschmerzen zersetzte Gefühl Dezzys sichtbar macht.

Begos und sein Kameramann Mike Testin verleihen dem Bildmaterial zudem aber eine wilde, moderne Komponente, indem sie sich dem modernen Trend anschließen, viele Szenen nur mit wenigen, unnatürlich gefärbten, gegensätzlichen Lichtquellen zu beleuchten. Dieser Clash aus Neonfarben und grobkörnigem, kontrastarmem Filmmaterial sorgt für eine hypnotisierende, siffige Gesamtästhetik – man fühlt förmlich das lange nicht gelüftete, nach Farbe, Schweiß und Sex stinkende Schlafzimmer Dezzys, in dem über Kunst und den nächsten Rausch gebrütet wird, während lauter, unharmonisch abgemischter Metal läuft.



Hauptdarstellerin Dora Madison sorgt mir ihrer Performance dafür, dass «Bliss» kein reiner Style-Film wird: Sie gibt die vergnügungssüchtige, integre, aber auch beratungsresistente Malerin Dezzy mit Ausdruckskraft, aus der Zeit gefallener 1990er-Rebellinnen-Attitüde und einem für Spannung sorgenden, unklaren Element. Es ist genauso glaubwürdig, dass Dezzy ihre Dämonen nicht mehr unter Kontrolle hat, als dass die härtesten Elemente von «Bliss» nur blutige, drastische Metaphorik sind und es Dezzy in der Filmwelt selber gut geht – so bleibt bis zum großen Knall die Frage offen, wo «Bliss» hinsteuert. Das Ende ist dann von formidabler Konsequenz.

Fazit: Laut, hart, stylisch: «Bliss» ist kunstvoller Schund – oder die sündige Illustration des Kunstprozesses.

«Bliss» ist ab dem 20. Februar 2020 in ausgewählten deutschen Kinos zu sehen.

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